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Ist «Elektrosmog» gesundheitsschädigend?

Nichtionisierende Strahlung nennen Fachleute die elektromagnetischen Felder, die von Senderanlagen und Empfängergeräten wie Handys, Antennen und Wireless LAN ausgehen. Schädigen sie die Gesundheit, müssen Vorsichtsmassnahmen getroffen werden? Diese Fragen will das Nationale Forschungsprogramm 57 beantworten. Die Universität Zürich ist an diesem Projekt massgeblich beteiligt.
Brigitte Blöchlinger

Von 100 Schweizerinnen und Schweizern haben heute 80 ein Mobiltelefon. Mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner benutzen täglich das Internet, und das drahtlose Surfen mittels Wireless LAN nimmt zu. Um die Risiken der nichtionisierenden Strahlung im Allgemeinen und der mobilen Kommunikation im Besonderen besser einschätzen zu können, hat der Bundesrat das Nationale Forschungsprogramm 57 «Nichtionisierende Strahlung – Umwelt und Gesundheit» (NFP 57) ins Leben gerufen. Das auf vier Jahre anberaumte Forschungsprogramm ist mit fünf Millionen Franken dotiert. Anfang dieses Jahres haben die verschiedenen Forscherteams ihre Untersuchungen offiziell gestartet. Zu den Zielen und Hintergründen des NFP 57 ist vor kurzem eine Informationsbroschüre erschienen.

In Speziallabors werden präzise Strahlungsmessungen durchgeführt.

Auswirkungen des Handys aufs Gehirn

Die Leitungsgruppe des NFP 57 wird vom ehemaligen Prorektor Forschung der Universität Zürich, Prof. em. Alexander Borbély, präsidiert. Die Universität Zürich steuert in der Untersuchung drei wichtige Studien bei. PD Peter Achermann vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie wird sich mit den «Auswirkungen von pulsmodulierten elektromagnetischen Feldern im Mobilfunkbereich auf das menschliche Gehirn» beschäftigen. Achermann präsentierte im vergangenen Juni eine Studie, die keinen nachweisbaren Einfluss auf das Wohlbefinden oder die kognitiven Fähigkeiten von Menschen finden konnte, die für kurze Zeit der Strahlung einer Mobilfunkantenne ausgesetzt waren. Im Rahmen des NFP 57 wird Achermanns Projekt den Fokus nun auf «kritische Feldparameter, Ort der Interaktion und Sensitivität in der frühen Adoleszenz» richten. «Unser Projekt interessiert sich dafür, wie das Telefonieren mit dem Handy am Ohr einerseits auf das erwachsene Gehirn wirkt, andererseits auf das Gehirn junger Menschen, das sich noch entwickelt», erklärt Acherman den Schwerpunkt seines Forschungsunterfangens.

Messsystem entwickeln

PD Martin Peter Wolf von der Klinik für Neonatologie am Universitätsspital Zürich untersucht mit Nahinfrarot-Imaging die Effekte von UMTS-Feldern auf die Gehirndurchblutung. «Wir möchten diese nicht-invasive Methode dahingehend entwickeln, dass ein Messsystem zur Verfügung steht, mit dem mögliche Effekte elektromagnetischer Felder rasch entdeckt werden können», so Wolf.

Die Sorgen der Bevölkerung besser verstehen möchte das NFP-57-Modul «Risikowahrnehmung» unter der Leitung des Sozialpsychologen PD Michael Siegrist vom Psychologischen Institut der Universität Zürich. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, die Bevölkerung nach Abschluss der Studien über die gewonnenen Erkenntnisse adäquat zu informieren. Das bedeutet: Die Menschen vor möglichen Gesundheitsschäden zu warnen, ohne sie unnötig zu beunruhigen, und die Risiken verhältnismässig darzustellen, ohne sie zu verharmlosen.

In Zellen und Modellorganismen lassen sich kleinste Auswirkungen von elektromagnetischer Strahlung erforschen.

Die Forschungsgruppe um Michael Siegrist untersucht insbesondere die Rolle des Affekts, das heisst der Gefühle und Stimmungen, bei der Bewertung von Risiken. Neuere Studien lassen nämlich darauf schliessen, dass der Affekt bei der Entwicklung von Haltungen und Meinungen zu elektromagnetischen Feldern eine wichtige Rolle spielen könnte. Siegrist Studie will nun aufzeigen, mit welchen Gefühlen und Stimmungen Menschen auf unterschiedliche Technologien reagieren und wie diese Affekte die Wahrnehmung der damit verbundenen Risiken beeinflussen. «Wir vermuten, dass das Wissen eine untergeordnete Rolle für die Risikowahrnehmung bei Handys und Basisstationen spielt. Viel wichtiger dürften Assoziationen und Affekte sein, welche durch Technologien ausgelöst werden. Unsere Forschung wird zeigen, ob es möglich ist, mittels Informationsvermittlung die Risikowahrnehmung zu beeinflussen», sagt Siegrist über sein Projekt.

Internationale Vernetzung notwendig

Die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Strahlung auf den Menschen werden seit einigen Jahren weltweit erforscht. Viele Fragen konnten bis anhin aber noch nicht abschliessend beantwortet werden. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass hoch dosierte elektromagnetische Felder biologisches Gewebe erwärmen und dass diese thermischen Effekte die Zellen schädigen und zu gesundheitlichen Problemen führen können. Was nun aber die im Alltag verbreitete schwache, niedrig dosierte Strahlung gesundheitlich bewirkt, ob es innerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzwerte andere als thermische Effekte gibt, ist Gegenstand des NFP 57. Um die offenen Fragen im Zusammenhang mit elektromagnetischer Strahlung umfassend beantworten zu können, ist eine Koordination der Forschung weltweit nötig. Das NFP 57 trägt durch eine starke Vernetzung auch mit ausländischen Forschern und Programmen zu den internationalen Anstrengungen bei.