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Erinnerungen schützen

Ist unser Gehirn damit beschäftigt, Informationen zu speichern, will es nicht gestört werden. Forscher am Institut für Hirnforschung haben einen Mechanismus entdeckt, wie sich das Gehirn dabei selber schützt.
Adrian Ritter

Bitte nicht stören! Ist das Gehirn mit der Speicherung von Informationen beschäftigt, aktiviert es einen Schutzmechanismus, wie eine Studie am Institut für Hirnforschung zeigt.

«Bewegen Sie das Gerät nicht, solange Data Save auf dem Display erscheint», rät die Bedienungsanleitung zu gewissen Minidisc-Geräten. Speichern scheint eine heikle Angelegenheit zu sein und volle Konzentration zu erfordern.

Was für Minidisc-Geräte zutrifft, scheint auch für das Gehirn zu gelten. Ein Forschungsteam um Prof. Urs Gerber vom Institut für Hirnforschung der Universität Zürich beschreibt in der Online-Ausgabe der Zeitschrift «Proceedings for the National Academy of Sciences», dass sich das Kurzzeitgedächtnis vor weiteren Informationen schützt, wenn es mit Speichern beschäftigt ist.

Hauptweg ins Kurzzeitgedächtnis

Die Studie von Masahiro Mori, Beat Gähwiler und Urs Gerber untersuchte bei Rattengehirnen vor allem die so genannte CA3-Region. Diese befindet sich im Hippocampus, dem wichtigsten Teil des Kurzzeitgedächtnisses. Einer der Hauptwege in die CA3-Region ist der «Moosfaserpfad». Dieser Nervenstrang führt dem Hippocampus Gedanken und Sinneseindrücke in der Form von elektrischen Impulsen zur weiteren Verarbeitung zu.

Ob eine Information allerdings tatsächlich gespeichert wird, hängt von der Aufmerksamkeit ab, die wir ihr schenken. Entsprechend verhält sich auch der Moosfaserpfad. «Unwichtige» Informationen sind in einer langsameren Frequenz im Gehirn unterwegs und werden vom Moosfaserpfad nicht in die CA3-Region weitergeleitet.

Hochfrequente, also «wichtige» Informationen leitet er hingegen in die Speicherstrukturen der CA3-Region. Das Team um Prof. Gerber hat nun entdeckt, dass dieser Vorgang immer zweiteilig abläuft. Nach dem Senden der Informationen folgen zusätzliche elektrische Impulse, die vorübergehend zu einer Hemmung der Aktivität in der CA3-Region führen.

Nervenzellen in der CA3-Region im Rattengehirn.

Reizüberflutung verhindern

Die Resultate legen nahe, dass dieser Vorgang ein Schutzmechanismus des Gehirns ist. Er verhindert während 30 bis 60 Sekunden, dass die gerade aktiven Verschaltungen im Hippocampus mit zusätzlicher Information überflutet werden. So kann das Gehirn in Ruhe die Informationen in neue Gedächtnisspuren einbrennen. Wird es dabei gestört, kann es nämlich zu Fehlern kommen. «Das ist vergleichbar mit dem Versuch, sich eine Telefonnummer zu merken. Wenn mich gleichzeitig jemand etwas fragt, gelingt es nicht», so Hirnforscher Urs Gerber.

Die Erkenntnisse seines Teams gehören zur Grundlagenforschung, dürften aber bei Medizin und Psychologie auf Interesse stossen. Am Institut für Hirnforschung wird man sich in weiteren Projekten nun unter anderem der Frage widmen, wie lange eine solche Speicherung bestehen bleibt und wie andere Hirnteile auf die Informationen im Kurzzeitgedächtnis zugreifen können.