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Schätzungsweise zehn Prozent der Bevölkerung eines Landes sind von Schwerhörigkeit betroffen, in der Schweiz gibt es rund 700’000 Hörgeschädigte. Viele davon tragen ein Hörgerät. Manchen ist jedoch mit einem konventionellen Hörgerät nicht zu helfen, etwa bei chronischen Ohrentzündungen.
Bisher verloren solche Patienten ihr Hörvermögen. Mit einer neuen Technik, der «PORP», kann ihnen jetzt geholfen werden. Am Universitätsspital wurde im April dieses Jahres erstmals eine solche Hörprothese im Mittelohr eingesetzt. Der betroffenen Patientin geht es nach vier Monaten damit gut. «Sie ist sehr zufrieden und kann mit dem Implantat gut hören», sagt Alexander Huber, Otologe und Privatdozent am Universitätsspital Zürich, der auch die Operation durchführte und diese auf dem «MEMRO 2006 Symposium» in Zürich der Fachwelt vorstellte.
Die von Alexander Huber implantierte Prothese ist aus Titan gefertigt und sehr klein.
Neu ist im Gegensatz zu bisher bekannten Implantaten, wie zum Beispiel dem Cochlea-Implantat, dass keine elektrischen Signale übertragen werden, sondern einerseits die defekte Gehörknöchelchenkette wieder aufgebaut wird und zusätzlich auf mechanische Weise diese in Schwingungen versetzt wird. Ein kleiner Schwingungskörper wird direkt auf der Gehörknöchelchenkette platziert. Die akustischen Schwingungen werden dadurch aktiv verstärkt und gleichen so den Hörverlust des Innenohrs aus.
Von Vorteil für die Patientinnen und Patienten ist dabei, dass der Ohrkanal frei bleibt und das Restgehör nicht, wie beispielsweise bei einem Hörgerät blockiert wird, sondern es kann weiterhin benutzt werden. Die direkte Ankopplung an die Gehörknöchelchen führt zu einer verbesserten Hörqualität. «Das Gerät erlaubt passive und aktive Übertragung und macht Hören wieder möglich», sagt Alexander Huber, der den Erfinder des Gerätes bei seinem Forschungsaufenthalt in Stanford, USA, kennen gelernt hat.
Das Gerät ist von aussen nicht sichtbar. Direkt am Kopf wird lediglich ein kleiner Audioprozessor angebracht, der das Mikrophon und die Batterie enthält. Er kann im Haar getragen werden und wird mittels eines Magneten festgehalten, der unter der Kopfhaut implantiert wurde. Auf die Frage, ob die neue Technik auch eine Alternative sein könnte für Hörgeräteträger, die sich gegen eine «akustische Krücke» aus rein ästhetischen Gründen wehren, winkt Alexander Huber ab. «Für die Operation muss ein medizinischer Grund vorliegen, und die Hörgeräte sind in der Regel heute auch sehr gut.»
Für die von Alexander Huber operierte Patientin kam nur diese Behandlung in Frage, da sie auf einem Ohr eine chronische Entzündung hatte und deshalb kein Hörgerät tragen konnte. Das herkömmliche Hörgerät drückte äusserst schmerzhaft im schwitzenden und entzündeten Gehörgang. Als sich das Gehör im bisher gesunden Ohr ebenfalls verschlechterte, drohte ihr eine erhebliche Schwerhörigkeit.
Schwerhörigkeit bedeutet mehr als nur das Nachlassen eines Sinnes. Die Ohren sind als Empfänger ein wichtiges Glied in der Kommunikationskette. Sie ermöglichen den sprachlichen Kontakt zu anderen Menschen. Wenn diese Verbindung unterbrochen ist, fühlen sich Betroffene oft wie zugekorkt und ziehen sich häufig zurück.
«Notwendig und nützlich ist ein solches Implantat dann, wenn eine kombinierte Schwerhörigkeit vorliegt», sagt Alexander Huber. «Das ist bei Patienten der Fall, bei denen sowohl ein Schallleitungs- und als auch ein Schallempfindungshörverlust vorliegt.» Die Schallleitungsschwerhörigkeit entsteht durch Krankheiten, welche die Schallübertragung durch das äussere und das Mittelohr beinträchtigen. Der Schallempfindungshörverlust betrifft das Innenohr oder die Nervenbahnen.
Normalerweise gelangt der Schall durch das Aussenohr in das Mittelohr, wo er über die Gehörknöchelchen verstärkt und über das Trommelfell in das Innenohr übertragen wird.
Alexander Huber wird jetzt nach der weltweit ersten Operation eine europäische Studie starten. Der Einsatz des neuen Gerätes wird in sieben Kliniken in Österreich, Frankreich, Italien, Deutschland und der Schweiz getestet. Die Ergebnisse werden im Universitätsspital Zürich ausgewertet.