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Neues Verfahren zur Erkennung von HIV-Neuinfektionen

Ein positiver HIV-Test führt zwangsläufig zu den Fragen «Woher?» und «Seit wann?». Professor Jörg Schüpbach vom Nationalen Zentrum für Retroviren (NZR) hat nun ein Verfahren entwickelt, mit dem bestimmt werden kann, wer sich innerhalb der vergangenen zwölf Monate infiziert hat.
Marita Fuchs

HIV ist ein tückisches Virus. Hat ein Mensch sich infiziert, spürt er die Symptome oft nicht sofort. Es können Jahre vergehen, bis sich die Infektion als AIDS manifestiert. In dieser Zeit kann das Virus weiter übertragen werden. Um gezielt gegen HIV vorzugehen, ist es wichtig, die genaue Zahl der jährlich neu infizierten Menschen zu kennen, um die Aktivität der Epidemie und den Erfolg der Präventionsmassnahmen beurteilen zu können.

Das Bundesamt für Gesundheit hatte im Jahr 2005 Professor Pietro Vernazza vom Kantonsspital St. Gallen beauftragt, in einer Studie die Umstände neuer HIV-Infektionen zu klären. Unter der Leitung von Professor Jörg Schüpbach (NZR) wurden begleitend dazu Tests durchgeführt, beteiligt waren elf Schweizer HIV-Bestätigungslaboratorien. Personen, die sich mit grosser Wahrscheinlichkeit erst kürzlich infiziert hatten, sollten für eine Befragung ausgesucht werden

Professor Jörg Schüpbach, Leiter des Zentrums für Retroviren der UZH, entwickelte das neue Verfahren zur Erkennung von HIV-Neuinfektionen.

Antikörpermuster zeigt frische Infektionen an

Jörg Schüpbach und sein Team arbeiteten mit zwei Tests: zum einen mit einem Standardverfahren, dem «Western Blot Test», das in den USA entwickelt worden war. Zum anderen untersuchten sie, ob die mit dem U.S.-Test generierte «Neuheits-Information» nicht auch mit einem in der Schweiz für die HIV-Diagnose ohnehin bereits systematisch eingesetzten Test, dem «Inno-Lia», gewonnen werden kann. Der Inno-Lia prüft, ob ein Proband Antikörper gegen fünf verschiedene Virusbestandteile in seinem Blut hat. Diese Antikörper werden in den ersten Wochen der Infektion in einer bestimmten zeitlichen Abfolge gebildet.

Zuverlässigere Resultate mit dem Inno-Lia-Test

Bleibt der Teststreifen nach durchgeführter Testreaktion weiss, sind keine Antikörper vorhanden. Sind, wie es für länger dauernde HIV-Infektionen typisch ist, hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen alle Antigene vorhanden, erscheinen auf dem Teststreifen fünf intensiv gefärbte Banden. Bei frischen HIV-Infektionen hingegen sind einzelne oder mehrere Banden nur schwach ausgeprägt oder fehlen ganz. Schüpbach identifizierte nun die Bandenmuster, die eine in den vergangenen 12 Monaten erfolgte Infektion mit optimaler Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit anzeigen. Dabei zeigte sich, dass der Inno-Lia besser als der Western Blot Test zwischen frischen und alten Infektionen unterschied. Die Sicherheit des Resultats «frische Infektion» lag bei 95 bis 99 Prozent, gegenüber etwa 80 Prozent für den Western Blot Test.

Anhand der Bandenmuster lässt sich eine in den vergangenen zwölf Monaten erfolgte Infektion mit hoher Zuverlässigkeit nachweisen.

«Aufgrund der entstehenden Muster können wir sehen, ob der Patient schon länger infiziert ist oder nicht», sagt Schüpbach. «Wird der Test in Zukunft routinemässig eingesetzt, kann durch die Analyse der Bandenmuster präzise festgestellt werden, wie hoch der Anteil der frisch Infizierten bei den neu diagnostizierten Menschen pro Jahr ist und ob er sich über die Zeit verändert.» Mit dem Inno-Lia könne also zum einen die HIV-Infektion sicher diagnostiziert und quasi als Nebenprodukt auch die Neuheit der Infektion erfasst werden. Unter den 748 Studienpatienten, die 2005 untersucht wurden, waren fast 40 Prozent frisch infiziert.

Noch keine Alternative für die Dritte Welt

Mit dem neuen Verfahren lässt sich also die Zahl der in einem Beobachtungsintervall erfolgten frischen Infektionen genau schätzen. Der Erfolg von Präventionsmassnahmen kann damit kontrolliert werden. Auch für die Betroffenen ist es wichtig zu erfahren, wann sie sich angesteckt haben. In den ersten Wochen und Monaten der Infektion sind sie nämlich besonders ansteckend. Deshalb, so Schüpbach, «muss alles unternommen werden, damit das Virus in dieser Phase nicht auf andere übertragen wird.»

Da der Inno-Lia relativ viel koste, sei er im Moment wohl keine Alternative für die Dritte Welt, die ja massiv vom HIV-Virus bedroht sei, meint Schüpbach. Alle Länder hingegen, die bereits den Western Blot Test für die HIV-Bestätigung vorschreiben, sollten in Zukunft mit dem Inno-Lia arbeiten, schlägt er vor. Dieser unterscheide besser zwischen den beiden Virustypen HIV-1 und HIV-2 als der Western Blot Test, den er selbst vor mehr als zwanzig Jahren entwickelt hat.

Die Unterscheidung zwischen HIV-1 und HIV-2 sei wichtig für die Wahl des Tests und damit für die Überwachung der Viruslast und die Zusammenstellung einer optimalen antiretroviralen Therapie. Zudem lasse sich damit jetzt auch noch auf einfache Weise Ausbreitung oder Rückgang der HIV-Infektionen dokumentieren.