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Gut für fast alles: Vitamin D

Professorin Heike Bischoff-Ferrari hat eine der fünf SNF-Förderungsprofessuren an der Universität Zürich erhalten. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Vitamin D ist ihr Forschungsschwerpunkt.
Brigitte Blöchlinger

Der gesundheitsfördernden Wirkung von Vitamin D auf der Spur: SNF-Förderungsprofessorin Heike Bischoff-Ferrari.

SNF-Förderungsprofessorin Heike Bischoff-Ferrari nimmt es täglich, und sie würde es wie in Norwegen von Amtes wegen der Bevölkerung verschreiben: Vitamin D. Dieses Vitamin wird über Cholesterinvorstufen vom Körper selbst hergestellt; allerdings muss die Haut dazu zirka zwanzig Minuten von der Sonne (UV-Strahlung) beschienen werden. Vitamin D braucht es, um die Absorption von Calcium und Phosphat im Dünndarm zu ermöglichen. Calcium wiederum wird dank Vitamin D in die Knochen eingebaut und sorgt so für ein stabiles, mineralisiertes Skelett und gesunde Zähne. In den letzten zwanzig Jahren wurden weitere wichtige physiologische Funktionen von Vitamin D entdeckt, insbesondere bei der Zelldifferenzierung, bei der Hemmung des unkontrolliertem Zellwachstums (Krebs), beim programmierten Zelltod von Krebszellen, bei der Immunmodulation und der Kontrolle hormonaler Systeme.

Häufiger Vitamin-D-Mangel im Alter

Vitamin D kommt in der Nahrung nur sehr beschränkt vor. Am meisten im Wildlachs und Hering und in anderen Fettfischen – doch im Allgemeinen nicht in genügend hoher Konzentration, um für Seniorinnen und Senioren die gewünschte prophylaktische Wirkung auf das Sturz- und Knochenbruchrisiko zu entfalten, hat Professorin Heike Bischoff-Ferrari herausgefunden. Weniger als 20 Prozent der Über-65-Jährigen in Europa weisen einen ausreichenden Pegel von rund 75 nanomol 25-Hydroxy-Vitamin D im Blut auf.

In den nächsten vierzig Jahren werden die Über-65-Jährigen in der Schweiz um vierzig Prozent zunehmen, hat SNF-Förderungsprofessorin Heike Bischoff-Ferrari anhand der Daten des Bundesamtes für Statistik berechnet.

Da in Zukunft immer mehr Leute immer älter werden, werde die Vitamin-D-Unterversorgung epidemische Ausmasse annehmen, ist Bischoff-Ferrari überzeugt. Gemäss Hochrechnungen aus Europa und den USA werden in den nächsten fünfzig Jahren auch chronische, altersabhängige Erkrankungen massiv zunehmen. Konkret wird eine Verdopplung der Personen, die an einer Osteoarthrose leiden, erwartet, und Hüftknochenbrüche sollen mehr als ein Drittel zunehmen. Daraus resultieren auch massive Kosten für das Gesundheitswesen. Es gilt daher, einfache, kostengünstige und sichere Massnahmen wie Vitamin D, die sich auf mehrere chronische Erkrankungen protektiv auswirken, gründlich zu erforschen, ist die Medizinerin überzeugt.

Vielfältig wirksam und günstig

Seit rund zehn Jahren beschäftigt sich die ausgebildete klinische Ärztin mit der Gesundheit älterer Leute: «Meine klinische Ausbildung in der Geriatrie hat mich stark geprägt», sagt sie. Ihr Werdegang führte sie an die Universitäten Basel, Zürich und Harvard, wo sie sich in Geriatrie, Rheumatologie, Orthopädische Chirurgie und Ernährungsepidemiologie spezialisierte und an mehreren Studien mitwirkte. Den Durchbruch schaffte sie mit der ersten randomisierten Doppelblindstudie zur Wirksamkeit von Vitamin D in Bezug auf die Sturzrisiko-Reduktion bei Über-65-Jährigen. Die erstaunlichen Resultate: Mit einer Gabe von 800 Einheiten Vitamin D plus 1200 mg Calcium (verglichen mit Calcium alleine) erlitten die untersuchten gebrechlichen Seniorinnen in Basel 49% weniger Stürze innerhalb von 3 Monaten.

Die Langzeitwirkung von 700 Internationalen Einheiten Vitamin D plus 500 mg Calcium bei gesunden älteren Frauen zeigte die Forscherin in einer Dreijahres-Doppelblindstudie in Boston. Das Sturzrisiko reduzierte sich mit Vitamin D um 45%. Auch die Beinfunktion und die Muskelkraft verbesserten sich messbar. Ausserdem konnte die Forscherin nachweisen, dass Muskeln Rezeptoren für Vitamin D aufweisen.

Diese Resultate brachten Heike Bischoff-Ferrari bisher 17 Auszeichnungen ein. Und ab Mai 2007 eine der diesjährigen fünf Förderungsprofessuren des Schweizerischen Nationalfonds.

Folgestudien zu Arthrose

«Nach und nach wird die Bedeutung von Vitamin D erkannt», sagt Heike Bischoff-Ferrari. Auch der Schweizerische Nationalfonds erachtet ihre Forschungsthematik als relevant und unterstützt sie mit der Förderungsprofessur in ihrer nächsten Studie zu schwerer Kniearthrose. Dazu wird Bischoff-Ferraris Team in den nächsten vier Jahren bei 380 Arthrose-Patientinnen und Patienten, die in der Schulthess-Klinik und im Triemli-Spital einen Knieersatz erhalten, die Wirksamkeit von Vitamin-D-Gaben untersuchen. Genauer wird es darum gehen, welche Auswirkungen eine hohe Gabe von 2000 Internationalen Einheiten (IE) Vitamin D im Vergleich zur «normalen» Dosierung von 400 IE Vitamin D auf die Rehabilitation des operierten Kniegelenkes und das Fortschreiten der Osteoarthrose an anderen tragenden Gelenken hat. Damit möchte Bischoff-Ferraris Team herausfinden, ob Vitamin D sich auch bei fortgeschrittener Arthrose bewährt.

Die chemische Struktur von Vitamin D.

Allerheilmittel Vitamin D?

Im Alter werden nicht nur die Knochen brüchig und die Bewegungen unsicher, auch der Blutdruck, das Herz und die Gefässe können sich zu «Krisenherden» mit potentiell tödlichem Ausgang verändern. Wichtig für die Lebensqualität älterer Personen ist ausserdem die Zahngesundheit und die Infektabwehr. Deshalb möchte Heike Bischoff-Ferrari auch dazu Doppelblindstudien mit Vitamin D durchführen. Wozu sie die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen gesucht hat: Mit Dr. Matthias Hermann vom Universitätsspital Zürich plant sie eine Studie zur Rolle von Vitamin D für die kardio-vaskuläre Gesundheit; mit PD Ina Nitschke vom Zahnärztlichen Institut beabsichtigt sie, die Auswirkungen auf Zahnausfall und Karies zu untersuchen; und mit PD Nikolas Müller von der Infektiologie des Universitätsspital Zürich möchte sie herausfinden, inwieweit Vitamin D kleinere und grössere Infekte bei älteren Personen reduzieren kann.

Sollte sich Vitamin D in all diesen Problemfeldern bewähren, läge der Ball bei der Politik, findet SNF-Förderungsprofessorin Heike Bischoff-Ferrari. Diese sollte der Bevölkerung wie in Norwegen Vitamin D «wärmstens empfehlen» oder – wie beim Jod im Salz – einigen Grundnahrungsmitteln beigeben. So günstig, einfach und wirksam sei Gesundheitsprophylaxe sonst nämlich nicht zu haben.