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«Wir wollen konstruktive Beiträge zur Gentech-Diskussion liefern»

Der Pflanzenbiologe Beat Keller hat Gene isoliert, die Weizen gegen bestimmte Krankheiten resistent machen. In einem am Mittwoch präsentierten Projekts im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 59 möchte er nun gentechnisch veränderte Pflanzen im freien Feld erforschen. Was bringen solche Feldversuche?
Roger Nickl, Thomas Gull

Herr Keller, Sie erforschen die Genetik von krankheitsresistentem Weizen. Bisher ist es Ihnen gelungen, drei Resistenzgene zu isolieren – zwei gegen Braunrost und eines gegen Weizenmehltau. Was ist der Nutzen dieser Erkenntnisse?

Beat Keller: Weizen ist eine faszinierende Pflanze. Es gibt weltweit Zehntausende verschiedener Sorten – Weizen wächst von den Tropen bis Südskandinavien. Viele dieser Sorten sind für bestimmte Krankheiten anfällig, während einzelne Zuchtstämme eine Krankheitsresistenz entwickelt haben. Diese Beobachtung, die bereits vor rund 100 Jahren gemacht wurde, hat zur Entdeckung von Resistenzgenen geführt. Vor wenigen Jahren konnten wir diese Gene nun auch auf molekularer Ebene identifizieren. Resistenzgene vermitteln hochspezifische Erkennungsprozesse zwischen der Pflanze und dem Krankheitserreger. Uns interessiert nun, wie sich diese Erkennungsvorgänge auf molekularer Ebene abspielen. Mit Hilfe der isolierten Resistenzgene können wir die Erkennungsprozesse detailliert studieren und auch der Frage nachgehen, wie sich ein Erreger verändert, wenn er eine spezifische Resistenz überwindet.

«Es kann nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein, sich als Propagandainstrument für die Gentechnologie zu profilieren.» Beat Keller, Pflanzenbiologe.

Welche Bedeutung hat die Entdeckung dieser Resistenzgene für die Wissenschaft?

Keller: Wir haben die berühmten Nadeln im Heuhaufen gefunden. Das Weizengenom ist fünfmal grösser als das menschliche Genom. Am Anfang unserer Forschung wurde uns immer wieder gesagt: Ihr seid wahnsinnig, das klappt nie. Es hat dann auch lange gedauert – letztlich waren wir aber erfolgreich. Unsere Resultate haben, denke ich, andere Forscher dazu motiviert, sich auf die Suche nach weiteren Resistenzgenen zu machen. Das Gebiet der Getreidegenom-Forschung hat – auch durch unsere Arbeiten – mittlerweile richtig Auftrieb bekommen.

Die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaft stellte bereits 2001 fest, die gentechnische Risikoforschung müsse gefördert werden. Sie selbst planen im Augenblick im Rahmen des eben vom Nationalfonds bewilligten Nationalen Forschungsprogramms 59 Freisetzungsversuche von gentechnisch verändertem Weizen in der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz. Welches sind die wichtigsten Ziele dieses Forschungsprojekts?

Keller: Das Nationale Forschungsprogramm hat den Titel «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen». Wir wollen im Rahmen dieses Programms ein interdisziplinäres Projekt durchführen, an dem 11 Forschungsgruppen beteiligt sind. Die Risikoforschung ist eine wichtige Komponente des Forschungsvorhabens. Wir möchten etwa der Frage nachgehen, ob ein Resistenzgen durch Auskreuzen in Wildpflanzen gelangen kann und wenn ja, was die Folgen davon sind. Ebenso möchten wir wissen, ob Effekte auf Nicht-Zielorganismen – etwa Regenwürmer oder Insekten – beobachtet werden können. Neben all diesen Aspekten der Risikoforschung wollen wir aber auch untersuchen, wie gentechnisch veränderte Pflanzen in der Landwirtschaft genutzt werden könnten.

Was wäre der mögliche Nutzen, den Sie mit Hilfe der Feldversuche abklären wollen?

Keller: Mich interessiert die Frage, ob Resistenzgene als Transgene in gentechnisch veränderten Pflanzen im freien Feld funktionieren. Das tönt vielleicht trivial. Tatsache aber ist, dass wir das nicht wissen oder voraussagen können, weil wir bis jetzt nicht im Feld testen durften. Einerseits möchten wir erforschen, in welchen Wachstumsstadien die übertragenen Gene im Feld aktiv sind und gegen Mehltau wirken. Dann stellt sich die Frage nach dem Wirkungsspektrum der Transgene gegen verschiedene Rassen von Mehltau in der natürlichen Umwelt. Zudem möchten wir untersuchen, ob die Wirkung in verschiedenen Umwelten – die Klimabedingungen sind jedes Jahr etwas anders – stabil ist oder ob sie sich verändert.

Die Vorbehalte gegenüber der grünen Gentechnologie haben 2005 in der Schweiz zu einem fünfjährigen Moratorium für den Anbau und die Einfuhr gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere für die Landwirtschaft geführt. Die Forschung ist vom Moratorium ausgenommen – erlaubt sind beispielsweise auch Feldversuche. Diese lösten in der Vergangenheit aber heftige Kontroversen aus, wie die Versuche der ETH 2004 zeigten. Sind diese Vorbehalte gerechtfertigt?

Keller: Ich kann die generellen Ängste der Bevölkerung teilweise nachvollziehen, handelt es sich doch um eine Technologie, deren Grundlagen noch nicht Allgemeinwissen sind. Mehr Mühe habe ich mit Argumenten, die häufig auf weitgehend widerlegten Gefährdungspotenzialen beruhen – da geht es in der Regel um politisch motivierte Kampagnen, denen die wissenschaftliche Basis fehlt.

«Wir möchten etwa der Frage nachgehen, ob ein Resistenzgen durch Auskreuzen in Wildpflanzen gelangen kann und wenn ja, was die Folgen davon sind.»

Zu den Zielen der Feldversuche gehört, bis zum Ende des Gentech-Moratoriums 2010 das Wissen über Nutzen und Risiken von gentechnisch veränderten Pflanzen im freien Feld zu vergrössern und dadurch eine fundierte Debatte zum Thema zu ermöglichen. Glauben Sie, dass es Ihnen gelingen wird, die Gentech-Gegner zu überzeugen?

Keller: Natürlich möchten wir konstruktive Beiträge zur Gentechnologie-Diskussion liefern und offene Fragen beantworten. Ich glaube aber nicht, dass ein Forschungsprojekt die politischen Prozesse massgeblich beeinflussen kann.

Stellen Sie da nicht Ihr Licht etwas unter den Scheffel: Informationen – auch solche der Wissenschaft – sind der Rohstoff der Politik. Politikerinnen und Politiker jeder Couleur werden genau darauf achten, zu welchen Resultaten Sie kommen und diese Informationen in ihr Argumentarium einbauen.

Keller: Ich glaube schon, dass unsere Forschung längerfristig eine Wirkung auf die öffentliche Meinung zeigen wird und hoffe, dass wir mit unseren Versuchen zu einer sachlichen Debatte beitragen können. Wir müssen allerdings in grösseren Zeiträumen denken. Es kann sicher nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein, sich als Propagandainstrument für eine Technologie zu profilieren.

Auf Grund der Feldversuche werden Sie auch mit Opposition rechnen müssen. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Keller: Wir müssen klar machen, dass wir ein Forschungsprojekt zur Gewinnung von wichtigen Erkenntnissen zu Risiken und Nutzen gentechnisch veränderter Pflanzen durchführen wollen. Ich hoffe, dass diese Botschaft bei einem Grossteil der Bevölkerung ankommt. Zudem ist unsere Projekteingabe sehr breit abgestützt. Wir forschen gemeinsam mit Experten aus der Ökologie und den Umweltwissenschaften.