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Emeritierung von Rolf Zinkernagel und Hans Hengartner

«Es war eine phantastische Zeit»

Fast drei Jahrzehnte lang leitete Rolf Zinkernagel gemeinsam mit dem Molekularbiologen Hans Hengartner das Institut für Experimentelle Immunologie am Zürcher Universitätsspital. Ende Februar trat der Medizin-Nobelpreisträger in den Ruhestand.
Michael T. Ganz

Rolf Zinkernagel sitzt in seinem winzigen Büro, einen Wollschal um den Hals, als sei er schon am Gehen. Im Korridor stehen Umzugskartons, die Labors sind aufgeräumt, bereit zur Übergabe. Es ist Ende Februar und einer seiner letzten Arbeitstage: Nach über 28 Jahren Dienst an der Universität Zürich verlässt Rolf Zinkernagel seinen Posten im Nordtrakt des Universitätsspitals.

War froh, trotz Nobelpreis in Ruhe arbeiten zu können: Rolf Zinkernagel in seinem Büro (Archivbild 2005).

Schwer fällt ihm die Trennung nicht mehr so sehr; die Zeit zum Abschiednehmen war lang genug. 2004 schon hatten Zinkernagel und sein Institutspartner Hans Hengartner ihren Rücktritt eingereicht. Beide waren sechzig geworden und wollten spätestens 2007 ihre Lehrstühle jüngeren Kollegen überlassen. Doch die Nachfolgelösung verzögerte sich um über ein Jahr. Jetzt ist sie gefunden: Der 39-jährige Immunologe Christian Münz wird den Betrieb übernehmen.

Geduld brauchte Zinkernagel schon am Anfang seiner Zürcher Zeit. «1976 erhielt ich die Einladung, an der Universität Zürich vorzusingen», erzählt er in seinem immer noch unverfälschten Basler Dialekt. Zusammen mit Hengartner sollte Zinkernagel das damals leer stehende Institut für experimentelle Pathologie übernehmen. Bis er die Stelle antreten konnte, vergingen allerdings drei Jahre: Es fehlten geeignete Laborräumlichkeiten, es fehlte vor allem auch die Mäusezucht für Tierversuche zur Immunabwehr.

Akademische Perlen fürs Institut

Im Herbst 1979 nahm Zinkernagel seine neue Tätigkeit auf, ein Jahr später kam der Forschungsbetrieb am Kantonsspital dann richtig zum Laufen. Die Mäusezucht funktionierte, man stellte Laboranten ein und rekrutierte Doktoranden. «Wir bekamen exzellente Mitarbeiter», schwärmt Zinkernagel. «Viele stammten aus dem berühmten Postgraduate-Kurs für experimentelle Medizin der Universität Zürich oder von der ETH. Es waren echte Perlen.»

An Infrastruktur indes mangelte es dem Institut noch länger. Es fehlten Hilfsmittel wie beispielsweise ein Gerät zur Bestrahlung der Mäuse. Allein, Zinkernagel und Hengartner bekamen stets, wonach sie verlangten. «Der Kanton Zürich machte riesige Anstrengungen und erfüllte uns alle unsere Wünsche», sagt Zinkernagel. «Es war eine phantastische Zeit, wir waren privilegiert. Wir durften mit Steuergeldern im Sandkasten spielen.»

Nicht immer hatte es das Schicksal so gut gemeint mit Zinkernagel. Er hatte in seiner Heimatstadt Basel Medizin studiert, um in der dritten Welt als Arzt zu wirken. «Doch die Entwicklungshelfer wollten mich nicht. Eine herbe Enttäuschung.» Zinkernagel entschied sich für die Chirurgie, gab aber nach anderthalb Jahren auf: Das Chirurgenhandwerk war ihm «zu wenig analytisch».

Dank Kühen die richtige Karriere

Im Rahmen eines Postgraduate-Kurses arbeitete Zinkernagel dann als Praktikant am Biochemischen Institut der Universität Lausanne. Es liefen gerade Versuche, Kühe gegen Durchfall zu immunisieren; Ziel des Forschungsprojekts war ein verbesserter Immunschutz für Kleinkinder durch entsprechend angereicherte Milch. Zinkernagel war fasziniert. Er hatte seine Nische gefunden. «Lausanne war der Anfang meiner Immunologenkarriere», sagt er heute.

Während des Praktikums bewarb sich Zinkernagel für Stellen. «Ich schrieb etwa fünfzig Briefe, auf zwanzig erhielt ich Absagen, auf dreissig schon gar keine Antwort.» An der Australian National University in Canberra fand er dann seinen ersten Lehr- und Forschungsjob. Hier entdeckte Zinkernagel zusammen mit dem australischen Immunologen Peter C. Doherty, dass Mäuse je nach ihrer Erbanlage unterschiedlich heftig auf virale Infektionen reagierten.

Das war 1973, und kaum jemand horchte auf. 23 Jahre später sollten die beiden Forscher den Medizin-Nobelpreis für ihre Entdeckung erhalten: Sie hatte sich mittlerweile als bahnbrechend erwiesen. Doch davon wusste Zinkernagel noch nichts, als er mit seiner Familie von Canberra nach Kalifornien zog, um dort am Scripps Research Institute zu lehren, wo ihn schliesslich der Ruf aus Zürich erreichte.

Kein Tamtam um den Nobelpreis

1989, rechtzeitig zum zehnten Geburtstag, erhielt Zinkernagels Zürcher Institut die Abteilung Immunologie der Mikrobiologen zugesprochen. Drei Jahre später gab man dem mittlerweile auf über zwanzig Mitarbeitende angewachsenen Betrieb deshalb den Namen Institut für Experimentelle Immunologie. Das interdisziplinär geprägte Institut – es vereint Medizin und Biologie – arbeitet heute sehr eng mit der ETH Zürich zusammen.

Drei Dinge aus seiner Zürcher Zeit sind es, an die sich Zinkernagel besonders gern erinnert. Erstens die Begegnung mit seinem Co-Leiter Hans Hengartner. «Das war ein Glücksfall. Da stimmte einfach alles, und die Zusammenarbeit erlaubte es uns, die Lasten zu verteilen.» Zweitens die Feier zu Zinkernagels Nobelpreis in der Zürcher Universitäts-Aula. «Sie war denkwürdig und hat mich sehr geehrt.» Und drittens die Art der Zürcher, mit Forschern umzugehen – «unkompliziert, sachlich, unterstützend. In Zürich darfst du als Forschender alles tun, wenn du es begründen kannst.»

Glücklich war Zinkernagel stets auch darüber, dass ihn die Universität mit seinem Nobelpreis in Ruhe liess. «Wäre ich die Universitätsleitung gewesen, hätte ich diese Kuh viel mehr gemolken», meint er und lächelt. «Aber so war es mir lieber. Ich ziehe es vor, im Labor zu stehen, als mich draussen zu verkaufen.»