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Bereits 1995 konnte Clemens Kirschbaum experimentell nachweisen, dass Männer und Frauen vor einer stressreichen Situation auf ganz unterschiedliche Weise beruhigt werden können. Dazu entwickelte der Stressforscher zusammen mit Dirk Hellhammer den «Trier Social Stress Test», der wie folgt aussieht: Die Probanden und Probandinnen haben in einem Raum vor einem Komitee eine Rede zu halten, aufgezeichnet von einer Kamera und einem Mikrophon. – Die Stressforscher interessierten sich vor allem für die Auswirkungen der Vorbereitungsphase (vor dem Test) auf die Stressreaktionen nach dem Test. In diesem standardisierten Stresstest zeigte sich, dass Männer, die alleine zum Test kamen, einen dramatischen Stressverlauf aufwiesen; plauderten sie jedoch vor dem Test mit einer Frau, so hatten sie nach dem Test weniger Stresshormonfreisetzung, selbst wenn die Frau im Wartezimmer ihnen nicht bekannt gewesen war; am wenigsten gestresst waren sie, wenn sie die zehn Minuten vor dem Test mit der eigenen Partnerin verbrachten und diese ihnen Mut zusprach.
Anders bei den vor einer Stresssituation stehenden Frauen: Kamen sie alleine, so bewältigten sie den Test am besten; unterhielten sie sich mit einem fremden Mann im Wartezimmer, so hatte das keinen Effekt auf ihren Stresspegel nach dem Test; wurden sie jedoch von ihrem Partner begleitet und sprach dieser mit ihnen vor dem Test, so waren die Frauen weit mehr gestresst, als wenn sie alleine angetreten wären. – Weshalb? Weil Männer verbal sogenannte «instrumentelle Unterstützung» boten, das heisst, sie gaben der Frau Tipps, wie sie sich verhalten und was sie dem Komitee unbedingt sagen solle. Obwohl die männlichen Ratschläge gut gemeint waren, eigneten sie sich nicht, um die Frauen zu beruhigen; im Gegenteil antizipierten die Frauen durch die Ratschläge den kommenden Stress, was ihre Herzschlagfrequenz und ihren Cortisolspiegel bereits in der Vorbereitungsphase ansteigen liess.
Frauen hingegen boten den Männern vor dem stressigen Ereignis emotionalen Support. Sie sagten eher positive Dinge wie: «Das schaffst du schon», was die gestressten Männer zu beruhigen vermochte.
Der Stresstest von Kirschbaum bildete nun die Ausgangslage für einen Folgeversuch, den ein internationales Stress-Forschungs-Team um den Psychologen Markus Heinrichs und Beate Ditzen (UZH) – mit der Tierforscherin Inga D. Neumann, dem Paartherapeuten Guy Bodenmann, den Psychologinnen Bernadette von Dawans, Rebecca A. Turner sowie Ulrike Ehlert (UZH) – konzipierte. Das Team wollte herausfinden, wie eine stressreiche Situation auch für die Frauen positiver angegangen werden könnte. «Am positivsten für Frauen wäre wahrscheinlich, wenn sie ihre beste Freundin mitnähmen», vermutet Markus Heinrichs, doch leider sei dieses Experiment bisher noch nicht durchgeführt worden. Aus der Forschung sei bereits bekannt, dass allein stehende Frauen ab einem gewissen Alter eine höhere Lebenserwartung hätten als verheiratete Frauen. Auch bei verheirateten Paaren könne man also beobachten, dass Frauen für Männer stressreduzierend, umgekehrt jedoch Männer für Frauen eher stressfördernd seien.
Doch irgendwie müsste es doch möglich sein, dass auch Männer für Frauen stressmindernd sein können, fragten sich die Forscherinnen und Forscher, und entwickelten eine Variante des Kirschbaumschen Stresstests: Die erste Gruppe getesteter Frauen kam alleine, die zweite mit ihrem Partner, der ihnen zuredete, und die dritte Gruppe Frauen erhielt unter sachkundiger Anleitung einer Physiotherapeutin von ihrem Mann eine kurze Schulter-Nacken-Massage vor dem Stresstest. Und siehe da, das Resultat spricht Bände: Am wenigsten gestresst waren jene Frauen, deren Mann schwieg und sie massierte. Weder lange, noch professionell, ein paar wenige Massagegriffe genügten, und die Partnerin zeigte im Stresstest signifikant weniger Stresshormonfreisetzung und geringere Herzratenanstiege.
Diese Erkenntnis sei insbesondere für Paartherapeuten relevant, finden Beate Ditzen und Markus Heinrichs. In Paartherapien werde nämlich vor allem darauf geachtet, die verbale Kommunikation zwischen der Partnerin und dem Partner zu verbessern. – Doch manchmal, in bestimmten Situationen, sagt eine simple Berührung mehr als tausend Worte.