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Es war eine Premiere, dass die Leopoldina ihr jährliches Treffen ausserhalb von Deutschland durchführte. Hans Weder, Rektor der UZH, und Heidi Wunderli-Allenspach, Rektorin der ETHZ, zeigten sich erfreut, dass die weltweit älteste Akademie für Medizin und Naturwissenschaften die Stadt Zürich für ihr Treffen ausgesucht hatte.
Der Tagungsort für das Thema Hirnforschung sei gut gewählt, denn mit dem 1998 gegründeten Zentrum für Neurowissenschaften Zürich (ZNZ) sei der Verbund von Universität, ETH und Universitätsspital Zürich zu einem der grössten Forschungsstandorte für Neurowissenschaften in Europa geworden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und der Schweiz nutzen den Tag für angeregte Diskussionen rund um das Gehirn – seine Entstehung, seine Funktionen und sein Altern.
Prof. Michael Frotscher vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Freiburg i.Br. beleuchtete das «Developing Brain». Dabei stelle sich die Frage, wie neu entstandene Neuronen ihren Bestimmungsort im Gehirn finden. Millionen von Nervenzellen migrieren bei der Gehirnentwicklung in verschiedene Hirnteile, bevor sie dort Synapsen bilden und sich vernetzen.
In welche Richtung sie sich bewegen müssen, sagt ihnen unter anderem das Molekül «Reelin». Das Team um Prof. Frotscher hat zeigen können, dass die Nervenzellen die Orientierung verlieren, wenn das Molekül genetisch ausgeschaltet ist.
Haben die Neuronen ihren richtigen Platz gefunden, erlauben sie dem Gehirn, hochkomplexe Funktionen auszuüben. Um diese erforschen zu können, sind neue Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit sinnvoll, wie Prof. Ernst Fehr vom Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der UZH aufzeigte.
Er forscht an Schnittstellen der Neurowissenschaft mit Fächern wie Psychologie und Ökonomie: Warum verhalten sich Menschen in gewissen Situationen kooperativ? Welche neuronalen Mechanismen sind aktiv, wenn Menschen sozialen Normen gehorchen oder ihr Eigeninteresse überwinden?
Die Kombination von Verhaltensbeobachtung und bildgebenden Verfahren erlaubten neuartige Experimente und Einsichten. So untersuchte das Team um Prof. Fehr beispielsweise, wie sich Versuchsteilnehmer verhalten, wenn sie Geldbeträge mit Mitspielern teilen sollen.
Mittels der Stimulation bestimmter Hirnteile konnten sie bewirken, dass die Versuchsteilnehmer Angebote von Mitspielern akzeptieren, obwohl sie diese als unfair beurteilten und ohne die Stimulation abgelehnt hatten. Die Forschung erlaubt somit, die neuronale Repräsentation menschlichen Verhaltens in Gehirn zu lokalisieren.
Nicht zu vernachlässigen sind in der Hirnforschung auch die Emotionen, zeigte Prof. Hanns Möhler vom Institut für Pharmakologie die UZH in seinem Referat «The Emotional Brain» auf. Emotionen beeinflussen unser Verhalten, indem sie die Synchronisation von Gehirnschwingungen (Oszillation) beeinflussen.
So wurde ein tibetischer Mönch während seiner Meditation untersucht. Sie führte dazu, dass die oszillatorische Aktivität in verschiedenen Netzwerken des Gehirns synchronisiert wurde. Entsprechend werde Meditation heute auch therapeutisch eingesetzt, um diesen psychisch vorteilhaften Zustand zu erreichen, so der Referent.
Hanns Möhler zeigte auch auf, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Oszillation oder neu entdeckte neuronale Netzwerke genutzt werden, um neue Behandlungsmöglichkeiten bei Schizophrenie, zur Verbesserung des Gedächtnisses oder bei der Schmerzbehandlung zu entwickeln.
Über das «Aging Brain» referierte abschliessend Prof. Roger Nitsch von der Psychiatrischen Universitätsklinik der UZH. Dabei gelte es zu unterscheiden zwischen dem normal alterenden Gehirn und pathologischen Veränderungen. Beim normal alternden Gehirn sei keineswegs eine lineare Annahme aller kognitiven Funktionen zu beobachten, verringert werde aber insbesondere die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung.
Das Alter stellt zudem einen Risikofaktor für dementielle Erkrankungen dar, weshalb die Suche nach einer Therapie auf Hochtouren laufe. Eine Impfstudie war vor einigen Jahren wegen Nebenwirkungen gestoppt worden. Die Suche nach Alternativen scheint erfolgreich gewesen zu sein. Gemäss Nitsch laufen derzeit mehr als zehn klinische Versuche, welche verschiedene Formen der passiven und aktiven Immunotherapie testen: «Wir warten gespannt auf die Ergebnisse.»