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Magdalena Plüss

«Die Praxis hat mich zur Theorie gebracht»

Die Kunsthistorikerin Magdalena Plüss hat einen Kunstvermittlungsplan erarbeitet. Akzeptanz oder Ablehnung von Kunst im öffentlichen Raum will sie damit im Voraus einschätzbar machen.
Daniel Morgenthaler 

«Kunst ist keine Pflicht, sondern eine Kraftprobe», Kunsthistorikerin Magdalena Plüss.

Wer möchte nicht wissen, wie man gute Kunst erkennt, und diese auch gleich noch einem breiten Publikum schmackhaft macht? «Bei klassischer bildender Kunst», so die Kunsthistorikerin Magdalena Plüss, «wurde das an der Universität intensiv vermittelt.» Doch bei der Fachstelle Kunst der Credit Suisse, wo sie nach dem Lizenziat zu arbeiten anfing, ging es plötzlich um zeitgenössische, auch experimentelle Schweizer Kunst. «Beim Erstellen von Kunstkonzepten für Filialen tauchten unbekannte Probleme auf: Oft fanden selbst wenig verfängliche Werke weder bei Angestellten noch bei den Kunden Anklang. Auf die Hängung einer Schwarz-Weiss-Fotografie von Balthasar Burkhard, die einen Esel zeigt, folgte die zynische Frage, ob denn der Kunde mit dem Esel gemeint sei.» Magdalena Plüss war auf eine Wissensbaustelle gestossen: «Bei Kunstführungen für Mitarbeitende konfrontierte ich die Teilnehmer mit dieser Situation. Doch obwohl es gerade in der Geschäftswelt zum guten Lebenslauf-Ton gehört, sich für Kunst zu interessieren, brachte kaum jemand konstruktive Vorschläge.» Dieser Ratlosigkeit möchte Plüss mit ihrer Dissertation, an der sie seit drei Jahren mit berufsbedingten Unterbrüchen arbeitet, entgegenwirken. «Plötzlich war wieder ein Bedürfnis nach Theorie da, die mir bei der praktischen Arbeit mit Kunst und in der Kunstvermittlung behilflich sein könnte.» Ein Zitat erwies sich als Augenöffner: «Für den Kunsthistoriker und Soziologen Arnold Hauser ist Kunst für Laien da, kann aber niemandem aufgenötigt werden. Kunst ist keine Pflicht, sondern eine Kraftprobe.»

Magdalena Plüss unterstützte in ihrer Arbeit oft Laien bei dieser Kraftprobe, woraus sie einen Kunstvermittlungsplan erarbeitete. «Zeitbezug und Innovationsgehalt sind Kriterien, die ein Werk erfüllen muss, und die entsprechend zu vermitteln sind.» Bewusst berücksichtigt sie auch extremere Positionen, wie etwa neoexpressionistische Bilder von Martin Disler. Doch erwies sich ein Werk des Künstlers als zu pessimistisch und musste abgehängt werden, als die Wirtschaftslage Optimismus nötig machte. Anhand solcher Beispiele aus ihrer CS-Zeit analysiert Magdalena Plüss in ihrer Dissertation die Aufnahme – oder Ablehnung – von Kunst im öffentlichen, nicht-musealen Raum. «Mir schwebt ein Instrumentarium vor, mit dem man Publikumsreaktionen schon vor der Hängung abschätzen und dann, entsprechend gut vorbereitet, vermitteln kann.» Bei der Fachstelle Kunst wartet man gespannt auf die von Wolfgang Kersten betreute Arbeit. Und während sie Begebenheiten aus sieben Jahren bei der CS verarbeitet, begegnet sie heute in verschiedenen Beratungsmandaten denselben Problemen. Als Kuratorin eines Kunst-am-Bau-Projekts im neuen Zürcher Einkaufszentrum Sihlcity hat sie deshalb bewusst ein zeitgemässes Fotokunstkonzept befürwortet. «Man kann den Kunden später, darauf aufbauend, experimentellere Kunstformen zeigen.» Theoretische Erkenntnisse aus der Dissertation verbindet Plüss so täglich mit der Praxis. Ihre Arbeit soll in verschiedenen Berufsfeldern helfen, Kunst nicht als Pflicht, sondern als lohnenswerte Kraftprobe aufzufassen. Damit sich der Bankkunde künftig nicht mehr als Esel fühlt, auch wenn er seine Geschäfte nicht vor einem traditionellen Ölgemälde erledigt.

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