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Hinter dem neuen Studiengang steht das Konzept, ein ganzheitliches, die traditionellen Fächergrenzen überschreitendes Studium der Antike anzubieten.Ein ähnliches Angebot hat in angelsächsischen Ländern unter der Bezeichnung «Classics» Tradition.
Gegenstand des Faches ist die gesamte Überlieferung der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation: von ihren frühsten Zeugnissen in mykenischer Zeit (ca. 1500 bis 1200 v. Chr.) über die erste Hochblüte im 8. bis 6. Jh. v. Chr., die griechische Klassik in den Stadtstaaten des 5./4. Jh. v. Chr., den Hellenismus, die Anfänge der lateinischen Literatur und die römische Klassik im Zeitalter der Republik bis zum Weltreich der Kaiserzeit und Spätantike. Dem breiten kulturhistorischen Ansatz gemäss, wird die herkömmliche Aufteilung bestimmter Gegenstandsbereiche wie Literatur, Kunst, Sprache oder Geschichte auf getrennte akademische Fach-Curricula aufgehoben. Ebenso gehen die bisher getrennt gelehrten Grunddisziplinen und Methoden, wie zum Beispiel Textkritik, Bestimmung von Artefakten oder Epigraphik, in ein gemeinsames, interdisziplinäres Grundlagenstudium ein. Dazu gehört eine präzise abgestufte Einführung in die alten Sprachen, die sich an die unterschiedlichen Kenntnisse der Studienanfängerinnen und -anfänger flexibel anpasst.
Ein Studienabschluss in der Kulturwissenschaft der Antike verspricht somit, auf ein viel breiteres Feld beruflicher Möglichkeiten hinzuführen als Abschlüsse in den einzelnen Fächern bisher. Zahlreiche Aufgaben, auch jenseits des Gymnasiums, des Museums oder der Universität, erfordern Generalisten, die antike Kultur in der ganzen Breite studiert haben. Ihre Fähigkeiten dürften im Kulturmanagement, Tourismus, Verlagswesen, in den Medien, in der Politik, Diplomatie und Wirtschaft zur Entfaltung kommen.
Des Weiteren wird es ein sinnvolles Ergänzungsangebot auf Gebieten der nichtklassischen antiken Kulturen Ägyptens, Europas und Asiens geben. Darin liegt eine Besonderheit des Zürcher Studiengangs. Die Erdteile unseres Globus haben verschiedene Altertümer, die auch zeitlich nicht gleich weit zurückliegen. Die Wissenschaft von der Antike konzentriert sich jedoch an den meisten Universitäten auf die griechische und römische Kultur. Dagegen wird das alte Indien und China, der Vordere Orient mit den Kulturen des Zweistromlandes, des Nillandes, Palästinas und Syriens durch Fächer abgedeckt, die, insbesondere aus der Theologie und der Sprachenforschung erwachsen, als eigenständige Disziplinen etabliert sind: Orientalistik, Ägyptologie etc.
Trotz ihrer spezifischen Anforderungen sind alle diese Disziplinen mehr oder weniger eng miteinander vernetzt. Das erfordert ihr Gegenstand, eben die antiken Kulturen, die zu ihrer Zeit ja keineswegs in sich abgeschlossen, sondern miteinander in Kontakt, zum Teil verwandt und phasenweise sogar vermischt waren: Ägyptische Hieroglyphen und altgriechische Inschriften werden zwar in verschiedenen Fächern gelehrt, finden sich aber nicht selten auf ein und demselben Stein, das heisst sie gehören zu dieser Zeit einer Kultur an (jener übrigens, in der die schöne Königin Kleopatra gelebt hat). Die bewunderte Dichtung und Wissenschaft der frühen Griechen ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat Vorbilder im Orient. Oder, um auf ein späteres Zeitalter zu blicken, was wäre die abendländische Philosophie ohne die Überlieferung durch die islamischen Gelehrten in arabischer Sprache?
Kein Student und auch kein Wissenschafter vermag auf allen diesen Gebieten gleichermassen beschlagen zu sein. Doch tritt in der modernen Forschung das Verbindende, auch das Vermischte, gegenüber dem Trennenden und Unvermischten stärker in den Vordergrund, so dass das vielfältige Interesse an der Antike ein integratives Studium geradezu herausfordert.
In dem neuen Studienangebot sind mehrere Kombinationen möglich. Es umfasst zwei Hauptfächer: Zum einen den klassischen Bereich der griechisch-römischen Kultur (I). Darin vereinen sich Klassische Archäologie, Gräzistik, Latinistik und Alte Geschichte. Zum anderen einen vielseitigen Fächerkanon, der die antiken Nachbarkulturen Ägyptens, des Orients und Asiens bis China, die schriftlosen Kulturen Europas, zugleich aber auch transdisziplinäre Grundlagen und Teilgebiete wie Indogermanistik, antike Philosophie, Medizin, antikes Recht, das frühe Christentum und die mannigfaltige Rezeption der Antike in Mittelalter und Neuzeit einbezieht (II). (II soll nur in Kombination mit I studiert werden können.)
Die Universität Zürich ist seit langem ein Zentrum für das Studium der Antike mit internationaler Reputation in der Forschung. Namen von Zürcher Forschern wie Walter Burkert in der antiken Religion und Mythologie, Theodor Mommsen im römischen Recht und Ernst Meyer in der römischen Geschichte, Manu Leumann und Ernst Risch in der Indogermanistik stehen weltweit für Pionierleistungen. Der grossen Tradition verpflichtet, wird auch heute Spitzenforschung betrieben, die an vielen Stellen Neuland erschliesst, und dieses neu Erschlossene wird in der Lehre fruchtbar gemacht. Studierende der Kulturwissenschaft der Antike in Zürich haben die Chance, mit führenden Spezialisten gleichsam in der Werkstatt ihrer Forschungsprojekte Kontakt aufzunehmen und forschen zu lernen.
Antike Kulturen werden in Zürich heute an 12 verschiedenen Instituten und insgesamt 27 Lehrstühlen gelehrt (siehe Link oben). Klassische Antike im engeren Sinn vertreten drei Professuren für Alte Geschichte, zwei für Klassische Philologie und eine für Klassische Archäologie. Zum Vergleich: Das entspricht den sechs Vollprofessuren in Classics an der Universität Cambridge (UK).
Die Zürcher Zentralbibliothek und die Fachbibliotheken der Institute stellen den künftigen Studierenden exzellente Arbeitsbedingungen zur Verfügung. Im Besonderen bieten die Sammlung antiker Originale – Vasen, Skulpturen und andere Gegenstände – und eine der weltweit grössten Gipsabgusssammlungen des archäologischen Instituts, Foto- und Abklatscharchive antiker Inschriften am Historischen Seminar, ausserhalb der Universität das Münzkabinett Winterthur, ungewöhnlich reiche Lehr- und Forschungsmaterialien; Zürich ist führend in der Entwicklung eines interaktiven Einführungskurses in die antike Kultur. Feldforschungen und enge Verbindungen zu Institutionen der Spitzenforschung in aller Welt eröffnen den Studierenden viele Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen.
Gewiss, wer das Fach studiert, von dem wird etwas verlangt. Aber: Nil tam difficil est quin quaerendo investigari possiet. (Nichts ist so schwierig, dass es nicht durch Wissenwollen erforscht werden könnte. Terenz).