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Vortrag von Tim Guldimann

Friedenspolitik mit Hindernissen

Die internationale Friedenspolitik als «westliches Projekt» sei notwendig, aber mit diversen Widersprüchen konfrontiert. Dies das Fazit eines Referates von Diplomat und Politikwissenschaftler Prof. Tim Guldimann an der Universität Zürich. Er zeichnete das Bild einer Friedenspolitik, die an ihre Grenzen gestossen ist.
Adrian Ritter

Es war eine verheissungsvolle Zeit, als Ende der 1980er Jahre der Kalte Krieg endete. Stand die Menschheit vor einem goldenen Zeitalter des Friedens? «Der erhoffte Friede fand nicht statt», stellte Botschafter Tim Guldimann am Mittwoch in seinem Referat auf Einladung des Europa Institutes an der UZH nüchtern fest.

«Der erhoffte Friede fand nicht statt», stellte Botschafter Tim Guldimann fest.

Die Zahl der Konflikte habe seither sogar zugenommen, wobei Irak, ex-Jugoslawien und Afghanistan nur einige der Beispiele seien. Der Kalte Krieg habe ethnische Konflikte verdeckt, die inzwischen aufgebrochen seien. Generell sei ein Trend von zwischenstaatlichen zu innerstaatlichen Konflikten festzustellen.

Massive Zunahme der Interventionen

Als Reaktion darauf haben die friedenspolitischen Interventionen seit Beginn der 1990er Jahre massiv zugenommen, seitens der UNO, der OSZE, der NATO oder inzwischen auch der Europäischen Union. «Rund 180'000 Personen stehen zur Zeit im Rahmen von Friedensmissionen, die von der UNO mandatiert sind, weltweit im Einsatz», so Guldimann.

Zu unterscheiden sei dabei zwischen Aktionen der Friedensdurchsetzung (Beispiel: Befreiung Kuwaits von der irakischen Besetzung), der Friedenssicherung (NATO-Truppen in Kosovo) und der Friedenskonsolidierung (Aufbau demokratischer Strukturen im Kosovo durch die OSZE). Tim Guldimann kann dabei selber auf vielfältige Erfahrungen zurückblicken, war er doch unter anderem Leiter der OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien sowie Chef der OSZE-Missionen in Kroatien und später in Kosovo.

Hilfe mit Sinn?

«Macht diese ganze Helferei überhaupt Sinn?», lasse sich die Frage stellen. Er könne nicht pauschal mit «Ja» antworten. Die internationale Friedenspolitik sei zwar notwendig, er habe aber Zweifel betreffend ihrer Umsetzung: «Wir tun etwas Nützliches, stecken aber sofort mit beiden Füssen in den Widersprüchen unserer Aktion.»

UNO-Friedenssoldaten am Flughafen von Sarajevo im Jahr 1993.

So komme die internationale Diplomatie oft erst nach einem «CNN-Effekt» in Gang, wobei sich Bilder politisch missbrauchen lassen. Ein Beispiel dafür sei die weinende Krankenschwester, die anfangs der 1990er Jahren vor US-Politikern über mordende irakische Soldaten in kuwaitischen Spitäler berichtet hatte. Dies wurde später als reine Propaganda entlarvt.

Machtlos zusehen

Abgesehen von fehlenden, verspäteten oder hilflosen Reaktionen der Weltgemeinschaft wie etwa im Falle von Ruanda oder Darfur sieht Guldimann mehrere gravierende Schwierigkeiten, was die Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung anbelangt.

Auch wenn es gelinge, in einer Krisenregion den Frieden zu sichern, seien damit die Konfliktursachen keineswegs beseitigt. Vielmehr bestehe die Gefahr, durch solche Interventionen die Konflikte einzufrieren.

Jüngstes Beispiel dafür, dass die Präsenz von Friedenstruppen keinen Frieden garantiere, sei der Osten Kongos. Dort vermochten die UNO-Truppen vor zwei Wochen den Vormarsch von Rebellen nicht aufzuhalten und konnten dem Massaker an der Zivilbevölkerung nur noch machtlos zusehen.

Westliches Projekt

Um tiefer auf die Konfliktursachen einzuwirken, versuchen friedenssichernde Massnahmen seit den 1990er Jahren vermehrt auf die gesellschaftliche Entwicklung Einfluss zu nehmen. Dabei zeige sich deutlich: «Die Friedenspolitik ist ein westliches Projekt.» So hätten Friedensmissionen in den letzten Jahren immer auch versucht, Demokratie und Marktwirtschaft in den Krisenregionen zu installieren.

Freie Wahlen und eine liberalisierte Wirtschaft seien zwar gute Voraussetzungen, aber keine Garantie für Frieden, so Guldimann. Die forcierte Durchführung von Wahlen könne auch eine destabilisierende Wirkung haben, wie sich in Kambodscha, Angola oder Ruanda gezeigt habe.

Friedenspolitik in Frage gestellt

Er wolle mit seinen kritischen Äusserungen nicht die Friedenspolitik in Frage stellen, aber es sei nötig, deren Widersprüche offen zu legen, um daraus lernen zu können. Die Friedenspolitik sei ein anhaltender Lernprozess. «Die reine, gute und wahre Friedenspolitik gibt es nicht», so Guldimann.

Der Reflexionsprozess sei umso nötiger, weil sich die Rahmenbedingungen der Weltpolitik derzeit grundlegend veränderten und die Zukunft der Friedenssicherung aus drei Gründen in Frage gestellt sei.

Erstens sei die Friedenspolitik als westliches Projekt auf die Akzeptanz der westlichen Politik im Rest der Welt angewiesen. Die US-Aussenpolitik unter Präsident George W. Bush habe das Ansehen des Westens in der Welt untergraben, da sie sich selbst nicht mehr an die Werte der Aufklärung gehalten habe, sagte Guldimann mit Blick auf Guantanamo. Der neue US-Präsident Barack Obama werde diesen nachhaltigen Schaden nicht so rasch beheben können, so Guldimann.

An Grenzen gestossen

Zweitens stosse die Friedenssicherung hinsichtlich ihrer innenpolitischen Akzeptanz, der militärischen Kapazitäten wie auch ihrer Finanzierbarkeit an Grenzen. Drittens, so Guldimann, basieren friedenspolitische Missionen auf einem internationalen Konsens im UNO-Sicherheitsrat.

Die weltpolitische Profilierung Russlands und Chinas habe den Einfluss des Westens in internationalen Krisenregionen stark reduziert. Der westlichen Politik und ihrem Projekt der Friedenspolitik seien dadurch engere Grenzen gesetzt. «Friedenspolitik wird in Zukunft noch viel schwieriger werden», so das Fazit von Diplomat Guldimann.