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Anstoss. Der tschechische Stürmer spielt einen Rückpass zu seinem Mittelfeldspieler, doch der slowakische Stürmer hat aufgepasst: Mit einem entschlossenen Antritt geht er dazwischen, schnappt sich den Ball, lässt die ganze tschechische Verteidigung stehen und markiert das 3:0. Einziger Trost für die Tschechen: diesmal war es wenigstens kein Eigentor; die ersten beiden Treffer haben sich die Tschechen nämlich selber zuzuschreiben.
Drei weitere Eigentore kommen im Laufe der Partie noch dazu, am Ende lässt das Resultat an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. 15:0 gewinnen die Slovaken ihr Vorrundenspiel. So geschehen am gestrigen Sonntag an der Roboter-Fussball-EM im Artificial Intelligence Lab der Universität Zürich. Noch bis am Dienstag spielen dort Teams aus zehn europäischen Ländern um den Einzug in die Finalrunde, die von Donnerstag bis Sonntag im österreichischen Linz stattfinden wird.
Wenn Roboter Fussball spielen, so hat das mit dem bekannten Spiel von elf Männern auf grünem Rasen nicht viel mehr als den Namen gemein: Das fängt schon damit an, dass die Fussball-Roboter gar keine Füsse haben. Vielmehr sind es kleine Würfel von 7,5 cm Kantenlänge, die auf zwei oder vier Rädern mit bis zu 30 Stundenkilometern über das Spielfeld flitzen und versuchen, einen orangen Golfball ins gegnerische Tor zu bugsieren.
Je nach Spielklasse stehen sich drei, fünf, sieben oder elf Roboter gegenüber. Gelenkt wird jede Mannschaft von einem zentralen Computer. Dieser erhält von einer Kamera über dem Spielfeld 120 mal in der Sekunde ein Bild des Spielgeschehens. Der Rechner wertet die Bilder aus und schickt per Funk Steuerbefehle an die flinken Roboter.
Wieso sollen Roboter aber Fussball spielen und was hat das mit Wissenschaft zu tun? Viel, meint Rolf Pfeifer, Professor für künstliche Intelligenz am Institut für Informatik der Universität Zürich. Denn die vermeintlich einfache Spielanlage stellt die Roboterbauer vor grosse Herausforderungen: Da wären zunächst einmal die «Spieler». «Nur schon ein Roboter, der rennen kann, ist eine Höchstleistung», erklärt Pfeifer.
Wer den Siebenkampf der «humanoiden» zweibeinigen Roboter gesehen hat, der parallel zur Fussball-EM ausgetragen wird, weiss, wovon Pfeifer spricht: Die Siegerzeit im «Sprint» über 2,4 Meter (1,2 Meter vorwärts, 1,2 Meter rückwärts) liegt bei 35 Sekunden. Einige brauchen bis zu fünf Minuten, andere der rund 50 Zentimeter kleinen Gesellen fallen auf die Nase oder verirren sich auf der kurzen Strecke hilflos.
Bis Roboter den Menschen im Fussball ebenbürtig sind, dürfte es also noch eine Weile dauern: «Die Vision ist, dass 2050 eine Roboter-Mannschaft den Weltmeister schlägt», sagt Rolf Pfeifer. Professor Peter Kopacek von der technischen Universität Wien, seines Zeichens mehrfacher Welt- und Europameister, gibt sich unbescheidener: «Ich denke, dass 2015 bis 2017 eine Roboter-Mannschaft die Österreichische Nationalmannschaft besiegt», grantelt er mit typischem Wiener Schmäh. «Für die Brasilianer dauert es bis 2025.»
Immerhin wurden in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte gemacht: «Mitte der neunziger Jahre brach das Publikum in Jubel aus, wenn einer der langsam übers Feld schleichenden Roboter einmal per Zufall auf den Ball stiess», so Kopacek. Heute flitzen die Roboter teilweise sehr zielgenau mit dem Ball auf dem Feld umher. Es gibt Torschüsse, schnelle Konter und Torhüterparaden wie im echten Fussball.
Damit dieses einigermassen flüssige und nicht gänzlich zufällige Spiel zustande kommt, ist viel künstliche Intelligenz gefragt. Der Rechner muss die mit Farbflächen gekennzeichneten Roboter der eigenen Mannschaft erkennen, ihre Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit. Ebenso wichtig natürlich ist die Position und Richtung des Balles. Dazu muss der Rechner Voraussagen machen können, wohin sich Ball und Spieler bewegen. Das ist nicht immer ganz einfach. Nicht selten laufen deshalb beherzt angetretene Vorstösse ins Leere oder die Roboter suchen orientierungslos den Ball, der nur wenige Zentimeter neben ihnen dahinrollt.
Eine komplexe Herausforderung ist auch die Kooperation unter den einzelnen Robotern. Ein eigentliches Zusammenspiel gibt es nicht. Flüssig vorgetragene Ballstaffetten, wie wir sie aus dem richtigen Fussball lieben, sind noch Zukunftsmusik. Die Taktik ist entsprechend einfach: Es geht in erster Linie darum, den Ball in die Spielfeldhälfte des Gegners zu bringen und dann irgendwie ins Tor zu manövrieren. Defensiv muss das Tor so gut als möglich abgedeckt werden.
Die Schweiz ist im Gegensatz zum Ko-Gastgeber Österreich an der Roboter-Fussball-EM nicht vertreten. Das AI-Lab von Professor Rolf Pfeifer hat zwar keine eigene Mannschaft am Start, doch mit Labor-Besichtigungen führen er und seine Mitarbeitenden vor, welche Roboter in Zürich entwickelt werden. Die können zwar nicht Fussball spielen, dafür aber etwa tanzen, ein Glas Wasser einschenken, schwimmen oder wie ein Hund rennen.