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Forschung für die Psyche

Weil die Patienten immer komplexere Geschichten mitbringen, baut die Psychiatrische Universitätsklinik ihre spezialisierten Angebote aus. Professor Daniel Hell erläutert am Beispiel der Klinik für affektive Erkrankungen, welche Entwicklungen geplant sind und welche Rolle die Forschung für die Behandlung spielt.
Adrian Ritter

Die sinkende Aufenthaltsdauer der stationären Patienten erlaubt einen Abbau der Betten, was Ressourcen ergibt für neue ambulante und teilstationäre Angebote: Psychiatrische Universitätsklinik Zürich. 

Die Psychiatrische Universitätsklinik (PUK) sei heute nicht mehr an der Anzahl Betten zu messen, sondern an den Behandlungsangeboten, erklärte Spitaldirektor Kurt Trösch an der gestrigen Jahrespressekonferenz. Einerseits nehme die Zahl der Patientinnen und Patienten an der PUK weiterhin zu, andererseits sinke die durchschnittliche Aufenthaltsdauer nach wie vor und betrage heute 32 Tage.

Tagesklinik und neue Sprechstunde

Dies erlaubt es gemäss Professor Daniel Hell, die Bettenzahl weiter zu reduzieren und die frei werdenden Mittel für die Stärkung von ambulanten und teilstationären Spezialangeboten zu verwenden.

Professor Hell leitet unter anderem die Klinik für affektive Erkrankungen, welche insbesondere Menschen mit Depressionen, Ängsten und Zwängen behandelt. Eine neue Tagesklinik soll ab Herbst 2006 Patientinnen und Patienten eine Tagesstruktur und Therapieangebote bieten. Ausgebaut wird auch das ambulante Angebot, indem ab Mai eine Sprechstunde für Erwachsene mit einem Aufmerksamkeitsdefizit eingerichtet wird.

unipublic: Herr Professor Hell, warum braucht es mehr solche spezialisierten Angebote?

Prof. Hell: Es gibt immer mehr Patientinnen und Patienten mit komplexen Krankheitsbildern. Auch diesen möchten wir in Zukunft Angebote machen, die es ihnen erlauben, weiterhin in ihrem bisherigen Umfeld zu wohnen und trotzdem das Fachwissen und die spezialisierten Behandlungen der PUK in Anspruch zu nehmen.

Prof. Daniel Hell, Leiter der Klinik für affektive Erkrankungen: «Die Forschung soll helfen, die Therapien weiter zu differenzieren, indem wir mehr darüber erfahren, welche Gruppen von Patienten auf bestimmte Behandlungen besonders gut ansprechen.»

Warum gibt es mehr Menschen mit komplexen Krankheitsbildern?

In unserer modernen Gesellschaft haben immer mehr Menschen Brüche im Lebenslauf, was zu Identitätsproblemen und Störungen wie eben Depressionen und Angsterkrankungen führen kann. Komplexer wird die Behandlung nicht zuletzt auch darum, weil in unserer Gesellschaft immer mehr Medikamente konsumiert werden. Patienten, die sich an die PUK wenden, nehmen oft eine Vielzahl von Präparaten ein. Mit den möglichen Wechselwirkungen dieser Medikamente umzugehen, bedingt viel Erfahrung und Wissen.

Somit wird es immer schwieriger, psychisch kranken Menschen zu helfen?

Gerade bei Menschen, bei denen mehrere solcher Faktoren ins Spiel kommen, ist tatsächlich mit einer verschlechterten Prognose zu rechnen. Mit unserem breiten Angebot, das von der medikamentösen Behandlung über Psychotherapie bis zur Bewegungstherapie reicht, scheinen wir allerdings auf einem guten Weg zu sein. Eine unserer Forschungsgruppen hat soeben den Verlauf von Depressionen bei unseren stationären Patienten evaluiert. Demnach gelingt es uns auch bei schweren und lang anhaltenden Depressionen, innerhalb von vier Wochen den Schweregrad der depressiven Symptome und der Angstsymptome zu halbieren.

Welche Bedeutung hat die Forschung allgemein für die Psychiatrie?

Die Forschung soll einerseits helfen, Phänomene wie Depression oder Angst besser zu verstehen. Wir wenden dazu beispielsweise das vom Institut für Biomedizinische Technik von Universität und ETH Zürich neu entwickelte Verfahren der Spektroskopie an. Dieses erlaubt es, mit elektromagnetischer Strahlung die Aktivität der Neurotransmitter im Gehirn präziser zu messen. So konnten wir zeigen, dass die Konzentration des so genannten GABA Neurotransmitters in einem bestimmten Hirnareal direkt mit der Schwere der Depression korreliert.

Bildgebende Verfahren werden auch bei einer aktuellen Studie eingesetzt, die den Zusammenhang zwischen Fühlen und Denken bei Depressiven untersucht. Das Wissen darum, inwiefern depressive Gefühlszustände auch über das Denken und somit das Gespräch zugänglich sind, ist für die Psychotherapie zentral.

Die Forschung hilft also sehr direkt, die Therapien zu verbessern?

Ja, und sie hilft auch, unser Angebot an Therapien weiter zu differenzieren. Dies insbesondere, wenn wir mehr darüber erfahren, welche Gruppen von Patienten auf bestimmte Behandlungen besonders gut ansprechen. Eine Forschungs- gruppe untersucht beispielsweise, welchen Einfluss die genetische Veranlagung auf die Wirkung von Psychopharmaka hat. Gespannt sind wir auch auf eine seit Herbst 2005 laufende europäische Studie, an der wir beteiligt sind. Sie wird die Wirksamkeit von medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung und deren Kombination vergleichen. Erste Resultate werden für 2007 erwartet.