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Interview mit dem neuen Prorektor Otfried Jarren

Den Weg zum Doktorat strukturieren

Der Universitätsrat hat am Montag zwei neue Prorektoren ernannt. Im Interview mit unipublic äussert sich Prof. Otfried Jarren zu seinem im August 2008 beginnenden Amt als Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften. Er wird Ansprechperson für die Theologische und die Philosophische Fakultät und betreut den Querschnittsbereich «Lehre».
Adrian Ritter

Der neue Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften, Prof. Otfried Jarren.

Herr Prof. Jarren, was war Ihre Motivation, sich für die Aufgabe als Prorektor zur Verfügung zu stellen?

Die Universitäten sind derzeit in starker Veränderung. Ich möchte diesen Prozess aktiv mitgestalten und nicht nur aussenstehender Beobachter oder Kritiker davon sein. Meiner Ansicht nach sollte die Wissenschaft in der Lage sein, sich selber zu organisieren und managen. Wir sollten der Politik zeigen, dass wir das können. Ich sehe an anderen Universitäten manchmal Prozesse der Ökonomisierung und Bürokratisierung, die mir zu weit gehen.

Inwiefern?

Betreffend der Ökonomisierung beispielsweise, indem Manager in Leitungspositionen von Hochschulen berufen werden, welche die Wissenschaft zuwenig kennen. Dass Universitäten auch effizient sein und in vielen Belangen nach ökonomischen Kriterien funktionieren müssen, ist unbestritten. Aber die Form, wie in der Wissenschaft Ziele festgelegt und die Zielerreichung evaluiert wird, muss anders sein. Die Wissenschaft muss selber darüber reflektieren und entscheiden, welche Ziele sie sich setzen will, wie sie sich organisiert und wie sie die richtigen Talente fördert. Ich habe in den letzten Jahren als Berater für Universitäten in Deutschland und Österreich gesehen, wie die Tendenz der «Aussenprogrammierung» zunimmt.

In Zürich besteht diese Gefahr nicht?

Mich dünkt, die Universität Zürich ist diesbezüglich auf einem guten Weg. Die in den letzten Jahren entwickelte Form der Autonomie ist eine gute Basis. Mein Anliegen ist es, die Angehörigen der Universität noch mehr in diesen Prozess einzubinden. Die Institute und Forschungsbereiche sollen sich vermehrt auch Gedanken machen über zukünftige Forschungsfelder, Kooperationspartner und den Transfer des Wissens. Ein Beispiel: Die Theologische Fakultät hat die Religionswissenschaft ausgebaut und mit der Ethik ein neues Feld und neue Kooperationen erschlossen. Das ist ein guter Weg, sich durch Innovation weiter zu entwickeln.

Welche Herausforderungen stellen sich der UZH in Zukunft?

Das Thema Nachwuchsförderung halte ich für strategisch sehr bedeutend. Eine aktuelle Frage betrifft die Gestaltung der Doktoratsstufe. Soll ein Doktorat in Zukunft nur noch im Rahmen strukturierter Programme wie eines Graduiertenkollegs oder weiterhin auch als Einzelperson möglich sein? Ich plädiere dafür, dass es auch weiterhin unterschiedliche Möglichkeiten gibt, die jeweils spezifisch zu gestalten sind. Insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften ist die Doktoratsstufe noch zuwenig strukturiert.

Welches Wissen soll im Rahmen eines Doktorates vermittelt werden?

Neben dem wissenschaftlichen Handwerk sollen auch Fähigkeiten erlangt werden, die für eine Arbeit ausserhalb der Hochschule nützlich sind. Nicht jedes Doktorat führt auch zur Habilitation, viele Wissenschaftler setzen ihren Weg vielleicht in einer Lehrtätigkeit, in der angewandten Forschung oder im Journalismus fort. Entsprechend brauchen sie Qualifikationen wie Projektmanagement oder die bereits existierenden «Teaching Skills». Das Angebot an solchen Qualifikationen sollte noch ausgebaut werden.

Wie beurteilen Sie die neu entstandenen Bachelor- und Masterstudiengänge?

Meiner Ansicht nach sind zu viele neue Bachelor-Studiengänge entstanden. Ich plädiere für wenige Bachelor-Studiengänge, dafür mit einer breiten Grundausbildung, welche auch auf den Arbeitsmarkt vorbereitet.

Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Politologie, Ethnologie und Soziologie beispielsweise haben eine ähnliche Methodologie. Ich könnte mir daher vorstellen, dass diese Fächer – aber auch andere – einen gemeinsamen Bachelor mit entsprechenden Vertiefungen anbieten. Dadurch würden Ressourcen frei für spezialisierte Masterstudiengänge. Den Schwerpunkt der Universität sehe ich bei der Masterausbildung.

Braucht es mehr Masterstudiengänge?

Ja, die Forschungsuniversität UZH braucht ein differenziertes Angebot auf der Masterstufe. Hier gilt es, zu investieren und innovativ zu sein. Ich gehe davon aus, dass viele Studierende nach dem Bachelor-Abschluss erst einmal in die Arbeitswelt gehen. Das Ziel muss aber sein, diese Alumni nach einer Phase in der Wirtschaft für einen Master wieder an unsere Universität zu holen: mit einem spezialisierten Angebot an Master-Studiengängen. Die Entwicklung geht ohnehin noch weiter in die Richtung des lebenslangen Lernens. Entsprechend sollte die Universität auch ihr Angebot an Weiterbildungen weiter ausbauen.

Woher soll die Universität der Zukunft ihre finanziellen Mittel erhalten?

Meiner Ansicht nach ist die Wissenschaft in der Kopplung an die Politik am besten aufgehoben, denn wir haben eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Für die UZH heisst das, dass das Verhältnis zum Kanton zentral ist. Universitäten haben letztlich eine lokale und regionale Verankerung. Deshalb ist die Vernetzung mit diesem Umfeld besonders wichtig. Wir müssen zeigen, was wir tun. Nicht zuletzt auch, um mehr Drittmittel von nicht-staatlichen Stellen zu erhalten. Wenn zum Beispiel eine Stiftung unserem Forschungskredit Geld zur Verfügung stellt, ist das eine sehr erfreuliche Form von Nachwuchsförderung. Solche Engagements sollten wir noch systematischer suchen.

Eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren, hat die UZH ja mit dem Jubiläum.

Ja, das ist eine gute Gelegenheit, um die Vielfalt unserer Universität darzustellen, indem wir in Stadt und Kanton präsent sind und der Öffentlichkeit einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Die Universität hat einen gewissen Nachholbedarf beim Aufbau von solchen Gelegenheiten und Dialogen. Das Jubiläum ist ein guter Start, nachher wird es darum gehen, diesen Dialog in geeigneter, regelmässiger Form weiterzuführen.

Für Sie persönlich heisst das neue Amt als Prorektor vermutlich, weniger Zeit für Forschung zu haben?

Ich rechne für das Prorektorat mit einem Aufwand von mindestens drei Tagen pro Woche. Um mich zu entlasten, werde ich vor allem administrative Aufgaben wie die Leitung des IPMZ und die Co-Leitung des Nationalen Kompetenzzentrums «democracy» abgeben. Meine eigenen Forschungsprojekte etwa zu Medienpolitik oder der politischen Kommunikation werde ich aber weiterführen. Weiterhin engagieren will ich mich auch in der Ausbildung des Nachwuchses.