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Allianz für die Herzforschung

Fünf Jahre lang wird der Pharmakonzern Pfizer die Klinik für Kardiologie des Universitäts-Spitals Zürich finanziell unterstützen. Mit sechs Millionen Dollar soll die renommierte Forschungsanstalt ihre Herz- und Kreislaufforschung intensivieren können. unipublic fragte Klinikdirektor Professor Thomas F. Lüscher wie die Zusammenarbeit mit Pfizer aussieht und welche Vorteile der Universität erwachsen.
Interview: Marita Fuchs

Herr Professor Lüscher, wie ist es zu der Allianz mit Pfizer gekommen?

Thomas F. Lüscher: Pfizer ist auf uns zugekommen. Der Grund dafür war wohl unsere international beachtete Forschung. Wir werden häufig um Rat gefragt und setzen beispielsweise in der Herz- und Kreislaufforschung neue therapeutische Ziele. Die Industrie sucht nach Forschern, die auf den Gebieten der kardiovaskulären Wissenschaften neue Erkenntnisse gewonnen haben und diese weiter verfolgen.

Sie sind die einzige Klinik für Kardiologie in Europa, mit der Pfizer eine Allianz eingeht. Sind die Europäer eher skeptisch gegenüber einer engen Zusammenarbeit, oder ist Europa für den Pharmakonzern nicht so interessant?

Lüscher: Mit dem Ort hat die Auswahl nichts zu tun. Die forschende Industrie sucht sich ihre Partner sehr gezielt nach dem Stand der Forschung aus. Heute sind ja die Leistungen der einzelnen Forschungsabteilungen einfach zu vergleichen. Die Visibilität der Forschungsleistungen wird schon allein durch das Internet gewährleistet. Unterstützt werden gute und innovative Forschungszentren, wie zum Beispiel in den USA die Stanford- und die Harvard-Universität. Für uns spricht auch die enge Zusammenarbeit unserer Forscher mit den Biochemikern und den Rheumatologen der Universität Zürich.

Natürlich spielt auch das gegenseitige Vertrauen eine Rolle. Ich habe bisher in Zusammenarbeit mit Pfizer gute Erfahrungen gemacht, etwa bei einem Projekt über die Cox2-Hemmer, mit dem Ziel, die Wirkung dieser Substanzen auf die Gefässwand zu klären.

Fremdfinanzierung wird für Universitäten immer wichtiger, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, meint Professor Thomas F. Lüscher, Direktor des Zentrums für Kardiologie des Universitätsspitals Zürich.

Warum investiert Pfizer so viel Geld für die medizinische Grundlagenforschung an der Universität Zürich, was ist die Motivation des weltweit grössten Pharmakonzerns?

Lüscher: Das ist ihr Geschäft: Sie leben von der Grundlagenforschung. Und die Pharmafirmen sind auf eine enge Zusammenarbeit mit der universitären Grundlagenforschung angewiesen. Nehmen Sie beispielsweise einen unserer Forschungsschwerpunkte: die Biomarker. Das sind körpereigene Stoffe, deren Menge im Blut sich während einer Erkrankung verändert. Nach einem Herzinfarkt werden Biomarker wie Enzyme und andere Eiweisse von absterbenden Herzmuskelzellen freigesetzt. Sie sind im Blut nach einem Herzinfarkt in erhöhter Konzentration messbar. Die Bestimmung der Biomarker im Blut von Patienten kann daher in Zukunft eine einfache und wenig belastende Methode zur Einschätzung der Prognose als auch des Therapieverlaufs sein. Allerdings muss man für die Entwicklung von Medikamenten Patienten haben, deren Krankheitsverlauf bekannt ist, um gezielt einzugreifen. Diese Kenntnis über die Patienten haben wir Mediziner. Die Pharmafirmen müssen sich auf unsere Arbeit stützen.

Welche Forschungsgebiete und -projekte sollen zusätzlich mit dem Geld gefördert werden?

Lüscher: Wir möchten zum Beispiel in der Cholesterinforschung neue Therapieansätze vorantreiben. Das von Pfizer entwickelte Cholesterinmittel «Torcetrapib» hat in einer grossen klinischen Studie zu erhöhter Sterblichkeit geführt, so dass Pfizer die Studie im Dezember 2006 abbrach. Wir wollen nun genau verstehen, warum der Wirkstoff, der eigentlich die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen verringern sollte, sich so negativ auswirkte. Wir vermuten nämlich ein innovatives Wirkprinzip; sollte sich diese Hypothese bestätigen, wäre die Entwicklung besserer Substanzen in dieser Medikamentenklasse von grosser Bedeutung für eine Vielzahl von Patienten.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in der Blutdruckforschung; hier gilt unser Hauptinteresse der Identifizierung neuer Gene, die eine entscheidende Rolle im komplexen Geschehen der Blutdruckregulation, des Fettstoffwechsels und der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen. Als weiteren Schwerpunkt befassen wir uns mit den Mechanismen der Blutgerinnung.

Werden Sie viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen?

Lüscher: Für die Cholesterinforschung werden wir eine Forschergruppe aus Hannover anstellen, die viel Erfahrung auf diesem Gebiet einfliessen lässt. Zusätzlich wird ein neuer Oberarzt eingestellt.

Ist im Vertrag mit Pfizer auch enthalten, dass Forschungsergebnisse vorrangig von Pfizer genutzt werden dürfen? Welche Vorteile hat die Universität dabei?

Lüscher: Rechtlich gehört das Patentrecht dem Erfinder und der Universität Zürich. Es ist sicher so, dass Pfizer bei der Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen zu Medikamenten zuerst gefragt wird. Doch liegt das Patent ganz klar bei der Universität. Insgesamt ist das ein guter Deal für die Universität, zumal durch universitäre Forschungsgelder allein die hohen Investitionen in Apparaturen, Material und Personal nicht abzudecken sind.

Die Allianz zwischen der Universität und Pfizer sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftlern von Pfizer und den Forschern der Universität vor. So haben Forscher von Pfizer stets Zugang zu den Projekten. Ist die Unabhängigkeit der Forschung damit nicht gefährdet?

Lüscher: Die Unabhängigkeit muss durch sorgfältige Verträge, die rechtlich und ethisch korrekt sind, gewährleistet werden. Deshalb achten wir darauf, dass unsere Forschung finanziell breit abgestützt ist, so dass keine Abhängigkeit entsteht. Beispielsweise unterstützt uns die «Stiftung für Herz- und Kreislaufforschung». Mehrere Donatoren haben in den letzten Jahren der Stiftung Geld vermacht, eine Summe etwa in der gleichen Höhe, wie wir sie jetzt von Pfizer erhalten. Zusätzlich bekommen wir Gelder vom Nationalfonds und durch EU-Grants.

Heute ist jedoch eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der Industrie ein Muss. Die Universität allein kann die Arbeit nicht leisten, zumal bei der Entwicklung von Molekülen für neue Medikamente gemeinsame Testphasen nötig und vorteilhaft sind.