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Grossen Dank, viel Lob und herzliche Glückwünsche durfte der Jubilar an der vom Deutschen Seminar organisierten Feier in der Aula der Universität Zürich entgegennehmen. Von Matt hatte praktisch sein ganzes wissenschaftliches Leben in Zürich verbracht und noch vor fünf Jahren vor voll besetzten Rängen seine Vorlesungen gehalten.
Sein Schaffen ist weit über die Grenzen der Universität Zürich, der Schweiz und der Germanistik hinaus bekannt. Insbesondere gelang es von Matt auch, ein nicht-akademisches Publikum für Literatur zu begeistern.
Rektor Hans Weder schätzte sich denn auch glücklich, dass die Universität Zürich Professoren wie ihn «ihr Eigen» nennen kann: «Ihnen ist es mit zu verdanken, dass die Universität Zürich wahrgenommen wird als ein Ort, an dem spannende und interessante Wissenschaft getrieben wird. Wissenschaft, die durch überraschende Entdeckungen bereichert und Orientierung für das Leben bereithält.»
Die Faszination, die von Matt auslöst, sieht Weder in seiner Arbeitsweise begründet: «Einem Interpreten musikalischer Werke ähnlich, vergegenwärtigt Peter von Matt die Texte so, dass sie selbst zur Aufführung kommen. Er verspielt die Texte nicht, sondern seine Wissenschaft bringt die Texte auf überraschende Weise neu ins Spiel. Sie lässt uns Dinge entdecken, die sich unsere Schulweisheit nie hätte träumen lassen.»
Was Weder hier anspricht, wurde auch in der späteren Podiumsdiskussion aufgegriffen. Denn dass der Text im Zentrum der Wissenschaft steht, war in den vergangenen Jahrzehnten der Germanistik eher die Ausnahme.
Michael Krüger, Leiter des Hanser-Verlags, wies auf psychoanalytische, marxistische und andere Interpretationsansätze hin, welche die Literaturwissenschaft dominierten und den Text teilweise «völlig aus der Betrachtung verschwinden» liessen. Alles Mögliche sei zum Gegenstand der Forschung gemacht worden, nur nicht der Text selbst. Hans Weder pries es als ein Verdienst von Matts, diesem Irrtum nie verfallen zu sein.
Gewürdigt wurde auch die Sprachmächtigkeit von Peter von Matt. Mehrfach wurde erwähnt, dass der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ihn als «bedeutendsten lebenden Schriftsteller der Schweiz» bezeichnet habe.
Doch Sprachmächtigkeit kann verdächtig sein. Weder verwies auf die Gefahr, dass das «Diktum vom besten Schriftsteller» missbraucht wird, «um Peter von Matt aus der zünftigen Germanistik zu verbannen und auf seine belletristischen Fähigkeiten zu reduzieren.»
Karl Wagner, Professor für Neuere deutsche Literatur und Nachfolger auf dem Lehrstuhl von Peter von Matt, sprach denn auch von der doppelten Falle, die sich den Geisteswissenschaften stelle: «Die Unfähigkeit, ein allgemeines Publikum zu erreichen oder keine Wissenschaft zu sein.» Was gut und verständlich geschrieben ist, läuft Gefahr, dem Urteil der Unwissenschaftlichkeit ausgesetzt zu sein.
Die Gründe hierfür sah Barbara Naumann, Professorin für Neuere deutsche Literatur an der UZH, im Gegenstand der Literaturwissenschaft, welcher «lebensgegenständliche Bereiche» umfasse. Ähnlich argumentierte Roman Bucheli, Feuilletonredaktor der NZZ. Er sprach davon, dass die Literaturwissenschaft eine «andere lebenspraktische Reichweite» habe, verglichen etwa mit den Naturwissenschaften.
Zwar bräuchten wir Physiker, die uns erklären, warum ein Flugzeug vom Himmel fällt, und wir bräuchten Theologen, die uns erklären, dass kein Vogel vom Himmel fällt, wenn es Gott nicht will, aber «wir brauchen keinen Literaturwissenschaftler, der uns erklärt, dass in einem Roman kein Spatz vom Himmel fällt, wenn es der Autor nicht will.»
Immerhin ist gemäss Karl Wagner die Unverständlichkeit eines Textes auch kein Garant für dessen Wahrnehmung als wissenschaftliche Arbeit: «Die Tatsache, dass ein allgemein gebildeter Leser die Fachzeitschrift zur Mikrobiologie nicht lesen kann, wird ihn nicht dazu veranlassen, Zweifel an der Mikrobiologie zu hegen. Hingegen würde er einen literaturwissenschaftlichen Aufsatz, den er nicht versteht, keineswegs als Indiz für die Wissenschaftlichkeit dieser Disziplin nehmen.»
Die Podiumsteilnehmenden kamen zum Schluss, dass die gute Verständlichkeit eines Textes kein Nachteil sein muss für die Literaturwissenschaft, im Gegenteil. Würden alle so schreiben wie Peter von Matt, dann hätte die Literaturwissenschaft ein Problem weniger und es gäbe ein ideales Verhältnis zwischen Literatur, Literaturwissenschaft, Öffentlichkeit und Feuilleton, so Barbara Naumann.
Person und Werk Peter von Matts aber seien «singulär» und seine Wissenschaft lasse sich unmöglich imitieren, wurde betont. So ist es wohl angebracht, mit den Worten von Hans Weder eher vom Glück denn vom Problem zu reden, das die Literaturwissenschaft mit Peter von Matt hat und einen wie ihn «ihr Eigen» nennen kann.
Geglückt war auch die Geburtstagsfeier an sich. Sie bot bewegende, erhellende und vergnügliche Momente. Und damit erfüllte das Programm gleichsam die Anforderungen, welche Peter von Matt während des Podiumsgeprächs auch an die Literatur stellte: diese muss «docere, delectare und movere».
So barg die Rede von Reinhard Fatke, Dekan der Philosophischen Fakultät, eine Reihe humorvoller Momente. Die Geburtstagsrede von Karl Wagner würdigte den Facettenreichtum der Person und die Vielfalt des Werks des Jubilars. Der Schriftsteller Peter Bichsel ehrte ihn mit einer wunderbar poetischen Lesung.
Nicht nur für Germanistinnen und Germanisten spannend zu hören war auch der Festvortrag des renommierten deutschen Literaturprofessors Gerhard Neumann über «Franz Kafkas Architekturen». Er erschloss darin eine neue und interessante Perspektive auf Kafkas Werk.