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Mit dem Kopf durch den Wald

Wie orientieren sich Mäuse im Laborversuch, Tauben im Flug und Orientierungsläufer im unbekannten Gelände? Eine Veranstaltung der Brainfair lieferte Antworten aus Praxis und Forschung.
Adrian Ritter

Hilft zwar Orientierungsläufern, für Tauben aber ungegeignet: Kompass als Hilfsmittel zur Orientierung. Tauben orientieren sich am Stand der Sonne, dem Erdmagnetfeld, Gerüchen und geographischen Leitstrukturen wie Strassen.

Ob sie sich denn noch nie so richtig verirrt habe, wollte Gesprächsleiter Steffen Lukesch (SF DRS) von Brigitte Grüniger wissen. Die junge Orientierungsläuferin, seit elf Jahren im OL-Nationalkader und vierfache Schweizermeisterin, musste zugeben, dass es auch ihr schon passiert sei. Bei einer europäischen Meisterschaft sei ihr ein «klassischer Fehler» unterlaufen, indem sie ihre Karte nach Süden statt nach Norden ausgerichtet habe.

Die hohe Schule der Orientierung: Für Brigitte Grüniger, vierfache Schweizermeisterin im Orientierungslauf, entstehen beim Betrachten von Landkarten bereits dreidimensionale Vorstellungen der Landschaft.

Ausgerechnet die beiden einzigen erlaubten Hilfsmittel beim Orientierungslauf, Karte und Kompass, waren ihr somit zum Verhängnis geworden. Ansonsten setzen Orientierungsläufer vor allem auf Erfahrung und Gefühl, wie Grüniger in ihrem Referat mit dem Titel «Mit dem Kopf durch den Wald» ausführte.

Zu Beginn einer OL-Karriere seien Strassen, Häuser und Bäche als Orientierungspunkte wichtig, später gehöre es zur hohen Schule, beim Betrachten der Höhenkurven auf der Karte bereits ein dreidimensionales Bild der Landschaft zu entwickeln. Für welches Dickicht und für welchen Hügel sich wohl ein Umweg lohnt, diese Frage zu beantworten sei dann aber vor allem eine «Gefühlssache», so Grüniger.

Untersucht das Orientierungsverhalten von Mäusen im Schwimmversuch: Prof. David Wolfer vom Anatomischen Institut der Universität Zürich.

Schwimmen und Erinnern

Auf der Suche nach Orientierungspunkten in ihrer Umgebung sind jeweils auch die Labormäuse von Professor David Wolfer am Anatomischen Institut der Universität Zürich. Beim so genannten «Schwimmnavigationsversuch» werden sie vor die Aufgabe gestellt, in einem Wasserbecken eine schwimmende Plattform zu finden. Da diese durchsichtig ist, kann sie zu Beginn nur durch Zufall entdeckt werden. In der Folge können Gedächtnis und Orientierungspunkte im Versuchsraum den Mäusen aber helfen, die Plattform rasch wieder zu finden, wobei die Tiere beachtliche Leistungen zeigen.

Ausfälle des räumlichen Gedächtnisses traten auf, wenn die Mäuse genetisch so verändert werden, dass sie Anomalien aufwiesen, die sich beim Menschen als Alzheimer oder Formen von geistiger Behinderung zeigen. Nach einer Behandlung der «Alzheimer-Mäuse» mit Wirkstoffen, welche die für Alzheimer typischen Plaques im Gehirn abbauen, waren die Testergebnisse wieder besser. David Wolfer hofft deshalb, dass die Forschung entsprechende Behandlungen auch für Menschen wird entwickelt können.

Ob Gehirntraining einer demenziellen Erkrankung vorbeugen kann, ist bisher nicht erwiesen: Der Gerontopsychologe Prof. Mike Martin.

Wenn die Dimensionen schwinden

Wie sich der normale Alterungsprozess und Demenzerkrankungen beim Menschen auf die visuell-räumliche Orientierung auswirken, darüber berichtete der Professor Mike Martin vom Psychologischen Institut der Universität Zürich. Dass die Linse im Auge im Alter weniger elastisch sei und sich langsamer hellem Licht oder Dunkelheit anpasse, sei ein normaler Alterseffekt. Zu den typischen Symptomen von Alzheimer gehören Schwierigkeiten bei der räumlichen und visuellen Orientierung. Diese hängen aber nicht mit den Augen, sondern mit der Verarbeitung von Information im Gehirn zusammen.

Anschaulich zeigte Martin die Auswirkungen einer Demenz am Beispiel eines erkrankten Malers, dessen Bilder langsam an Dreidimensionalität verloren. Ob umgekehrt Gehirntraining ein Schutzfaktor vor Alzheimer sein könne, wie Martin gefragt wurde, das sei bis heute nicht erwiesen.

Dem Taubenflug auf der Spur: Professor Hans-Peter Lipp vom Anatomischen Institut der UZH analysiert die Flugwege und Hirnströme von fliegenden Tauben.

GPS auf dem Rücken

Zweierlei muss wissen, wer sich orientieren will, betonte Professor Hans-Peter Lipp vom Anatomischen Institut der Universität Zürich. Einerseits braucht es einen Sinn für die eigene Position und andererseits für die Richtung, die man einschlagen will. Lipp erforscht seit vielen Jahren, wie Tauben diese Aufgabe lösen, wenn sie bis zu 1000 Kilometer zurücklegen, um zu ihrem Schlag zurückzukehren.

Die Tiere scheinen sich an der Position der Sonne, dem Erdmagnetismus, Gerüchen und geographischen Leitstrukturen wie Strassen und Küstenlinien zu orientieren, wobei der Beitrag der einzelnen Faktoren noch nicht geklärt ist. Hatten die Forscher Tauben in den letzten Jahren GPS auf dem Rücken befestigt, um ihre Flugwege aufzuzeichnen, so werden in Zukunft gleichzeitig die Hirnströme der fliegenden Tiere analysiert werden.

Neuronaler Jungbrunnen

Als aufschlussreich erwies sich der Blick ins Gehirn gemäss Lipp auch beim «absoluten Meister der tierischen Orientierung», der nektarfressenden Fledermaus. Im Hippocampus entdeckten die Forscher Nervenzellen, die keinen Alterungsprozess durchgemacht hatten. Bei der Fledermaus scheint dies zu einer «lebenslangen Erhaltung der Merkfähigkeit» geführt zu haben.

Beim Menschen sind solche «juvenilen Nervenzellen» bisher nur aus dem Kleinhirn bekannt. Wenn das Programm für einen «neuronalen Jungbrunnen» genetisch verfügbar ist, so könnte sich gemäss Lipp der Versuch lohnen, es auch im menschlichen Hippocampus zu aktivieren, um die Gedächtnisleistung zu verbessern.

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