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«Sicherheit: Forderungen und Herausforderungen»: Zu diesem Thema sprach Bundesrat Samuel Schmid am Mittwoch Abend an der Universität Zürich. Doch zunächst stand die Sicherheit des Gastes und des Anlasses selbst im Zentrum. Nachdem am Vortag die Universität mit Sprayereien gegen den Besuch Schmids beschmiert worden war, wurden die Sicherheitsvorkehrungen für den Vortrag erhöht.
Zahlreiche Securitas-Leute und Taschenkontrollen empfingen die Besucherinnen und Besucher an den Eingängen; Männer in schwarzen Anzügen mit Knöpfen im Ohr liessen ihren professionell wachsamen Blick über das Publikum schweifen. Am Anlass selber war dann aber von einem möglichen Sicherheitsrisiko nichts zu spüren. Engagiert und ungestört konnte Samuel Schmid über die veränderte Sicherheitslage und über die Konsequenzen sprechen, die sich daraus für die Schweizer Armee ergeben.
Im Gegensatz zu seiner aktiven Zeit im Militär stehe heute nicht mehr die Bedrohung der Schweiz durch einen anderen Staat im Vordergrund, erläuterte Schmid. Die Armee müsse sich nicht mehr in Stellungen eingraben sich auf einen Panzerkrieg vorbereiten. Vielmehr sei die Sicherheit heute eher durch nicht-staatliche Gruppen gefährdet. Diese operierten unabhängig von staatlichen Strukturen und auch unabhängig von Völker- und Kriegsrecht.
Solchen Gruppen stehen weitgehend dieselben Waffenarsenale zur Verfügung, wie sie auch staatliche Armeen haben. Es gebe einen Markt für fast alle Waffen, so Schmid: «Sagen sie mir, welche Boden-Luft-Rakete sie wollen, und ich kann ihnen den Preis dafür nennen». Man müsse davon ausgehen, dass sogar kleine Atombomben im Umlauf seien, so Schmid. Es habe auch schon Drohungen für Anschläge mit einer «Mini-bombe nucléaire» für Ziele auch in der Schweiz gegeben.
«Innere und äussere Sicherheit lassen sich in der heutigen Zeit nicht mehr trennen», fasste Schmid diese Veränderungen zusammen. Diese Erkenntnis hätten viele zwar intellektuell nachvollzogen, aber sie sei häufig noch nicht wirklich ins Bewusstsein gedrungen. So sind die Strukturen in der schweizerischen Sicherheitspolitik nach wie vor nach innerer und äusserer Sicherheit getrennt. Erstere ist Sache der Polizeibehörden – also in erster Linie der Kantone, letztere Auftrag der Armee.
Auch bei der Aufgabe der Armee stehe heute nicht mehr der Kampf gegen Panzer im Vordergrund, sondern die subsidiäre Unterstützung der Polizeikräfte beim Schutz der inneren Sicherheit, etwa bei der Bewachung von Botschaften oder der Sicherung von Anlässen. Denn in diesem Bereich kommen immer grössere und aufwändigere Aufgaben auf die Kantone und die Polizeikorps zu.
Die Sicherung internationaler Konferenzen etwa, wie sie regelmässig am UNO-Sitz in Genf stattfänden, brauchten mehrere Tausend Sicherheitsleute. Diesen Schutz müsse die Schweiz jederzeit auch kurzfristig gewährleisten können, wolle sie weiterhin solche Konferenzen beherbergen. Es gebe deshalb keine andere Möglichkeit, als dass die Armee verstärkt subsidiäre Einsätze im Bereich der inneren Sicherheit leiste, erklärte Schmid.
Dabei komme die Schweiz nicht darum herum, Partnerschaften mit anderen Ländern einzugehen. Sei dies im Bereich der Nachrichtendienste, «damit wir uns überhaupt ein Bild der Lage machen können», so Schmid, oder bei der Luftüberwachung: «Ohne Frankreich können wir den Luftraum über Genf nicht sichern.» Es gehe hier aber nicht um die Einbindung in militärische Bündnisse, sondern um operative Partnerschaften.
Schmid, der in letzter Zeit mit seinen Ideen zur Armeereform politisch schwere Zeiten durchmachte, bewegte sich an der Universität mit seinen Ausführungen auf sicherem Grund. Weder fanden die angekündigten Störmanöver statt, noch geriet Schmid in der Diskussion ins Kreuzfeuer. Einen vielleicht maliziös gemeinten Vorschlag aus dem Publikum, die Konsequenz aus der These zu ziehen, dass innere und äussere Sicherheit nicht mehr zu trennen seien, und das Verteidigungsdepartement ins Departement für auswärtige Angelegenheiten einzugliedern, parierte er mit Humor und bemerkte scherzhaft: «Ich bin gerne bereit, morgen das Aussenministerium zu übernehmen.»