Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

 

Kinder haben eine Lobby

Das Marie Meierhofer-Institut für das Kind feiert sein 50-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums diskutierten am vergangen Freitag die Nationalräte Jaqueline Fehr und Felix Gutzwiller, der Kinderpsychiater Stefan Herzka und der Entwicklungspsychologe Alexander Grob über eine kinderfreundliche(re) Gesellschaft.
Marita Fuchs

«Das Marie Meierhofer-Institut setzt sich seit seinem Bestehen dafür ein, dass kleine Kinder sich in familiären und familienergänzenden Lebenswelten gesund entwickeln können», umreisst die Präsidentin des Vereins, Maja Nagel Dettling, die Kernaufgabe der 1957 gegründeten Institution. Unter dem Namen «Institut für Psychohygiene im Kindesalter» von der Sozialpädagogin Marie Meierhofer gegründet, wurde es 1977 in «Marie Meierhofer-Institut für das Kind» umbenannt.  Seit Juni 2007 hat die Psychologin Heidi Simoni die Führung vom Pädagogen Heinrich Nufer übernommen, der nach dreissigjähriger Amtszeit in den Ruhestand tritt.

Dr. Heidi Simoni (re) leitet seit Juni 2007 das Marie Meierhofer-Institut in Zürich. Neben ihr Prof. Dr. Andreas Fischer (m.), Prorektor der Universität Zürich, und Dr. Heinrich Nufer (li), Leiter des MMI von 1977 bis Mai 2007.

Nah an der Forschung

Simoni und Nufer sind eng mit der Universität Zürich verbunden. Beide lehren regelmässig als Lehrbeauftragte. Ihr Einsatz für die Sache des Kindes zeigt sich unter anderem in der Mitarbeit bei Forschungsprojekten: So etwa bei einer Studie zum Thema «Kinder und Scheidung». Die Rechtsprofessorin Andrea Büchler von der Universität Zürich und Heidi Simoni schlugen als ein Ergebnis der gemeinsam durchgeführten Untersuchung eine Gesetzesrevision vor, gemäss der die elterliche Sorge bei einer Scheidung beiden Elternteilen belassen wird, die Entscheidungsbefugnisse aber eng an die alltägliche Betreuung der Kinder gekoppelt werden.

In Tuchfühlung mit der Praxis

«Wir sehen uns als Mittlerin zwischen Forschung und Praxis», sagte die neue Leiterin Heidi Simoni an der Medienkonferenz letzten Freitag. «Unser Fokus richtet sich sowohl auf strukturelle Rahmenbedingungen als auch auf den individuellen Fall.» Simoni verwies auf die enge Zusammenarbeit des Instituts mit der regionalen Jugend- und Familienhilfe. Weitere Inputs aus der Praxis kommen über den anderen Arbeitsschwerpunkt des Instituts, die Weiterbildungs- und Beratertätigkeit, zustande. «Durch diese Arbeit werden wir auch zu Seismographen für anstehende Probleme in der Kinder- und Jugendarbeit», erklärte Simoni. Die Bedürfnisse der Kinder dürften nicht für die Zwecke der Erwachsenen missbraucht werden. Da sei auch die Politik gefordert.

Für ein kinderfreundlicheres Land

Auf der Fachtagung am vergangenen Freitag kamen in der abschliessenden Diskussion Politiker und Experten zu Wort. Die Nationalrätin Jaqueline Fehr und der Nationalrat Felix Gutzwiller, der Kinderpsychiater Stefan Herzka und der Entwicklungspsychologe Alexander Grob von der Universität Basel waren eingeladen, ihre Einschätzung der gegenwärtigen Lage in Sachen Kinderfreundlichkeit in der Schweiz zu erläutern.

Das Podium stellte der Schweiz bezüglich Kinderfreundlichkeit kein besonders gutes Zeugnis aus: (von links) Nationalrätin

Jaqueline Fehr, Prof. Heinz Stefan Herzka, Kinderpsychiater, Moderatorin Cornelia Kazis, Prof. Alexander Grob, Entwicklungspsychologe Universität

Basel, Prof. Felix Gutzwiller, Präventivmediziner an der

Universität Zürich und Nationalrat.

Ziemlich tief schätzte Nationalrätin Jaqueline Fehr die Kinderfreundlichkeit hierzulande ein. Häufig werde Kinderfreundlichkeit mit materiellem Reichtum verwechselt. Anders in Schweden: Dort sei aus der gesellschaftlichen Erfahrung der Emigration und der Ueberalterung eine Haltung entstanden, dass jedes einzelne Individuum wichtig sei; jedes Kind bekomme nicht nur ein einzige Chance, sondern auch zweite und dritte Möglichkeiten, um beispielsweise versäumte Bildung nachzuholen. In der Schweizer Politik müssten unbedingt die Lampen für eine kinderfreundlichere Familienpolitik auf grün geschaltet werden, weil niemand in einem kinderlosen Land leben möchte.

«Kein Drill ab Drei»

Nationalrat Felix Gutzwiller erteilte der Schweizer Kinderfreundlichkeit eine mittlere Note. Schaue man fünfzig Jahre zurück, so habe eine erhebliche Verbesserung der Gesundheitsvorsorge und der Ausbildung von Kindern stattgefunden. Eine grosse Herausforderung sei heute nach wie vor die Integration von bildungsfernen Kindern und die frühe sprachliche Schulung. Denn Bildung sei immer noch der Schlüssel für einen erfolgreichen Lebensweg. Er sei nicht für einen Drill ab Drei, sondern für spielerisches Lernen und setze sich deshalb für eine frühere Einschulung der Kinder ein. Die Grundstufe müsse stärker als bisher als Bildungschance begriffen werden.

Emotional unterentwickelt

Der Kinderpsychiater und emeritierte Universitätsprofessor Stefan Herzka empfand es als Schande, dass die Schweiz nicht kinderfreundlicher sei. «Wir sind ein emotional unterentwickeltes Land», meinte Herzka und proklamierte eine «Kinderverträglichkeitsprüfung», zum Beispiel für den akademischen Karriereweg. Die Bologna-Reform sei auf jeden Fall nicht auf ihre Kinderverträglichkeit überprüft worden, denn nach wie vor sei Studieren mit Kindern ein Kreuzweg.

Kinder brauchen Zeit, Hinwendung und Geduld

Kinderfreundlichkeit sei ohne Familienfreundlichkeit nicht zu haben, meinte Entwicklungspsychologe Professor Alexander Grob. Kinder zu haben benötige viel Zeit, was gegenläufig zum heute vorherrschenden Effizienzstreben stehe. Deshalb sei es ja auch so wichtig, dass Institutionen wie das Marie Meierhofer-Institut sich für Kinderanliegen stark machen.

 

 

Weiterführende Informationen