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Das liess sich die Universität Zürich nicht nehmen: Zu ihrem 175-jährigen Jubiläum schenkte sie sich quasi in der Verlängerung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten das «Zurich Football Forum». Darin wird alles, was die interessierte Öffentlichkeit schon immer über Fussball wissen wollte, kurz vor dem Anpfiff der EM in Referaten hoch konzentriert an zwei Tagen vermittelt: Wie aus dem Elitesport Fussball im 19. Jahrhundert ein globaler Volkssport wurde; wie ein Fussball zusammengesetzt sein muss, damit er möglichst rund ist; wie es um die Rechte im Fussball steht; wie Medikamente im Fussball gebraucht und missbraucht werden; wie sich die Politiker die Popularität des Fussballs zunutze machen und vieles mehr rund um den Fussball ist Gegenstand der Vorträge aus den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen, von der Soziologie bis zur Mathematik.
Die Eröffnung des Zurich Football Forum war ein Heimspiel, denn alle drei Redner vertraten Institutionen, die ihren Sitz in Zürich haben. Als erstes sprach Rektor Hans Weder über seine Freude, nach dem offiziellen Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten nochmals teilnehmen zu können an dem, was die Öffentlichkeit bewegt. Und das sei zurzeit eindeutig Fussball. Die Universität Zürich freue sich, ihr Jubiläumsmotto «Wissen teilen» auf die wichtigste Nebensache der Welt anwenden zu können. «Wir möchten verstanden werden und verstehen, was andere denken», umschrieb Weder die Motivation, sich wissenschaftlich mit Fussball zu beschäftigen.
Einen schönen Pass an die Wissenschaftler, die am «Zurich Football Forum» referieren, gab Stadtpräsident Elmar Ledergerber. Er zitierte Intellektuelle des 20. Jahrhunderts wie Albert Camus oder Jean-Paul Sartre und was diese Gescheites zum Fussball gesagt hatten. Bedenkenswert sicher der Ausspruch des marxistischen Freiheitskämpfers Che Guevara, der im Fussball nicht nur ein Spiel, sondern «eine Waffe der Revolution» gesehen hat, und das Bonmot des englischen Fussballers Gary Lineker, «dass Fussball ein Spiel mit 22 Mann ist, bei dem am Ende immer Deutschland gewinnt».
Der Präsident des in Zürich domizilierten Weltfussballverbandes (FIFA), Joseph S. Blatter, der an der Eröffnung des «Zurich Football Forum» als dritter sprach, dribbelte spielfreudig von einem Gedanken zum nächsten. Nach einer kurzen Aufwärmphase, während der er den Jetlag nach seiner Brasilienreise bezwang, lief der FIFA-Präsident als Kopfballer zur Höchstform auf, indem er über die Gemeinsamkeiten von Fussball und Universität sinnierte: Beide Institutionen, die FIFA und die UZH, seien altehrwürdige Institutionen; die FIFA wurde 1904 gegründet, die UZH 1833. Ausserdem entstand Fussball in seiner heutigen Form an englischen Eliteschulen, wo die Schlafsäle damals zehn Studenten beherbergten – zusammen mit dem Aufseher ergab das gerade eine Elfer-Mannschaft.
Doch mittlerweile ist Fussball zu dem weltumspannenden Volkssport geworden. 260 Millionen Mitglieder hat die FIFA, sagte Blatter. Wenn jeder zu drei Leuten Kontakt hat, ergibt das über eine Milliarde Menschen, die mit Fussball zu tun haben. Fussball sei zu einem Spiegelbild der ganzen Welt geworden, zeigte sich Blatter überzeugt. Eigentlich habe die FIFA diese politische Dimension gar nicht gewollt, doch sei sie mittlerweile eine Realität.
Das Programm des «Zurich Football Forum» zeige, dass Fussball alle beschäftige, auch die Wissenschaftler: Psychologen, unter Umständen gar Psychiater, Soziologen, Physiker, Mathematiker, Ökonomen, Juristen und Mediziner. Ja selbst die Babies im Mutterleib würden kicken – mit ein Grund, weshalb Fussball so populär sei.
Ausserdem sei der Ball so rund wie die Erde. Und er müsse ins Goal, ins Ziel. Letzten Endes gehe es immer darum: «Ist er drin oder nicht?» Unangenehme Begleiterscheinungen wie Gewalt steckten nicht im Spiel selbst, sondern in den Menschen. Einige hätten sich Fussball als Plattform ausgesucht, damit sie in die Medien kommen. Aber an sich sei Fussball Fairplay, ein Mannschaftssport, bei dem man gewinnen und verlieren lerne und sich den Regeln und dem Schiedsrichter unterzuordnen habe.
Eines machte dem FIFA-Präsidenten Blatter jedoch Kopfzerbrechen: dass viele Fussballmannschaften in der oberen Liga keine eigenen, nationalen Spieler mehr beschäftigen. Dadurch werde der alte Traum jugendlicher Nachwuchsspieler unterwandert, dereinst für das eigene Land in der Champions League spielen zu können, gab Blatter zu bedenken. Das sei gar nicht gut. Blatters Schlussbilanz fiel trotzdem positiv aus: «Fussball ist eine Schule des Lebens» und eine «Energiequelle, die unsere gestörte Welt dringend braucht».