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Punkto Medienkonsum leben immigrierte Jugendliche gar nicht so stark in einer Parallelgesellschaft, wie gemeinhin angenommen wird. Das ist eine der zentralen Aussagen der neuen Studie, die vom Institut für Publizistik und Medienwissenschaft (IPMZ) der Universität Zürich und der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH), zusammen mit der Stiftung Bildung und Entwicklung, der Bildungsdirektion des Kantons Zürich und dem NFP 52 «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen» durchgeführt wurde. Junge Menschen mit Migrationshintergrund zeichnen sich im Gegenteil durch hohe Individualität aus. Viele von ihnen suchen bewusst den Zugang zu globalen Medienangeboten. Sie fühlen sich sowohl in der Kultur ihres Herkunftslandes als auch in der Schweiz wohl; hier agieren sie vor allem an ihrem Wohnort und sind in ihrem lokalen Beziehungsnetz verankert; gleichzeitig fühlen sie sich auch Bekannten und Verwandten, die weit von ihnen entfernt leben, verbunden.
Junge Immigrierte und ihre Eltern erwarten viel vom Schweizer Bildungssystem und setzen grosse Hoffnungen in die Zukunft. Sie sind bereit, einen entsprechenden Einsatz zu leisten. «Diese hohen Bildungsaspirationen stehen im Widerspruch zu der immer noch existierenden schulischen Benachteiligung von Kindern aus fremdsprachigen Familien», schreiben die Referenten Prof. Heinz Bonfadelli (IPMZ) und Heinz Moser, Abteilungsleiter Unterrichtsprozesse und Medienpädagogik an der PHZH im Tagungsprogramm. Doch trotz der schwierigen Umstände sind die Jugendlichen «mehrheitlich zufrieden und zuversichtlich» mit ihrer Situation.
An der Tagung werden neben dem Medienkonsum der Immigrierten noch andere neue Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zu Jugend und Migration behandelt. So hat sich eine ethnograpische Feldforschung der PHZH mit den «Lernwelten im Alltag tamilischer Mädchen und ihrer Mütter» in Zürich beschäftigt. Dabei interessierte, wie die tamilischen Mädchen und Mütter ihren gelebten Alltag in der Familie, im Quartier, in der tamilischen Exilgemeinde und in den besuchten Bildungs- und Freizeitinstitutionen sahen und deuteten.
Ein weiterer Tagungsbeitrag beschäftigt sich mit den Integrations- und Ausgrenzungsprozessen von Jugendlichen, die von der Schule in die Berufsausbildung wechseln. Gemeinhin gilt dieser erste Übergang in die Arbeitswelt als prekäre Lebensphase voller Unsicherheiten, die nach einer Neuorientierung des Jugendlichen verlangen. Immigrierte in der Ausbildung müssen neben den bekannten Schwierigkeiten von Pubertierenden zusätzlich mit widersprüchlichen Anforderungen umgehen lernen und sich eine gesellschaftliche Zugehörigkeit zu sichern versuchen. Für diese Zeit- und Energie-intensive Neuorientierung greifen sie auf unterschiedliche Strategien und Muster zurück.
Eine Untersuchung des Instituts für Populäre Kulturen der Universität Zürich hat sich mit Kindertreffpunkten und jugendkulturellen Szenebildungen in Neu-Oerlikon und deren Schnittstellen mit der Erwachsenenwelt auseinander gesetzt. Welche Vorstellungen hatten die Stadtbehörden und Planenden vom neu zu bauenden Quartier, und wie eignen sich die Kinder und Jugendlichen den öffentlichen Raum an? Wo ergeben sich Konfliktfelder und wie werden Lösungen entwickelt? Das sind zentrale Fragen, die an der Tagung behandelt werden.
Gespannt sein darf man auf den Beitrag von Osman Osmani, Stellenleiter Offene Jugendarbeit Zürich-Affoltern und Leiter Pro Integra, Fachstelle für Migationsfragen SH/ZH. Er wird über die spezifischen interkulturellen Integrationsaufgaben, die immigrierte Jugendliche im Elternhaus, in der Freizeit und im Beruf lösen müssen, berichten. Der Referent plädiert für einen positiven Denkansatz: Die immer noch verbreitete Defizit- und Problemorientierung sollte vermehrt ergänzt werden durch eine Sichtweise, welche die immigrierten Jugendlichen als Mitglieder der Gesellschaft sieht, die besondere nutzbare Qualitäten einbringen können.
Ebenfalls Praxisbezug weist der Tagungsbeitrag des Leiters der Winterthurer Bibliotheken, Hermann Romer, auf: Romer erzählt von den Erfahrungen, die in der neuen Stadtbibliothek mit der «Jugendbibliothek U21» und der Integrationsbibliothek «ib» für Fremdsprachige gemacht wurden.
Am nahsten an der «Praxis» wird jedoch der Beitrag der Schülerinnen und Schüler der 2. Sekundarklasse C aus der Quartierschule Riedtli in Zürich sein: Sie spielen an der Tagung kurze Szenen aus ihrer Lebenswelt.