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Was dem Laien eher aus der Geografie vertraut ist, kann auch unserer Zähne befallen: Erosionsschäden. Darunter versteht man den Verlust des Zahnschmelzes und Zahnbeins, die grossflächig abgetragen werden. Anders als bei kariösen Schäden, wo Löcher sich tief in den Zahn fressen, zielen Erosionsschäden eher auf die Oberfläche des gesamten Zahnes. Säuren greifen die Zahnhartsubstanzen an und führen zur Herauslösung von Mineral aus dem Zahn.
An der Oberfläche bleibt eine erweichte Schicht zurück, die durch Reibung mit der Zunge oder einer Zahnbürste leicht abgetragen werden kann. Es entstehen Mulden, im schlimmsten Fall sind Zahn- und Kauflächen zerklüftet, wie abgeschmolzen. Verursacht werden die Erosionsschäden unter anderem durch den Genuss von säurehaltigen Lebensmitteln und Getränken, wie Erfrischungsgetränken, Säften, Wein und Früchten, wie Kiwi, Johannisbeeren, Äpfeln, Zitronen oder Salate mit Essig-Öl-Sauce. Auch der häufige Kontakt der Zähne mit Magensäure kann Erosionsschäden zur Folge haben.
«Leichte Erosionen bleiben vom Patienten selbst meist unbemerkt, da sie zunächst weder mit Schmerzen noch mit einer optischen Veränderung des Zahnes einher gehen. Wenn die Erosion weiter fortschreitet, also schon das Zahnbein angegriffen ist, kann es zu Heiss-Kaltempfindlichkeiten kommen.» sagt Professor Thomas Attin, Direktor der Klinik für Präventivmedizin, Parodontologie und Kariologie an der UZH.
Unter seiner Leitung hat die Zahnmedizinerin Annette Wiegand eine Studie durchgeführt, die klären sollte, ob das Zähnebürsten bei Menschen mit Zahnschmelzschäden besser vor, anstatt direkt nach einem Säurekontakt durchgeführt werden sollte. Zwar werde nach wie vor den meisten Patienten empfohlen, die Zähne nach den Mahlzeiten zu putzen, um Karies vorzubeugen, sagt Thomas Attin. Für Patienten mit Erosionen werde dieses Verhalten jedoch zunehmend in Frage gestellt. Je nach Patientengruppe müssten daher unterschiedliche Empfehlungen ausgesprochen werden.
Zahnschmelzproben, die aus extrahierten Weisheitszähnen gewonnen worden waren, bildeten die Grundlage der Untersuchung. Die Proben wurden in Zahnschienen befestigt, die von Probanden während der Studie in der Mundhöhle getragen wurden. Die Proben wurden damit dem Umfeld in der Mundhöhle ausgesetzt. Um garantiert und regelmässig Kontakt mit Säure zu gewährleisten, legten die Probanden drei Mal am Tag die Schiene für 40 Sekunden in eine säurehaltige Limonade. Die Teilnehmer probten in zwei Serien jeweils 14 Tage ein unterschiedliches Putzverhalten: Säurekontakt einmal vor und einmal nach dem Putzen.
Die Auswertung des Zahnschmelzverlustes belegt: 2,3 Mikrometer Abtrag bei den Zahnproben, die vor dem Säurekontakt geputzt wurden. Dem gegenüber stehen 6,4 Mikrometer Abtrag des Zahnschmelzes beim Putzen nach dem Säurekontakt.
«Die Zahlen sprechen für sich,» sagt Thomas Attin. «Durch die intensive Reinigung des Zahnes nach einer säurehaltigen Mahlzeit wird der aufgeweichte Schmelz abgetragen». Daher sei es für Risikopatienten besser, vor dem Genuss von säurehaltigen Lebensmitteln die Zähne zu putzen.
Auch Gesundheitstipps, die viele kleine Mahlzeiten zwischendurch verordnen, seien für Zahnerosions-Patienten sowie auch für Patienten mit erhöhtem Kariesrisiko nicht unbedenklich, meint Attin. «Ein Zuviel an säurehaltigen Nahrungsmitteln und Getränken bringt den Mikrokosmos der Mundhöhle aus dem Gleichgewicht, der voranschreitende Verlust an Zahnsubstanz ist bei ständigem Kontakt mit Säuren nicht zu stoppen.»
Um bei hohem Säurekonsum ausgedehnten Zahnsubstanzschäden erst gar keine Chance zu geben, sollte der Zahnarzt gefragt werden, ob Erosionen vorliegen. Falls ja, kann die Säureeinwirkung zunächst reduziert werden, indem säurehaltige Getränke und Nahrungsmittel nicht in grossen Mengen und zu jeder Tageszeit konsumiert werden. Oder – wer auf den erfrischenden Geschmack nicht verzichten möchte – könne auf kalziumreiche saure Produkte umsteigen, wie Joghurt, Buttermilch oder Quark, auch der Genuss von Bier sei unbedenklich. Diese Lebensmittel greifen den Zahnschmelz nicht an.