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Hirnströme zu messen ist nichts neues, war aber bisher auf Laborsituationen beschränkt und mit einem beachtlichen «Kabelsalat» verbunden. Auch das Gewicht der Batterien und die beschränkte Reichweite der Sender verhinderten es, Gehirnsignale im natürlichen Lebensraum einer Tierart zu erfassen.
Professor Hans-Peter Lipp und Professor David P. Wolfer vom Anatomischen Institut wollten aber wissen, was im Gehirn der Brieftauben vor sich geht, die sie seit 2000 mittels GPS bei ihren Flugrouten untersuchen. Die beiden Leiter der Forschungsgruppe «Neuroanatomie und Verhalten» beauftragten daher 2002 den ebenfalls am Anatomischen Institut tätigen Bio-Ingenieur Alexei Vyssotski, einen «Mikrologger» zu entwickeln, der auch im Kleinformat fähig ist, die Gehirnströme zu messen.
Entstanden ist daraus ein Kombigerät, welches sowohl per GPS den zurückgelegten Weg der Tauben erfassen als auch ihre Gehirnaktivität messen kann, wobei die Elektronik für letzteres auf einer Kreditkarte Platz finden würde. Seit Herbst 2005 ist der Mikrologger in Italien und der Feldstation des Anatomischen Instituts in Russland im Einsatz.
Mit ersten inhaltlichen Resultaten ist im Herbst 2006 zu rechnen. Die Forschungsgruppe interessiert sich unter anderem für neue Erkenntnisse zu folgendem Phänomen: Brieftauben müssen bei Versuchsflügen auf ihrem Heimweg bisweilen Zonen mit aussergewöhnlichen Ausprägungen im Erdmagnetfeld überfliegen. Dies sollte gemäss einer weit verbreiteten Theorie zum Orientierungsverhalten ihren Flugweg beeinflussen. Die bislang getesteten Tauben zeigten sich aber wenig beeindruckt und zogen meist ohne Umweg über solche Zonen hinweg.
Die gemessenen Hirnströme sollen nun klären, ob die Tiere die magnetische Anomalie nicht bemerken oder schlicht ignorieren. Dies sollte feststellbar sein, da bei Wirbeltieren die Hirnstromwellen flacher werden, wenn das Tier eine Sinneswahrnehmung hat, die im Gehirn als wichtig erachtet wird. «Falls dies nicht feststellbar sein sollte, hat die Theorie magnetisch unterstützter Orientierung bei Vögeln ein weiteres Problem», so Hans-Peter Lipp.
Wie auch immer die Antwort ausfallen wird, sicher ist für Lipp, dass «mit dem Mikrologger eine neue Ära in unserer Forschung anbricht». Die weitere Entwicklung des Messinstruments wird auch vom Schweizerischen Nationalfonds und dem Nationalen Forschungsschwerpunkt «Neural Plasticity and Repair» unterstützt und kommt nicht nur der Grundlagenforschung zugute.
Die ultraleichten und winzigen Geräte bieten sich auch an, um die Hirnströme von Patienten mit neurologischen Krankheiten zu messen. Bereits liegen Prototypen eines Aufzeichnungsgerätes vor, die bei einem Gewicht von zwei Gramm nur noch 17 Millimeter lang und 14 Millimeter breit sind.