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Das Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung IPMZ lud zur Podiumsdiskussion über die «Zukunft der Qualitätstitel, die Glaubwürdigkeit vor der Leserschaft und den Umgang mit der Macht und den Mächtigen» und viele kamen: Der Hörsaal im Hauptgebäude der Universität war bis auf den letzten Platz besetzt, ein Teil des Publikums verbrachte die rund eineinhalbstündige Diskussion stehend – genau so wie die Podiumsteilnehmer Markus Spillmann, Chefredaktor der NZZ, Otfried Jarren, Publizistikprofessor und Leiter des IPMZ, und Moderator Caspar Selg, Redaktionsleiter «Echo der Zeit» von Schweizer Radio DRS.
Das Interesse am Untergang der Schweizer Qualitätspresse ist zumindest in universitären Kreisen also gross. Ob sie tatsächlich untergehen wird, ist auch nach der gestrigen Diskussion nicht restlos geklärt. Publizistikprofessor Otfried Jarren bekannte jedoch, ihm sei «bang» um deren Zukunft. Dafür nannte er vor allem zwei Gründe: die immer grösser werdende Zahl der Medien, die um das knappe Gut Aufmerksamkeit buhlen, und das Nachlassen der Bindungsbereitschaft in der Gesellschaft, das sich wohl auch auf das mediale Konsumverhalten und damit die Treue der Leserschaft auswirkt.
Dabei brauche gerade die «mobile und volatile» Gesellschaft «Anleitung und Orientierung». Diese müssten die Medien leisten, sagte Jarren, der dabei vor allem an die «Leitmedien» dachte, die uns durch den «Alltagsdschungel» führen sollten. Jarren hat allerdings eine idealistische Vorstellung der «Leitmedien». In seiner Definition kann es sich dabei nur um Qualitätsmedien handeln und da zuallererst und vor allem um die NZZ.
NZZ-Chefredaktor Markus Spillmann hielt dem eine pragmatisch-realistische Definition entgegen: Für ihn beanspruchen die Leitmedien die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und haben die Macht, Themen zu setzen. Gemäss Spillmanns Definition gehören also auch Boulevardmedien wie der «Blick» in die Kategorie der Leitmedien.
«Blick» wie NZZ müssen sich letztendlich im Markt behaupten, das betonte Spillmann immer wieder: Anders als bei den Boulevardmedien ist die «Quote» bei der NZZ kein prioritäres Kriterium, aber auch die NZZ muss die Mittel erwirtschaften, mit denen sie die journalistische Qualität finanziert. Deshalb stelle man sich auch an der Falkenstrasse immer wieder die Frage, ob man das richtige Produkt habe, um die Leserschaft zu erreichen.
Spillmann ist zuversichtlich, dass in der Schweiz Qualitätstitel überleben können. Die NZZ will sich dabei mit «smarten» Produkten für ebenso smarte Leser positionieren.
Die Zukunft ist selbst für den NZZ-Chefredaktor multimedial: «Die neue Generation wächst digital auf, darauf müssen wir reagieren.» Deshalb will auch die NZZ über kurz oder lang über jeden im Markt vorhandenen Kanal qualitativ hoch stehende Information verbreiten. Was allerdings noch fehlt, sind tragfähige Geschäftsmodelle – auf dem Internet verdient man heute zu wenig, um die Verluste im Print wettzumachen.
Otfried Jarren hat grundsätzliche Zweifel, ob sich der Qualitätsjournalismus in Zukunft alleine am Markt finanzieren lässt. Wichtig sei, dass die Medien den Lesern klar machten, wofür sie stehen und was ihre Leistungen seien. Die Branche müsse zudem dafür sorgen, dass Qualitätsstandards geachtet und gepflegt werden, betonte er. Und gerade die NZZ habe ein grosses Leserinnenpotenzial, das brach liege, weil die Politik und die politische Berichterstattung nach wie vor zu «männerlastig» seien.
In der anschliessenden Diskussion wies ein Zuhörer darauf hin, dass in Deutschland Qualitätstitel wie «Die Zeit» oder die «Süddeutsche Zeitung» mittlerweile wieder mehr Leserinnen und Leser haben. Weshalb dem so ist, konnte auf dem Podium niemand beantworten. Naheliegend dürfte jedoch die Erklärung sein, dass diese beiden Titel die Vermittlung von Information mit einem gewissen Genusswert für die Leser verbinden und damit das «intelligente Lesevergnügen» vermitteln, mit dem hierzulande die NZZ am Sonntag für sich wirbt.