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Jedes Jahr vergibt die Universität Zürich Forschungskredite an vielversprechende Nachwuchskräfte. Dank der finanziellen Unterstützung können sich die ausgewählten Forscherinnen und Forscher ein bis zwei Jahre lang ganz auf ihre wissenschaftliche Arbeit konzentrieren. Um einen Einblick in die vielfältigen Themen zu geben, fand zum zweiten Mal das «Symposium zum Forschungskredit» statt. Dort stellten Forschungskredit- Trägerinnen und -Träger ihre Forschungsarbeiten in zehn Referaten und in einer Ausstellung mit über sechzig Postern vor.
Das Themenspektrum war wie am letzten Symposium breit und reichte bei den Vorträgen von der Rolle der Musikerin in Mauretanien über die visuelle Flugkontrolle bei der Drosophila-Fliege bis zu den Kriegsdeutungen und -legitimationen im deutschen Militär von 1871 bis 1945.
Zwei Referentinnen und ein Referent erhielten zudem den erstmals verliehenen Preis der Stiftung Mercator Schweiz. Die Stiftung wurde 1996 von der aus Duisburg stammenden Handelsfamilie Karl Schmidt gegründet. Sie unterstützt Projekte, die im Sinne Gerhard Mercators Toleranz und den aktiven Wissensaustausch zwischen Menschen mit unterschiedlichem nationalem, kulturellem und sozialem Hintergrund fördern.
Die mit je 5000 Franken dotierten Preise gingen an die Doktorandin Christine Benesch für die Erforschung der Frage «Macht Fernsehen glücklich?» aus ökonomischer Sicht (siehe dazu den Artikel im Forschungskredit-Dossier 2006), an die Völkerrechtsexpertin und Assistenzprofessorin Tina Kempin für die Dissertation «Konfliktmanagement und Schutz der Menschenrechte in ethnischen Konflikten: Chancen und Herausforderungen für das internationale Rechtssystem» sowie an den Biologen Klaas Pos für seine Forschungsarbeit «Die Antibiotikapumpe AcrB macht Bakterien stark».
Alle drei preisgekrönten Arbeiten beschäftigen sich mit aktuell relevanten Themen – allerdings aus ganz unterschiedlicher Sicht. Beim Biologen Klaas Pos ist es die Antibiotikaresistenz von Bakterien. Mittels Röntgenstrukturanalyse ergründete Pos den Mechanismus, wie sich Bakterien erfolgreich gegen Antibiotika wehren: Die Bakterien fangen die Antibiotikum-Moleküle mit der sogenannten AcrB Pumpe ein – dieser Vorgang war bereits bekannt. Wie die Bakterien die Antibiotikum-Moleküle wieder aus der Zelle hinausbugsieren, hat Pos entdeckt – sie leiten sie in einen «Tunnel» hinein, verengen die Röhre wie bei einer peristaltischen Quetschpumpe und werfen so das Antibiotikum-Molekül aus der Zelle. Ist es draussen, schliesst das Bakterium den Tunnel an der Aussenseite und öffnet ihn erneut nach innen. So schleust es, unbeschadet, ein Antibiotikum-Molekül nach dem anderen aus der Bakterienzelle.
Einen aktuellen Dauerbrenner untersucht die preisgekrönte Ökonomin Christine Benesch: Macht Fernsehen glücklich? Nun ist Glück erst seit wenigen Jahren eine Domäne der Wirtschaftswissenschaften – Beneschs Doktorvater Prof. em. Bruno S. Frey hat dazu eine Menge beigetragen. Gemäss ökonomischer Standardtheorie müsste fernsehen eigentlich glücklich machen, andernfalls würden ja nicht so viele Leute so viel Zeit mit dieser völlig freiwilligen Aktivität verbringen. Beneschs empirische Analyse zeigt jedoch, dass Leute, die viel fernsehen, weniger zufrieden sind mit ihrem Leben als solche, die wenig fernsehen. Weshalb? Benesch vermutet ein Selbstkontrollproblem bei den Vielsehern. Zwar sei der Nutzen des Fernsehens (Unterhaltung und Entspannung) unmittelbar erlebbar und der Aufwand sehr gering, doch die Kosten (Schlafmangel, vernachlässigte soziale Kontakte) würden meist erst mit der Zeit auftauchen. «Wer solche Kosten systematisch zu wenig oder gar nicht berücksichtigt, wird zuviel fernsehen und dies gemäss eigener Einschätzung bereuen», hat Benesch herausgefunden.
Für die dritte Mercator-Preisträgerin, die Juristin Tina Kempin, war der Forschungskredit die entscheidende Unterstützung, um den Sprung über den Grossen Teich zu wagen und das Dissertationsthema «Konfliktmanagement und Schutz der Menschenrechte in ethnischen Konflikten: Chancen und Herausforderungen für das internationale Rechtssystem» so interdisziplinär anzugehen, wie sich das vom Thema her aufdrängte. «Einige der wichtigsten Konfliktforscher arbeiten in den USA, wo auch interdisziplinäre Forschung hochgeschätzt wird», sagt Kempin. Dadurch dass sie mit diesen in Kontakt treten konnte, wurde ihre europäische Sicht der Problematik um die amerikanische Perspektive erweitert. Seit einem Jahr ist die mittlerweile Dreissigjährige Assistenzprofessorin für internationale Beziehungen mit Tenure Track an der Christopher Newport University in Newport News, Virginia. Nächstes Jahr wird sie die Resultate ihrer Dissertation in Buchform herausgeben.
In ihrem Vortrag am Symposium zum Forschungskredit ging es um die juristische Beantwortung der philosophisch-ethischen Frage, ob bei der Herstellung von Frieden die Mittel den Zweck heiligen. Die Konfliktforscher würden mit Ja antworten, erörterte Kempin, denn für diese stehe vor allem das Ziel, den Konflikt beizulegen, im Vordergrund; um Frieden zu erreichen, seien die Konfliktforscher auch bereit, sich mit terroristischen Organisationen und Menschenrechtsverletzern an den Verhandlungstisch zu setzen, beispielsweise mit der IRA in Nordirland. Anders die Menschenrechtler: Für diese sei es unabdingbar, dass der Konflikt bewältigt werde; entsprechend müssten die Despoten und Völkermörder zur Verantwortung gezogen werden und ihrer gerechten Strafe überführt werden (wie Milosevic in Ex-Jugoslawien oder Prozesse im Rahmen der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika); dass die Verbrechen ungesühnt bleiben um des Friedens willen, sei für die Menschenrechtsvertreter der falsche Weg; auch deshalb, weil es dann keine Genugtuung für die Opfer gebe.
Neben den Kurzvorträgen stellten im Lichthof der Universität Zürich 68 Nachwuchsforscherinnen und -forscher ihr Thema auf Poster-Präsentationen vor. Auch hier waren Projekte aus sämtlichen Fakultäten vertreten. Der Mix an Posters aus verschiedenen Disziplinen ergab ein spannendes Ganzes.