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Die Schweizer Pensionskassen legen jedes Jahr Milliarden auf den internationalen Finanzmärkten an. Sie setzen damit buchstäblich unsere Altersvorsorge aufs Spiel. Wenn es gut geht, wenn richtig und mit kontrolliertem Risiko investiert wird, kann sich das Spiel lohnen. Wenn nicht, kann das Jonglieren mit Wertpapieren die Versicherten viel Geld kosten.
Bei aller Irrationalität, die dem Geschehen an der Börse zuweilen anhaftet, hängt der langfristige Erfolg der Investitionen von den Strategien und dem Augenmass der Pensionskassenmanager ab, die entscheiden, wie unser Erspartes angelegt wird. Dieses Augenmass ist nicht bei allen gleich, wie die Ökonomen Christoph Gort und Mei Wang und der Psychologe Michael Siegrist herausgefunden haben. Gort arbeitet bei einer Schweizer Pensionskasse und ist Doktorand am Universitären Forschungsschwerpunkt «Finance and Financial Markets» (UFSP Finance) der Universität Zürich.
Aufgrund der Beobachtungen, die er bei seiner Arbeit machte, hatte Gort den Eindruck, dass zahlreiche Vermögensverwalter oft ihr eigenes Urteilsvermögen überschätzen. Gort wollte der Sache nun auch im Bereich der Schweizer Pensionskassen auf den Grund gehen und hat das Thema für einen seiner Dissertationsaufsätze vorgeschlagen.
«Das ist für uns ein Idealfall», kommentiert der Leiter des UFSP Finance, Marc Chesney, Gorts Vorschlag, «Finance ist nicht nur eine solide theoretische Wissenschaft, sondern auch praxisrelevant. Deshalb sind für uns Doktoranden, die in der Privatwirtschaft arbeiten, sehr interessant. Sie bringen Ideen und Problemstellungen mit, die sie im Alltag beschäftigen.»
Und Gort machte sich auch nicht ganz alleine an die Arbeit, sondern er suchte sich Partner, die Kompetenzen mitbrachten, die für dieses spezifische Projekt nützlich waren: Die Assistenzprofessorin am UFSP Mei Wang, die auf Verhaltensökonomie spezialisiert ist, und den Psychologen Michael Siegrist. «Der Forschungsschwerpunkt bündelt verschiedene Kompetenzen und macht es so möglich, interdisziplinär zu arbeiten», freut sich Chesney.
Die Zusammenarbeit lohnt sich, wie die Forschungsarbeit von Gort, Wang und Siegrist zeigt. Wie sie herausgefunden haben, gibt es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Pensionskassenmanagern, wenn es darum geht, die Entwicklung des Marktes vorherzusagen. Für die Studie mussten die Manager einschätzen, wie sich der Aktienmarkt in den vergangenen 35 Jahren entwickelt hat. Und sie mussten Vorhersagen für die Bandbreite möglicher zukünftiger Entwicklungen machen.
Wie sich herausstellte, lagen sie mit ihren Einschätzungen historischer Renditen nur in rund zwei Dritteln der Fälle einigermassen richtig. «Oft wird die Volatilität des Marktes unterschätzt», analysiert Mei Wang, «die Kursausschläge sind grösser als die Manager erwarten.» Die geschätzten Kursschwankungen liegen rund vier Mal tiefer als die historischen. Wenn ein Fondsmanager die Bandbreite der Kursentwicklung unterschätzt, kann das sehr kostspielig sein – entweder, weil er Aktien zu früh verkauft und damit mögliche Kursgewinne verschenkt, oder weil er sie zu spät abstösst und dadurch unnötige Verluste einfährt.
Grundsätzlich gilt: wenn die Bandbreite der Kursausschläge zu schmal eingeschätzt wird, steigt das Risiko, überrascht zu werden. Die Wissenschaftler sprechen in diesen Fällen von «falscher Kalibrierung». Diese ist eine Folge der «Selbstüberschätzung» der Fondsmanager.
Manager, die ihr eigenes Urteilsvermögen überschätzen, neigen dazu, die Bandbreite der Kursentwicklung zu eng zu setzen. Dadurch entsteht zwar der Eindruck von Kompetenz, aber auch das Risiko steigt, falsch zu liegen. Ausserdem kaufen und verkaufen solche Fondsmanager häufiger. Das generiert Kosten für Transaktionen, die durch eine erhöhte Rendite erst wieder aufgeholt werden müssen.
Wie Gort, Wang und Siegrist festgestellt haben, irren sich jedoch nicht alle Pensionskassenmanager im gleichen Ausmass. Es lassen sich individuelle Unterschiede ausmachen, die mit dem Alter und der Ausbildung korrelieren. «Wie wir zeigen können, sind die Ausbildung und das Alter gute Indikatoren, um vorherzusagen, wie gut kalibriert die Fondsmanager sind», bilanziert Mei Wang.
Am besten haben jüngere Fondsmanager mit einem Universitätsabschluss, aber zugleich relativ viel Erfahrung abgeschlossen. Am unteren Ende der Skala rangieren ihre älteren Kollegen ohne Universitätsabschluss und mit weniger Erfahrung. Geschlechtspezifische Unterschiede lassen sich aufgrund der Datenbasis nicht ausmachen, weil von den 108 befragten nur 6 Frauen waren.
Welche Konsequenzen hat dieses Ergebnis für die Praxis? «Es hilft sicher, wenn es darum geht, einzuschätzen, ob eine Person für die Rolle eines Fondsmanagers geeignet ist», sagt Mei Wang. Um das theoretische Wissen für den praktischen Alltag nutzbar zu machen, organisiert der UFSP Finance zusammen mit Partnern regelmässig Kongresse, an denen sich Wissenschaftler und Praktiker austauschen können.
Der UFSP wird ständig ausgebaut: Bereits geschaffen wurden zwei Assistenzprofessuren, eine davon wurde mit Mei Wang besetzt, zwei Oberassistenten- und drei Assistentinnenstellen, und in den nächsten Jahren gibt es noch zwei neue ordentliche Professuren. Besonders positiv sei, so Chesney, dass sich für die offenen Stellen und die Doktorandenprogramme junge Finanzmarktforscher aus der ganzen Welt bewerben – wie Mei Wang. Bisher hat sie ihre Entscheidung nicht bereut.