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Buddha und Nicht-Buddhisten

Der tolerante Buddha - eine westliche Projektion?

War Buddha gar nicht so tolerant und friedliebend, wie wir uns hierzulande vorstellen? Caroline Widmer sucht in frühbuddhistischen Texten nach Buddhas Umgang mit Nicht-Buddhisten. – Der Forschungskredit der Universität Zürich unterstützt sie dabei.
Bettina Schaefer

Buddha lehrt die Gruppe der fünf Mönche (Malerei aus dem Jahre 2006).

Caroline Widmer ist Religionswissenschaftlerin und Indologin und interessiert sich in ihrer Dissertation für die Darstellung des «Anderen» in den frühbuddhistischen Schriften. Unter dem Begriff «Andere» ist das Fremde, das Nicht-Buddhistische gemeint. Texte wie der folgende aus dem Culagopalaka-Sutta (nach der Übersetzung von Kurt Schmidt, 1989) gehören zu Widmers Untersuchungsgegenstand: «So habe ich gehört: Einst weilte der Erhabene [Buddha] am Ufer des Ganges bei Ukkacela im Lande der Vajjis. Dort sprach er zu den Mönchen: Es war einmal im Lande Magadha ein dummer Rinderhirt. Der trieb seine Rinder im letzten Monat der Regenzeit, im Herbst, ohne das diesseitige und das jenseitige Ufer des Ganges untersucht zu haben, dort, wo keine Furt war, hinüber an das Ufer von Suvideha. Da wurden die Rinder mitten im Ganges von der Strömung erfasst und zusammengedrängt und verunglückten, weil der dumme Hirt die Ufer nicht untersucht und keine Furt gefunden hatte. Ebenso ist es mit jenen Samanas [Asketen] und Brahmanen, die weder diese noch eine andere Welt kennen, die nicht wissen, was zum Reich Maras gehört und was nicht dazu gehört, und nicht wissen, was zum Reich des Todes gehört und was nicht dazu gehört. Wer glaubt, ihnen zuzuhören und vertrauen zu sollen, dem wird dies für lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.»

Das Eigene und das Andere

Caroline Widmer betrachtet von der Peripherie einer Religion aus, was an der Schnittstelle von verschiedenen aufeinandertreffenden Gruppen passiert. Dort kommt es zu einer Auseinandersetzung mit dem Anderen, aber auch mit dem Eigenen und den eigenen Ansichten; man kommt aus dem sicheren Hafen und wird mit dem Fremden konfrontiert. Genau diese Schauplätze findet die Religionswissenschaftlerin besonders interessant, weil sich dort etwas bewegt: Man rechtfertigt sich und muss argumentieren, das heisst, das Eigene ist nicht mehr selbstverständlich. Wo das Eigene und das Andere in Frage gestellt werden, entsteht ein dynamischer Prozess. Man lässt sich auf eine Auseinandersetzung ein und muss sich genau definieren, was auch ein gewisses Konfliktpotenzial in sich birgt.

Doktorandin Caroline Widmer, Religionswissenschaftlerin und Indologin, interessiert sich für die Darstellung des Nicht-Buddhistischen in frühbuddhistischen Schriften.

Buddhas Lehrreden im Pali-Kanon

Caroline Widmer sucht nach der Darstellung des Anderen in den frühbuddhistischen Texten des Pali-Kanon. Laut buddhistischer Tradition wurde dieser Kanon kurz nach dem Tod des historischen Buddhas, vor dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, zusammengeführt. Die älteste erhaltene Handschrift ist allerdings 1300 Jahre jünger. Die Texte sind bis heute für Buddhisten des Theravada verbindlich. Theravada ist eigentlich die «Alte Schule» und heute noch in Thailand, Sri Lanka und in Kambodscha lebendig. Der Pali-Kanon besteht aus Ordensregeln, philosophischen Abhandlungen und Lehrreden. Caroline Widmer untersucht die Lehrreden.

Systematisierung der Lehrreden

Caroline Widmer arbeitet zuerst die literarischen Strukturen heraus: Die Texte sind allesamt narrativ – sie erzählen Geschichten, die man gut nacherzählen kann. Trotz vieler schematischer Elemente und Wiederholungen sind sie witzig und sehr menschlich. Die Sprache ist Pali – eine mittelindische Sprache –, eine Kunstsprache, welche vermutlich nur für den Kanon existierte. Verglichen mit dem Alten Testament ist der Pali-Kanon um ein Vielfaches umfangreicher.

Die Texte sind oft als Gespräch gestaltet: Buddha redet mit jemandem, meist mit einem Nicht-Buddhisten – dem Anderen –, einem Brahmanen oder mit anderen Asketen. Buddha war zu seiner Zeit nicht der einzige Lehrer, er hatte ein grosses Umfeld mit verschiedensten Lehrern. In diesen Gesprächen gibt es vor allem drei typische Formulierungsmuster, welche sich oft wiederholen. Erstens: Der Andere bietet Buddha nur eine Gelegenheit, zu monologisieren. Das heisst, es gibt eine kurze Frage und dann antwortet Buddha; der Andere kommt in der Geschichte gar nicht weiter vor. Zweitens: Der Andere ist Teil der Geschichte und entwickelt sich: beispielsweise, tritt in den Orden ein und findet die Erleuchtung. Drittens: Buddha wird gefragt, was er von der Meinung des Anderen hält. Dabei entstehen wirkliche Streitgespräche, in denen es darum geht, die Meinung Buddhas zu erläutern.

Man muss bedenken, dass es sich um Texte handelt, welche von Buddhisten für Buddhisten geschrieben wurden, um einen innerreligiösen Diskurs also.

Der polemische Buddha

Caroline Widmer hinterfragt anhand der analysierten Schriften Stereotypen betreffend Toleranz im Buddhismus. Aus den Texten heraus tritt Buddha nämlich oftmals eher polemisch, anklagend und teilweise sogar aggressiv in Erscheinung. Grenzen gegenüber anderen Auffassungen werden klar gezogen. So erklärt Buddha zwei Asketen, die die Lebensgewohnheiten von Tieren (Rind und Hund) übernommen haben, sie würden nach dem Tode entweder im Tierreich oder aber in der Hölle wiedergeboren werden, woraufhin die beiden in Tränen ausbrechen. Die Lösung, sich vor diesem Schicksal zu bewahren, besteht natürlich darin, die Lehre Buddhas anzunehmen. Dieses dezidierte Vorgehen Buddhas steht im Widerspruch zum Bild des toleranten, friedlichen Buddhismus, wie es hierzulande verbreitet ist.

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