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Wasser ist vielerorts schon knapp – so knapp, dass von einer ernsthaften Wasserkrise gesprochen werden kann, sagte der Politologe Professor Albert A. Stahel zu Beginn der Tagung, die unter dem Thema «Wasser und die Zukunft der Menschheit» stand. Als ein Beispiel für die Auswirkungen des allzu sorglosen Umgangs mit der Ressource Wasser nannte Stahel China. Das Land mit seinem rasanten Wirtschaftsboom betreibt massiven Raubbau an der Umwelt und auch an seinen Wasservorräten. So seien einige Flüsse derart mit Schwermetallen verschmutzt, dass Menschen, die Flusswasser trinken, an Krebs erkranken. Vier Millionen Chinesen hätten keinen Zugang zu sauberem Wasser.
Die Tagung, die am vergangenen Freitag stattfand, hatte zum Ziel, die globale Ressource Wasser aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Der Präsident des Forums «Humanitäre Schweiz», Professor Franz A. Blankart, meinte: «Die bequeme Situation der Schweiz als ‚Wasserschloss Europas’, darf nicht dazu verleiten, sich dem weltweiten Wasserproblem zu verschliessen.
Für die Schweizer sei der Zugang zu Wasser selbstverständlich, führte Roland Schertenleib, Mitglied der Direktion der Eawag, Dübendorf, aus. Viele Menschen auf de Welt müssten jedoch etliche Kilometer bis zur nächsten Wasserstelle laufen. Das habe nicht nur sozial negative Auswirkungen, auch die Hygiene könne so nicht gewährleistet werden, und Krankheiten seien die Folge.
Die gesamte Wassermenge auf der Erde werde nicht zu- oder abnehmen, aber die Verteilung werde sich ändern, prognostizierte Schertenleib. Es gebe Länder, die über viel Süsswasserreserven verfügten, wie Norwegen mit etwa 100'000 Kubikmeter pro Person und Jahr oder die Schweiz mit 1600 Kubikmeter. Jedoch stünden Israel zum Beispiel nur 450 Kubikmeter zur Verfügung. In Ländern, in denen das Wasservorkommen schon jetzt knapp sei, werde sich die Wassernot durch das Bevölkerungswachstum und die Klimaerwärmung noch verschärfen. Derzeit wächst der Verbrauch von Wasser doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung.
Wasser ist ein begrenzter Rohstoff, der heute schon aus nicht wieder regenerierbaren Vorräten gespeist werde. Ein Beispiel sind die Wasservorräte tief unter der Sahara. Libyen nutzt dieses Wasser, um es auf seine Felder zu pumpen, wo ein grosser Teil einfach verdunstet. Es müsse darüber nachgedacht werden, wie man Wasser effizienter einsetzen könne, so Schertenleib.
Schon heute würden weltweit 40 Prozent Pflanzen für die Herstellung von Nahrungsmitteln künstlich bewässert. Für die Produktion von einem Kilogramm Weizen zum Beispiel würden 500 Liter Wasser benötigt. Die Landwirtschaft sei damit im Vergleich mit Privathaushalten und der Industrie der weitaus grösste Wasserverbraucher. Etwa 93 Prozent des gesamten Süsswassers fliesst in die Landwirtschaft. Länder, die nicht mehr über genügend Wasser verfügen, um ihre eigene Bevölkerung zu ernähren, müssten ihr fehlendes Wasser mit der Einfuhr von Nahrungsmitteln – so genanntem virtuellem Wasser – kompensieren.
Jede Kalorie aus tierischer Nahrung braucht das Zehnfache an pflanzlicher Nahrung, rechnete Schertenleib vor. Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung und den sich ändernden Ernährungsgewohnheiten gehe eine eklatante Zunahme des Wasserverbrauchs einher. Dass auch das bevölkerungsreiche China mit zunehmendem Reichtum mehr Fleisch konsumiere, habe langfristig verheerende Folgen.
Auch aus diesem Grund sei die hiesige Begeisterung für Biokraftstoffe ökologischer Wahnsinn, meinte Schertenleib. Bis 2008 sollen allein in den Vereinigten Staaten 138 Millionen Tonnen Mais angebaut werden, nur um daraus Bioethanol zum machen. Für einen Liter Ethanol benötigt man über 4'000 Liter Wasser. Die Autofahrer in den reichen Industrienationen würden subventioniert auf Kosten der Ärmsten der Weltbevölkerung, so Schertenleib.
Dass Wasser auch als Machtinstrument eingesetzt werde und politische Ungleichgewichte verstärken könne, zeige sich an vielen Orten dieser Welt, meinte der Genfer Politologe Professor Urs Luterbacher. Länder, innerhalb deren Grenzen das Quellgebiet eines Flusses liegt, werden sich ihrer Macht bewusst, dass sie nämlich das Schicksal ihrer stromabwärts liegenden Nachbarn manipulieren können. So etwa im Wasserstreit zwischen der Türkei und dem Irak: Die Türkei ist militärisch viel stärker als der Irak und zudem im Besitz des Wassers – ein explosiver Konfliktstoff für diese Region, meinte Luterbacher.
Ein anderes Beispiel seien die Länder in Zentralasien: Kirgisien, Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan. Unter dem früheren Sowjetregime wurden die Wasserrechte zentral von Moskau gesteuert. Als selbständige Länder hätten jetzt die so genannten Oberlieger-Staaten wie Kirgisien und Tadschikistan die Wasserhoheit, weil auf diesem Gebiet die Flüsse entspringen. Die Unterlieger-Staaten wie Kasachstan und Usbekistan benötigen das Wasser dringend für ihre Felder. Damit das Wasser weiterhin in die Unterländer fliesse, können diese den Oberliegern Gas und Kohle anbieten. So sei ein Gleichgewicht geschaffen, das zur Vermeidung von Konflikten führe, sagte Luterbacher.
Wasser dürfe nicht instrumentalisiert werden, das verletze das Menschenrecht, meinte Rosmarie Bär von der Koordinationsstelle für Entwicklungspolitik, Alliance Sud, in Bern. Ausreichendes Trinkwasser für alle zu schaffen, sei in diesem Jahrhundert die Herausforderung der internationalen Gemeinschaft. So sei eines der «UN-Milleniums Development Goals» die Zahl der Menschen, die ohne sichere Wasserversorgung seien bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Dies könne aber nicht durch die Privatisierung von Wasserrechten erreicht werden, wie von der Weltbank vorgeschlagen wurde. Wasser sei nun mal ein ganz besonderer Stoff, nämlich ein soziales und kulturelles Gut und keine gewöhnliche Handelsware.
Thomas Zeller, vom Departement für Entwicklung und Zusammenarbeit des Bundes (DEZA), unterstützte die Ansicht, dass die jeweiligen Regierungen den Zugang zu Wasser für alle garantieren müssten, den der Wasserpreis dürfe nie so hoch sein, dass Menschen für Wasser auf andere, lebensnotwendige Dinge verzichten müssten. Es sei ein Skandal, meinte Zeller, dass jeder sechste Mensch keinen Zugang zu Trinkwasser habe. 2,6 Millionen Menschen, vor allem Arme, seien betroffen. Die Wasserzugänglichkeit sei vor allem in ländlichen Regionen ein Problem, während Städte nicht so stark betroffen seien.
Deshalb unterstütze die DEZA hauptsächlich ländliche Gebiete. Vom jährlichen Gesamtbudget des DEZA von 60 Millionen Franken werde 50 Prozent in die Trinkwasser- und Siedlungshygiene investiert.
Allerdings sei Geld nicht alles. Nur durch effizientes Management vor Ort und Bekämpfung der Korruption seien dauerhafte Lösungen gegen die Wassernot möglich.