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Gender und öffentlicher Raum

Die Geografin Elisabeth Bühler hat letzte Woche ein internationales Symposium zu Gender und öffentlichem Raum organisiert. Zentrale Themen waren: Wie können Plätze, Parks und Boulevards sozial gerecht(er) und für alle Bevölkerungsgruppen attraktiv gestaltet werden?
Brigitte Blöchlinger

Der Vereinigungs-Platz in Bukarest im Januar 2002: Er wurde unter Ceauşescu in den 1980er Jahren im Zuge der «Systematisierungspolitik» stark umgestaltet.

Dr. Elisabeth Bühler, Sie beschäftigen sich als Geografin mit der Nutzung des öffentlichen Raums und leiten derzeit unter anderem eine Studie zum Wahlenpark in Oerlikon. Nun haben Sie ein internationales Symposium zum öffentlichen Raum organisiert. Was ist Ihr Eindruck – wie positioniert sich die «public places»-Forschung an der Universität Zürich im internationalen Vergleich?

Elisabeth Bühler: Das geographische Institut der Universität Zürich steuerte drei der insgesamt dreissig Beiträge ans Symposium bei: Heidi Kaspar referierte über «Planning and Design of Urban Public Parks: A Potent Process of Space Appropriation», Sara Landolt über «Drinking in public space; Youth practice of appropriation of public space in Zurich» und Frank Ostermann über «Use and Appropriation of Space – Quantitative Methods for a Critical Geography of Urban Public Parks». Diese drei Beiträge fanden bei den Teilnehmenden eine ausgesprochen positive Resonanz. Die Stärke der gegenwärtigen Zürcher Forschung liegt meiner Meinung nach darin, dass Theorie, Methodik und Empirie wissenschaftlich sorgfältig verbunden werden. Unsere Projekte sind weder elitäre Theorie aus dem Elfenbeinturm noch unreflektierte Praxis und können in der internationalen Forschung gut mithalten.

Sitzen und schauen: Hauptplatz der peruanischen Andenstadt Cusco.

Dank den geladenen internationalen Referentinnen und Referenten erhofften Sie sich unter anderem neue Überlegungen und Erkenntnisse zum öffentlichen Raum, sagten Sie in Ihrer Einführung. Was von dem Gehörten erscheint Ihnen für Ihre eigene Arbeit zukunftweisend?

Bühler: Zukunftsweisend ist die Verknüpfung von qualitativer und quantitativer Sozialforschung. Damit lässt sich die Thematik des öffentlichen Raumes sehr breit untersuchen. Die Frage der räumlichen und zeitlichen Verteilung von bestimmten Personen an bestimmten Orten kann mit quantitativen Methoden analysiert werden, während die Frage «Warum sich Menschen dort aufhalten» besser mit qualitativen Methoden verfolgt wird.

Weiter haben viele Beiträge deutlich gemacht, dass die scharfe Trennung von «öffentlich» und «privat» weder theoretisch noch empirisch ein fruchtbares Konzept ist. Was ich in meiner Einführung ins Thema angesprochen hatte, wurde in vielen Beiträgen bestätigt: Die Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Räumen sind unscharf, und sie werden von den beteiligten Akteuren immer wieder neu abgesteckt. Von dieser Erkenntnis muss sich die zukünftige Forschung – nicht nur die Geschlechterforschung – leiten lassen.

Etwas enttäuscht bin ich darüber, dass selbst an diesem Symposium keine wirkliche Diskussion um den Bedeutungsgehalt des Begriffes der sozialen Nachhaltigkeit im öffentlichen Raum stattgefunden hat. Ist soziale Nachhaltigkeit gleich zu setzen mit gleichberechtigtem Zugang aller Bevölkerungsgruppen zum öffentlichen Raum? Bedeutet Gleichberechtigung «Gerechtigkeit im Ergebnis» oder «Chancengleichheit in der Ausgangslage»? Diese und ähnliche Fragen werden uns deshalb auch in Zukunft beschäftigen.

Wer sich Gedanken macht über die Nutzung von Parks, Boulevards und Plätzen sollte immer auch bedenken, dass Frauen und Männer den öffentlichen Raum unterschiedlich nutzen. Woran scheitert eine soziale, geschlechtergerechte und nachhaltige Nutzung des öffentlichen Raums am häufigsten?

Bühler: Die Aneignung des öffentlichen Raumes ist eine hoch komplexe Angelegenheit, daher wird es wohl nie gelingen, einen hauptverantwortlichen Faktor zu identifizieren. Was wir aber fest halten können ist, dass a) selbst längst gesicherte Kenntnisse der feministischen Forschung nur sehr zaghaft in die Praxis der Planung und Gestaltung von öffentlichen Räumen einfliessen und dass b) öffentliche Räume immer bloss «Möglichkeitsräume» darstellen, selbst aber keine Veränderung der Gesellschaft bewirken. Mit anderen Worten: Ein Raum kann nur so sozial nachhaltig und gleichberechtigt sein wie seine Nutzerinnen und Nutzer.

Schauplatz gegensätzlicher politischer Machtansprüche: der Tiananmen-Platz in Peking.

Stichwort «soziale Gerechtigkeit und öffentlicher Raum»: grosse Plätze wurden immer wieder auch zum Symbol politischen Widerstands, zum Beispiel der Tiananmen-Platz in Peking, wo die demokratische Reformbewegung niedergewalzt wurde, oder die Plaza de Mayo in Buenos Aires, nach der sich die Mütter benannten, deren Kinder von der argentinischen Militärdiktatur zum «Verschwinden» gebracht wurden. – Unterscheidet sich die Forschung zum öffentlichen Raum, die in Ländern mit diktatorischer Vergangenheit wie z. B. Spanien oder Rumänien gemacht wird, von jener in Ländern ohne Diktaturerfahrung?

Bühler: Ich habe den Eindruck, dass die Thematik des öffentlichen Raumes und seiner Aneignung durch die verschiedenen demographischen Gruppen in Gesellschaften, die eine Diktatur erlebt haben, einen noch deutlich höheren Stellenwert besitzt, als das bei uns der Fall ist. Forscherinnen und Forschern aus Griechenland und Spanien waren an unserem Symposium stark vertreten, was für mich ein Indiz ist für diesen hohen Stellenwert, den der öffentliche Raum dort hat. Es handelt sich jedoch vor allem um einen Bedeutungsunterschied – forschungsmethodologisch sind am Symposium keine Unterschiede hervorgetreten.

Die Macht des Planens – «the power of planning» – hiess eine der acht Sessions des Symposiums. Beeinflussen die Planer und Planerinnen den öffentlichen Raum tatsächlich so stark, wie der Titel vermuten lässt, oder entscheiden letzten Endes die Bürgerinnen und Bürger durch die Art ihrer Nutzung, was aus öffentlichen Plätzen, Boulevards und Parks wird?

Bühler: Der physische Raum – und somit die Art, wie ein Ort geplant und gestaltet wird – kann als vorstrukturierender Faktor für die Nutzung dieses Raumes bezeichnet werden. Eine offene, leere Wiese zieht andere Menschen an als eine, die von hundertjährigen Bäumen gesäumt ist, oder als ein Rasen, auf der zahlreiche Spielgeräte stehen.

Die Möglichkeiten der Parkinfrastruktur, die zur Ausübung verschiedener Aktivitäten einlädt, werden von uns im Rahmen unseres Projektes über verschiedene Stadtzürcher Parkanlagen in die abschliessende Synthese der Ergebnisse einbezogen. Wir werden am Rande unserer Abschlussarbeiten auch der Frage nachgehen, ob die von uns untersuchten öffentlichen Parks so genutzt werden, wie es ursprünglich stadtplanerisch und gestalterisch vorgesehen war.

Man könnte also zusammenfassend sagen, dass Planung und Gestaltung des öffentlichen Raumes einen für verschiedene Gruppen unterschiedlich grossen Handlungsspielraum anbieten, dass sie die Nutzung des öffentlichen Raums jedoch nicht in einem deterministischen Sinne bestimmen.

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