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In seinen Werken hat der norwegische Dramatiker Henrik Ibsen in einer von strenger Moral und strikten Rollenvorstellungen geprägten Gesellschaft an Tabus gerüttelt und Widerspruch provoziert. Und noch heute sind die Themen seiner Werke zentral in der gesellschaftlichen und politischen Debatte, wie Königin Sonja zur Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag abend im Schiffbau in Erinnerung rief.
Er habe sich in den vergangenen zwei Tagen einen «royalistischen» Sprachschatz zugelegt, bemerkte Bundespräsident Leuenberger in seiner Begrüssungsansprache. Deshalb könne er sagen, die Ausstellungseröffnung setze dem zweitägigen Staatsbesuch des norwegischen Königspaares die «Krone» auf. Die Ausstellung «Dichten bedeutet Sehen» im Schiffbau ist Teil der weltweiten Aktivitäten, mit denen Norwegen seinem berühmtesten Dramatiker dieses Jahr seine Ehre erweist.
Das deutsche Seminar der Universität, die UniFrauenstelle und Das Kompetenzzentrum Gender Studies organisierten zusammen mit die Fachstelle für Gleichberechtigungsfragen des Kantons Zürich anlässlich des Ibsen-Gedenkjahres und des Staatsbesuches im Vorfeld der Eröffnung ein Symposium. Unter dem Titel «Quoting Nora» gingen Literaturwissenschaftlerinnen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft der Frage nach der Relevanz von Ibsens Drama «Nora oder ein Puppenhaus» in der aktuellen Debatte um die Gleichstellung der Geschlechter nach.
Ausgehend vom dem im Begriff «quoting» angelegten Wortspiel (zitieren bzw. Quoten) diskutierten Barbara Haering, Grete Faremo, Björn Johansson und Christa Tobler den Nutzen von Quoten als Instrument zur Erreichung der Gleichstellung. Mit seiner Skepsis gegenüber Quoten lancierte Universitäts-Rektor Hans Weder die Diskussion bereits mit seiner Grussadresse. Für Weder schaffen Quoten neue Zwänge: «Zwänge können aber nicht das Gute schaffen, sie können höchstens das Böse verhindern».
In der Diskussion waren die Positionen schnell geklärt und zwar – Zufall? – entlang der Geschlechtergrenze. Während die Frauen die Einführung von Quoten als sinnvolles und Notwendiges Instrument zur Erreichung der tatsächlichen Gleichstellung begrüssten, legte der auf die Suche von Top-Kaderkräften spezialisierte Björn Johansson gleich zu Beginn ein Glaubensbekenntnis gegen Quoten ab: «Es ist eine Illusion, dass Quoten die Gleichstellung fördern und es ist falsch».
Zudem sei es gar nicht möglich, genügend qualifizierte Frauen für Führungspositionen zu finden. Als einer der führenden Kadervermittler in der Schweiz mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung, wisse er, wovon er spreche. «Ich lebe in der realen Welt», so Johansson, «Sie werden die Frauen nicht finden.»
Dem widersprach Grete Faremo, ehemalige Justizministerin Norwegens und heute Direktorin bei Microsoft. Die wohlgemerkt rechtsbürgerliche norwegische Regierung hat anfang des Jahres ein Gesetz verabschiedet, wonach in den Verwaltungsräten der börsenkotierten Firmen jedes Geschlecht mindesten mit 40 Prozent vertreten sein muss. Bis ins Jahr 2007 müssen so rund 600 – 700 Frauen neu in diese Führungspositionen gewählt werden.
«Es gibt die Frauen, welche die nötige Qualifikation haben, diese Positionen zu besetzen» erklärte Faremo, «denn ich habe tagtäglich mit ihnen zu tun.» Wenn behauptet werde, es gebe nicht genügend qualifizierte Frauen dann habe dies nicht mit Fakten, sondern mit der Haltung zu tun. Denn in der Ausbildung an den Universitäten liege der Frauenanteil bereits bei 50 Prozent. «Am Ende geht es um einen Machtkampf», stellte Faremo fest.
Für Barbara Haering, Unternehmerin, Nationalrätin und Mitglied des Universitätsrates der Universität Zürich ist die Definition von Kompetenz und Qualifikation der entscheidende Punkt. «Die Definition von Kompetenz ist nicht geschlechtsneutral» so Haering. Deshalb brauche es Quoten, zumindest um solche geschlechterbedingten Strukturen aufzubrechen. «Es braucht dort Quoten, wo die Old-Boys-Networks noch regieren», erklärte Haering. In der Politik habe beispielsweise erst die Einführung von internen Quoten für die Wahllisten in ihrer Partei dazu geführt, dass tatsächlich auch Frauen in die Ämter gewählt worden seien.
Aus Sicht des europäischen Rechts zeigte sich Europarechtlerin Christa Tobler, Professorin am Europa Institut der Universität Basel, zwar skeptisch zur Einführung von Quoten. «Das EU-Recht erlaubt keine Regelungen, die Frauen automatisch bevorzugen.» Eine Quotenregelung dürfe den Aspekt der Qualifikation nicht ganz ausser Acht lassen, erklärte sie. Tobler befürwortet jedoch ebenfalls Quotenregelungen, denn die Förderung der Frauen müsse durch starke politische Massnahmen unterstützt werden. «Wir können nicht warten, bis sich die Überzeugungen geändert haben» so Tobler.
«Politische Zwänge können helfen, Überzeugungen zu ändern», ist auch Grete Faremo überzeugt. Quoten könnten den Frauen insofern helfen, als sie Vorbilder und Rollenmodelle schaffen würden, mit denen sich Frauen identifizieren könnten. «Die Frauen sind auf den Chefetagen nicht willkommen, sie müssen sich hineindrängen und dies auch wollen.» Dazu benötige es aber auch Förderung von politischer Seite und ein Umfeld mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Blockzeiten an den Schulen und so weiter. Erst dies ermögliche Frauen, unterbruchslos berufstätig zu sein, auch wenn sie Kinder haben,
Die Brücke zurück zu Ibsen schlugen die Professorinnen Unni Langas vom Agder University College in Norwegen und Barbara Naumann von der Universität Zürich.
«Nora» sei ein Spiel im Spiel, erklärte Naumann, in dem insbesondere die Figur der Nora sehr verschiedene Rollen einnehme. Für Nora gebe es den Unterschied zwischen Spiel und Leben nicht. Nora spielt die Mutter, die begehrenswerte Frau, die unmündige Gattin. Doch heimlich wagt sie sich auch an die den Männern vorbehaltenen Rollen, was schliesslich die Katastrophe auslöst.
Der Einfluss von Ibsens Figur Nora liege darin begründet, dass sie sich in einer Welt mit strikten Rollentrennung als Frau männliche Handlungsweisen aneigne, erklärte Langas. Damit verstosse sie einerseits gegen das Gesetz, das Frauen damals die Tätigung gewisser Geschäfte verbot, andererseits gegen die ungeschriebenen gesellschaftlichen Konventionen.
Was in Ibsens Zeit ein Verstoss gegen Gesetz und Konvention war, war für Nora eine heldenhafte Tat, aus der sie Stolz und Selbstachtung schöpft: «Aber es war trotzdem riesig unterhaltend, so zu arbeiten und Geld zu verdienen» gesteht sie im ersten Akt. «Ich kam mir beinahe wie ein Mann vor.»