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«Erfinder will ich werden», hatte Ben Schuler als Schulkind jeweils auf die Frage nach seinem Berufswunsch geantwortet. Das akademische Umfeld war ihm aus dem Elternhaus bereits bekannt, denn sein Vater ist Professor für Organisationspsychologie. «Ich habe ihn schon als Schulkind gerne im Büro besucht und mich für seine Arbeit interessiert», so Schuler.
Sein eigener Weg führte Ben Schuler in die Naturwissenschaften – zwischen Physik und Biochemie schwankte sein Interesse, als er sich an der Universität Regensburg einschrieb. Er entschied sich für die Biochemie, die ihm zukunftsweisendere Fragestellungen versprach. Die Psychoneuroimmunologie faszinierte ihn beispielsweise, nach dem Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem fragend. Im Laufe des Studiums gelangte er zur Überzeugung, dass derart komplexe Zusammenhänge zuerst noch vermehrter Grundlagenforschung bedürfen – zum Beispiel, um das biologische Geschehen auf der molekularen Ebene zu verstehen.
Er forschte in der Folge zu einer seit den 1980er Jahren immer wichtiger gewordenen Frage der Biologie: Wie falten sich Proteine, um die für sie typische dreidimensionale Struktur anzunehmen? Das ist zwar eindeutig Grundlagenforschung, wie Schuler betont, aber es ist klar, dass sich auch die klinische Forschung erhofft, eines Tages davon profitieren zu können. Denn die Faltung von Proteinen kann auch schief gehen. Die Liste der dadurch ausgelösten Krankheiten umfasst unter anderem Prionenkrankheiten, Diabetes Typ 2 und Parkinson.
Schuler untersuchte die Proteinfaltung je länger je mehr mit physikalischen Methoden. Der Traum vom Erfinder wurde wahr. «Wir nutzten und entwickelten Methoden weiter, bei denen einzelne Moleküle mit Laserlicht zum Fluoreszieren gebracht werden. Dadurch lassen sich die physikalischen Prinzipien der Faltung aufdecken.»
Nicht zuletzt diese innovative Methode der «Einzelmolekülfluoreszenz-Spektroskopie» bewog die Universität Zürich im Jahre 2004, Schuler eine Assistenzprofessur mit Aussicht auf eine permanente Professur anzubieten (Tenure Track). Schuler ist begeistert von dieser Form der Nachwuchsförderung, die ein selbständiges Arbeiten mit ausreichend Ressourcen ermögliche.
Zusätzliche Forschungsmittel in der Höhe von 2,1 Mio. Franken sprach ihm kürzlich der Europäische Forschungsrat (ERC) zu. Die Europäische Union unterstützt damit neuerdings Grundlagenforschung unabhängig von thematischen Schwerpunkten - allein aufgrund innovativer Ideen. «Wie wichtig dies ist, zeigt die enorme Nachfrage anlässlich der ersten Ausschreibung», so Schuler. Mehr als 9000 Bewerbungen für einen «ERC Starting Grant» waren eingegangen, rund 200 Projekten wurde eine Finanzierung fest zugesagt.
«Der bürokratische Aufwand war gross, hat sich für mich aber gelohnt», so der Nachwuchsforscher. Da er vorgängig keine Erfahrung hatte mit dem Einwerben von Drittmitteln aus europäischen Töpfen, war er froh um die Unterstützung von «Euresearch».
Die zusätzliche Finanzierung durch den ERC wird es ihm erlauben, seine Zeit vor allem für Forschung und Lehre einzusetzen, statt sich um weitere Drittmittel zu kümmern. Drei zusätzliche Forscherinnen und Forscher wird er ins bestehende Team aufnehmen können – insgesamt werden zehn Personen der Proteinfaltung auf der Spur sein. Gemeinsam wollen sie die nächste Stufe der Komplexität erklimmen. Untersuchten sie bisher einzelne isolierte Proteine bei der Faltung, interessiert das Team um Prof. Schuler jetzt, wie der Mechanismus von anderen Abläufen in der Zelle beeinflusst wird.
Dabei soll sich auch zeigen, ob die Einzelmolekülspektroskopie sich eignet, komplexere Phänomene zu untersuchen. «Wenn dies der Fall ist, könnte es eine Initialzündung bewirken und die Methode auch für andere Forscher attraktiv machen, um biologische Mechanismen auf molekularer Ebene zu untersuchen - beispielsweise die DNA-Replikation», ist Schuler überzeugt.
Viel Arbeit steht dem jungen Forscher also noch bevor, viel hat der 36-Jährige auch schon erreicht. Neben der akademischen Arbeit ist dem dreifachen Vater wichtig, Zeit für die Kinder zu haben. Die zehnjährige Tochter besuchte ihn kürzlich anlässlich des «Tochtertages» im Labor und schien gefallen daran zu finden. Auf die Frage nach ihrem Berufswunsch antworte sie: «Ich möchte Lehrerin oder Forscherin werden.»
Näheres zur Proteinfaltung und der von Ben Schuler verwendeten Spektroskopie finden Sie im Artikel von Carole Enz (pdf)