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Ist Höflichkeit eine Tugend oder blosses Blendwerk? Gibt es Gerechtigkeit? Hat auch das Nutzlose einen Nutzen? Oder: Wo wohnt das Glück? In ihren philosophischen Kolumnen und Essays, die sie für verschiedene Tageszeitungen schreibt, stellt Ursula Pia Jauch alte Fragen neu – und greift dabei auch auf ganz alltägliche Beobachtungen zurück. Sie denkt über die antiaufklärerische Wirkung von Aufklärungskampagnen nach und über den verborgenen Moralismus der Prosecco-Gesellschaft. Oder sie stellt die These auf, dass Gustav Gans aus Entenhausen auf seine Weise fast so viel vom Glück verstehe wie Platon oder Pascal.
Ursula Pia Jauch ist Titularprofessorin für Philosophie an der Universität Zürich, ihr Forschungsschwerpunkt ist die clandestine Philosophie des 18. Jahrhunderts. Die Autorin etlicher Bücher gehört zu jenen Berufsdenkerinnen, die auch ausserhalb der Akademie den philosophischen Dialog suchen und anregen. Einer breiteren Öffentlichkeit ist sie als Moderatorin der Fernsehsendung «Sternstunde Philosophie» bekannt, zudem wirkt sie als Publizistin und Essayistin.
Philosophie, so ihre Überzeugung, war nie allein Sache universitärer Spezialisten: «Ich glaube, es gibt niemanden, der nicht gelegentlich von sich aus philosophiert. Der Bedarf nach philosophischer Auseinandersetzung ist riesig.» Als Beispiel erwähnt sie die «Café philos», öffentliche Diskussionsrunden, die seit rund zehn Jahren in vielen Städten organisiert werden. Ursula Pia Jauch leitet solche Debatten mit Vergnügen. «Man spürt dabei, wie die Philosophie im alten Griechenland entstanden ist: nicht als Fachdisziplin, sondern als ambulanter öffentlicher Diskurs.»
Die Denkerzunft, mahnt sie, dürfe diese Ursprünge nicht vergessen: Die Philosophie sei «als Kläranlage in öffentlichen Debatten» dringend gefragt. Umgekehrt sei es für die Philosophie selbst von Nutzen, sich gelegentlich einem breiteren Publikum zu öffnen. Die Wissenschaftlerin weiss aus Erfahrung: «Das Bemühen, den Fachjargon aufzubrechen und zu einem allgemein verständlichen Stil zu finden, wirkt sich auf das Denken immer belebend aus.»
Allerdings: So befruchtend die zweigleisige Tätigkeit in Öffentlichkeit und Wissenschaft ist – die damit verbundene Anstrengung ist ebenfalls eine doppelte, denn die beiden Sphären stellen ganz unterschiedliche Anforderungen. Die Wissenschaft zwingt zu Disziplin, Präzision und Konzentration über grosse Zeiträume hinweg; im öffentlichen Diskurs kommt es auf Beweglichkeit, Reaktionsvermögen, dialogisches Denken und Mut zur pointierten, provokativen Formulierung an.
«Die kurzlebige Medienwelt allein», bekennt Ursula Pia Jauch, «würde mich nicht ausfüllen, ich brauche als intellektuellen Nährboden die Wissenschaft.» Sporadisch zieht sie sich deshalb zurück, um sich allein ihrer Forschung zu widmen. Im Moment steht ihr gerade ein mehrmonatiger Aufenthalt am renommierten Wissenschaftskolleg in Berlin bevor. Sie will dort unter anderem ihre Buchprojekte über Exzentrik und Damenphilosophie im 18. Jahrhundert vorantreiben.
Freude macht ihr auch die Lehrtätigkeit an der Universität Zürich: «Jedes Semester bringt mir einige wirklich interessierte Studierende, die mich intellektuell herausfordern und mich auf neue Ideen bringen. Solche Begegnungen halten mich alert – sie sind das Beste, was mir als Philosophin passieren kann.»