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«Zwei, plus Englisch»

Die wachsende Bedeutung des Englischen sollte nicht dazu führen, die Landessprachen zu vernachlässigen, meint Professor Urs Altermatt. Der Rektor der Universität Fribourg hielt gestern, Mittwoch, im Rahmen des Wissenschaftshistorischen Kolloquiums einen Vortrag zum Thema «Ist Englisch die Lingua franca in der Wissenschaft?» Mit Blick auf die historische Entwicklung bejahte er die Frage, kritisierte aber die Dominanz englischer Zeitschriften in Publikations-Rankings.
Marita Fuchs

Seit 1945 hat das Englische global an Bedeutung gewonnen. 557'000 Millionen Menschen sprechen weltweit englisch, wobei 60% davon als Erstsprache und 40% als Zweitsprache. Allerdings ist Englisch nicht die meistgesprochene Sprache der Welt: Chinesisch wird doppelt so häufig gesprochen wie Englisch, es folgen Hindi, Spanisch und dann Russisch.

In der Europäischen Union ist Englisch die am häufigsten erlernte Fremdsprache. Somit hat Englisch in der Networking-Society zu Beginn des 21. Jahrhunderts den Stellenwert einer Lingua franca erlangt. Ist Englisch aber auch die Lingua franca in der Wissenschaft? Dieser Frage ging gestern Professor Urs Altermatt, Rektor der zweisprachigen Universität Fribourg, nach. Ursprünglich stamme der Begriff «Lingua franca» von den Kreuzrittern, die im Jahre 1204 in Konstantinopel die «Sprache der Franken» einführten. Altermatt definierte Lingua franca als Sprache, die neben einer Nationalsprache als Verkehrssprache diene. Diese Rolle übernehme das Englische auch in der Schweiz.

Prof. Urs Altermatt, Rektor der Universität Fribourg: Das anzustrebende Sprachenportfolio ist «Zwei, plus Englisch».

Terraingewinn fürs Englische an den Hochschulen

An den Hochschulen zeichne sich ebenfalls der Trend zum Englischen in der Lehre und als Sprache der Publikationen ab. In der Universität Freiburg will man dieser Entwicklung Rechnung tragen und möchte für die Bachelorstufe die Landessprachen gelten lassen, während für die Masterstufe in der Lehre Englisch eingeführt werden soll, sagte Altermatt.

Sei früher noch Latein die grenzüberschreitende Sprache der Wissenschaft gewesen, so ging die Bedeutung des Lateinischen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zusammen mit der Nationalstaatenbildung endgültig zurück. Englisch, Französisch und Deutsch standen als Wissenschaftssprachen lange ziemlich gleichwertig nebeneinander. Jedoch verloren nach dem ersten Weltkrieg Deutsch und Französisch an Terrain. Mit der zunehmenden Bedeutung der USA in der Weltpolitik und den Wissenschaften setzte sich das Englische als Wissenschaftssprache immer mehr durch. «Mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums wurde das Englische noch bedeutender», stellte Altermatt fest.

Heute hat sich an den Hochschulen vor allem in den naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächern das Englische als Unterrichtssprache und vor allem auch als Sprache für Publikationen etabliert. Die Geistes- und Sozialwissenschaften zögen langsam nach, meinte Altermatt. Jedoch würden die Publikationen in den Sozial- und Geisteswissenschaften häufig noch in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht. Das wirke sich auch auf die Publikations-Rankings aus.

Englischsprachige Publikationen dominieren die Rankings

Bei den Rankings würden in der Regel die englischsprachigen Publikationen berücksichtigt, so Altermatt. Sowohl das Times Ranking als auch das Shanghai Ranking hätten englischlastige Zitations-Indices, die zudem häufig auf Veröffentlichungen in Zeitschriften zielten und Buchveröffentlichungen kaum berücksichtigen, so dass das Bild, das ein Ranking vermittle, häufig verfälscht wäre. «Die Rankings bilden die Welt nicht ab, man muss sie in Zweifel ziehen», meinte Altermatt.

Ökonomischer Wert von Fremdsprachenkenntnissen

In der Schweiz ist das Englische mit 1% an den gesprochenen Erstsprachen zahlenmässig unbedeutend, neben 63% Deutsch, 20.4% Französisch, 6.5% Italienisch und 0.5% Rätoromanisch. Die Nationalsprachen würden weiterhin den Alltag prägen, führte Altermatt aus. Das Sprachenpotential der Schweiz sei jedoch auch ein grosser Vorteil. Auf dem Arbeitsmarkt werde die Kenntnis von mehreren Sprachen immer wichtiger. Sobald jemand die Muttersprache des Kommunikationspartners beherrsche, sei eine emotionalere Beziehung möglich, als wenn jede Kommunikation über das Englische abgewickelt würde. Vor allem die Eliten in Politik und Gesellschaft könnten ihre Mehrsprachigkeit im diplomatischen Bereich beispielsweise vorteilhaft einsetzen. Deshalb plädiere er dafür, dass das Englische schon an den Schulen, aber nicht auf Kosten der Mehrsprachigkeit gelehrt werde. Das anzustrebende Sprachenportfolio sei «Zwei, plus Englisch».

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