Navigation auf uzh.ch
Ein Vermächtnis ist etwas nachhaltig Wertvolles, das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. So definierte Hans Rudolf Schelling, Geschäftsführer des Zentrums für Gerontologie, das zentrale Thema des 9. Gerontologietages. Das Wertvolle, das weitergegeben wird, kann ganz handfest sein: etwa Geld, eine Liegenschaft oder Nutzungsrechte; es können aber auch kulturelle Werte des Kunstschaffens und gesellschaftliche Strukturen (zum Beispiel die Verfassung eines Staates) von einer Generation an die nächste vermacht werden. Doch was immer das Vermächtnis ausmacht, es muss zu Lebzeiten geschaffen werden, damit es über den Tod einer Person hinaus wirken kann.
Die Beschäftigung mit Vermächtnissen erfolgt meist interdisziplinär. Am Gerontologietag wurden Vermächtnisse aus rechtswissenschaftlicher, historischer, psychologischer, ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Sicht behandelt. Interessant war dabei der Blick über die eigene Kultur hinaus, nach Syrien, genauer: nach Damaskus, einer der ältesten Städte der Welt, und damit einem gebauten Vermächtnis zahlreicher früherer Generationen an die Nachfolgenden. Seit 1979 ist die Altstadt von Damaskus Weltkulturerbe, führte die Historikerin Astrid Meier aus. Seither wird die früher heruntergekommene Altstadt nach und nach saniert und für den Tourismus zurecht gemacht. Damit werden aber immer mehr die Familien vertrieben, die früher dort wohnten.
Früher galt der Kern von Damaskus als unmodern und unhygienisch und nur arme Familien zogen dort hin, führte Meier aus. Heute sehe man in der Altstadt die vielen Spuren alter Traditionen, die es zu erhalten gelte und die wieder als vorbildlich hingestellt würden. Meier nannte Damaskus ein anschauliches Beispiel, wie die politische und gesellschaftliche Haltung gegenüber einem Vermächtnis von einem Extrem ins andere kippen kann. Ein gesundes Mittelmass sei gefordert, bei dem das Alte weder als unwert noch als ewig gültig betrachtet wird. Oder mit anderen Worten: Es geht darum, Vermächtnisse zu schätzen, zu schützen und nachhaltig zu wahren, ohne sich deswegen dem Neuen und dem Wandel zu verschliessen.
Für ein humoristisches Intermezzo im Tagungsprogramm sorgte die Schweizer Kabarettistin Margrit Läubli: «Der Zahn der Zeit» nage an uns allen deklamierte sie und deutete auf die Zwiespältigkeit des Alterns hin: «Unter Tränen mit strahlenden dritten Zähnen». Läublis Beitrag leitete zur Verleihung des Vontobel-Preises für Alter(n)sforschung über, der jährlich am Gerontologietag überreicht wird.
Der Vontobel-Preis diene der Nachwuchsförderung, führte Prorektor Otfried Jarren aus, und weise durch die aufgegriffenen Themen auf relevante gesellschaftliche Probleme hin. Jarren dankte in seinem Grusswort Mike Martin, Vorsitzender der Leitung des Zentrums für Gerontologie, für den gelungenen Aufbau des Zentrums, das mit seiner Arbeit zum fortschrittlichen Profil der Universität Zürich beitrage.
In diesem Jahr zeichnete die Jury von insgesamt 22 eingereichten Arbeiten und aufgrund von unabhängigen Gutachten zwei Bewerber aus: Den Psychologen Simon Forstmeier für seine Arbeit zum Thema: «Motivational reserve: Lifetime motivational abilities contribute to cognitive and emotional health in old age», und die Medizinerin Jana Henschkowski für ihren Beitrag zum Thema: «Anti-fall efficacy of oral supplemental vitamin D and active vitamin D: A meta-analysis of randomized controlled trials».
Forstmeier geht der Frage nach, welche Fähigkeiten zur Handlungs- und Motivationsregulation es Personen mit einer fortschreitenden Demenzerkrankung ermöglichen, ihr Leben trotz zunehmender kognitiver Einschränkungen zu bewältigen. Die Arbeit fokussiert auf ein neues Konzept der Lebensgestaltung im Bereich gerontologischer Forschung und erklärt damit die differenziellen Entwicklungsverläufe im Alter. Die Arbeit richte damit den Blick in neuartiger Weise auf die enormen Anpassungsleistungen, die Personen im Alter erbringen, führte Mike Martin aus.
Die von Jana Henschkowski vorgelegte Arbeit beleuchtet die Frage, welcher Umfang und welche Art von Therapien sich günstig auf die Sturzprävention im Alter auswirken. Sie wertete dazu längsschnittliche Daten von über 2400 Personen aus und analysierte die therapeutische Wirkung unterschiedlicher Dosen und Präparate auf die Entwicklung von Sturzprävalenzen. Auf der Basis dieser Analysen erarbeitete sie genaue und fundierte Hinweise für die sturzpräventive Therapie mit Vitamin D.
Regula Brunner-Vontobel, von der Familien-Vontobel-Stiftung, überreichte den beiden Preisträgern die Urkunde. Simon Forstmeier und Jana Henschkowski betonten, dass sie von dem Preis sowohl in materieller als auch in ideeller Weise profitieren würden.