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Insider-Geschäfte als Sinn und Zweck eines Verwaltungsratsmandats; Jahresabschlüsse, die aus ein paar mehr oder weniger frei erfundenen Zahlen bestehen; Generalversammlungen, an denen die Aktionäre nicht zu Wort kommen: Die Wirtschaftswelt vor vierzig Jahren, die Peter Forstmoser in seinem Rückblick schilderte, scheint aus heutiger Sicht fast wie eine Karrikatur ihrer selbst.
Forstmoser hat als Professor für Privat-, Handels- und Kapitalmarktrecht, als Anwalt und als Verwaltungsrat grosser schweizerischer und internationaler Unternehmen miterlebt, wie sich die Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt hat. Dabei war er nicht nur Beobachter, sondern er prägte einen Teil des Schweizer Wirtschaftsrechts wesentlich mit. An seiner Abschiedsvorlesung am vergangenen Freitag zeichnete er die wichtigsten Entwicklungen nach.
Bis fast zum Ende des vergangenen Jahrhunderts war die Wirtschaftsgesetzgebung in der Schweiz eine gemächliche Sache: Viele Gesetze waren seit langen im Kraft, Revisionen wurden kaum in Angriff genommen und wenn, dann dauerten sie eher Jahrzehnte als Jahre.
Unter dem Einfluss der fortschreitenden Internationalisierung hat sich dies seit den 90-er Jahren radikal geändert: Gesetzte werden heute – häufig auf Druck des Auslandes – in hohem Tempo erarbeitet. Von den ersten Entwürfen bis zur Umsetzung dauert es wenige Jahre. Im Falle des Gesetzes über die Offenlegungspflichten dauerte der ganze Prozess sogar weniger als ein Jahr; Beteiligte hätten dabei gar von einem «Blitzkrieg» gesprochen, wie Forstmoser erkärte.
Den Tempo-Wechsel erlebte Forstmoser am Beispiel der Insidergesetzgebung: Unter dem Eindruck seines Aufenthaltes in den USA, wollte er zu Beginn der 70-er Jahre in der Schweiz eine Regelung gegen Insider-Geschäfte anregen. Unverständnis war dabei noch die positivste Reaktion, die erntete. «Wozu soll es dann noch gut sein, einem Verwaltungsrat anzugehören?» wurde ihm aus Wirtschaftskreisen entgegengehalten.
Die Arbeiten an einem entsprechenden Gesetz wurden später zwar aufgenommen, aber eher lustlos. Das änderte sich in den 80-er Jahren, als die USA wegen der Insidergesetzgebung Schweizer Banken unter Druck setzten. Solange in der Schweiz Insider-Geschäfte kein Straftatbestand waren, konnten die Banken den USA keine Rechtshilfeauskünfte geben. Erst drakonische Strafen der USA, 50'000 bis 100'000 Franken – pro Tag! – führten zu einer Insider-Strafnorm auch im Schweizer Gesetz.
Der verstärkte Einfluss des Auslandes wird die schweizerische Wirtschaftsgesetzgebung nach Ansicht Forstmosers auch in Zukunft prägen. Dies insbesondere durch den so genannten «autonomen Nachvollzug» von Regelungen der Europäischen Union. Forstmoser sieht darin nicht nur Schlechtes: «Man soll diesen Verlust der Selbstbestimmung nicht bejammern», meinte er. «Denn die von aussen induzierten Regelungen bringen echten Fortschritt.»
Neben der Internationalisierung war das gesteigerte Interesse der Öffentlichkeit einer der prägenden Faktoren der vergangenen Jahre. Im Fokus standen dabei hauptsächlich die Saläre der Top-Manager. Kein Thema sei häufiger und aggressiver kommentiert worden, meinte Forstmoser. Um die Diskussionen am anschliessenden Apéro nicht zu vergiften, verzichte er deshalb auf eine Stellungnahme zu der Frage.
Allerdings, gab er zu bedenken, sei das Problem weniger flächendeckend, als die Diskussion darüber vermuten liesse. «Es betrifft wenige Unternehmen und Personen und diese sind bekannt.» Zum anderen sei die Frage, wie hoch Managergehälter sein dürfen, vor allem eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. «Das Aktienrecht ist nicht der richtige Ort, um dieses Problem zu regeln.»
Nicht nur die Lohntüte der Manager, auch die Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft steht zunehmend im Interesse der Öffentlichkeit. «In den 90-er Jahren war das einzige Ziel eines Unternehmens, den Mehrwert für die Aktionäre, den so genannten Shareholder-Value, zu steigern.» Seit dem Jahr 2000 werde diese Sichtweise jedoch in Frage gestellt. Heute müssten sich die Unternehmen an drei Anspruchsgruppen orientieren: den Investoren, der Gesellschaft und der Umwelt.
Forstmoser sieht in dieser dreifachen Verantwortung keinen grundsätzlichen Widerspruch zu einem am Aktionärs-Mehrwert orientierten Unternehmen: «Wenn man das langfristige Unternehmensinteresse in den Vordergrund stellt – wie dies etwa Familienunternehmen häufig machen – dann sind die beiden Sichtweisen weitgehend kongruent», ist Forstmoser überzeugt. Das Problem sei, diese langfristige Perspektive den Investoren vermitteln zu können: «Investoren haben oft lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.»