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Herr Murer, die forschungspolitische Tendenz weist zurzeit eindeutig in eine Richtung: Die Universitäten sollen sich vermehrt über externe, so genannte Drittmittel finanzieren; sie sollen sich als Marktteilnehmer im Wettbewerb verstehen. Wie werden Sie als neuer Prorektor Forschung auf dieses Umfeld reagieren?
Ich bin seit jeher ein Vertreter des Matching-Funds-Prinzips. Das heisst: Wenn jemand universitäre Gelder beansprucht, sollte er auch eigene Finanzierungsquellen erschliessen. Einerseits über Anträge an die Institutionen der Forschungsförderung, primär den Nationalfonds und die EU-Grants, andrerseits – mit gewissen Einschränkungen und sofern überhaupt möglich – über Industriekooperationen. Die Universität muss im Sinne eines Ansporns die erbrachten Leistungen im Einbringen eigener Mittel honorieren, indem sie den erfolgreichen Gruppen vermehrt Mittel zufliessen lässt. Ich habe nun primär für die biomedizinischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer gesprochen. Ich bin mir bewusst, dass in den Geistes- und Sozialwissenschaften andere Kriterien gelten und dass es für sie schwieriger ist, dieselben Geldmengen wie die Life Sciences heranzuführen. Aber auch da muss das Prinzip der externen Evaluation miteinfliessen, wie es kompetitiv eingeworbene Drittmittel gewährleisten.
Das Einwerben von Drittmitteln braucht – neben einem entsprechenden Leistungsausweis – Zeit, Erfahrung und Know-how. Erhalten Forschende dabei Unterstützung?
Die Universität muss möglichst viel unternehmen, damit unsere Forschenden die administrativen Hürden bewältigen können, die eine solche Geldeinwerbung mit sich bringt. Unterstützung bietet Euresearch Zurich, wenn es um die grossen Töpfe der EU-Forschungsförderung geht. Bei Industriekollaborationen ist Unitectra der Ansprechpartner. Auch beim Einwerben von Nationalfondsgeldern hilft die Universität mit: Über den so genannten Forschungskredit erlaubt sie es Nachwuchskräften, sich überhaupt erst in die Position zu bringen, damit sie Mittel vom NF erhalten können. Die Geschäftsstelle des Prorektorats hilft und übernimmt beratende und administrative Funktionen in diversen Aspekten der Forschungs- und Nachwuchsförderung. Primär bleibt es aber die Aufgabe der Instituts- und Gruppenleiterinnen und -leiter, ihre jüngeren Mitarbeitenden in die Eigenständigkeit zu führen. Sie sollen es ihnen erlauben, auch unabhängig zu publizieren und an Kongressen aufzutreten, sodass die Jungen möglichst früh die Voraussetzungen erfüllen, selbständig Anträge zu stellen. Ausserdem haben wir im Hinblick auf die Nachwuchsprogramme des NF eine Art Coaching eingeführt – und hatten einen tollen Erfolg: 10 von 31 der zugesprochenen Förderprofessuren kamen an die UZH.
Gibt es an der UZH bereits konkrete Modelle zur leistungsbezogenen Mittelbemessung? Welche Indikatoren fliessen darin ein?
Das Physiologische Institut, dem ich zehn Jahre lang vorgestanden bin, hat eine Vorreiterrolle in der leistungsorientierten Ressourcenzuteilung gespielt. Wir haben rund 40 Prozent unseres Institutsetats in einen Pool versetzt, der nach leistungsorientierten Kriterien zugeteilt wird. Die Mitarbeitenden waren damit sehr glücklich, denn sie wussten: Wenn ich mehr leiste, kann ich mehr erhalten. Welches sind nun die Parameter? Erstens: Drittmittel kompetitiver Art – also peer-reviewte Projekte, die über ein Scientific Advisory Board evaluiert wurden. Zweitens: der Publikationsausweis. Und drittens: die wissenschaftliche Reputation – Preise, Kongresseinladungen etc. Wie hoch der Prozentsatz der leistungsorientierten Ressourcenzuteilung ist, kann und soll von Institut zu Institut verschieden sein, abhängig von der Verteilung von Lehre, Forschung und Dienstleistung.
Wo steht man zurzeit mit der Umsetzung der leistungsbezogenen Mittelbemessung?
Ein Kulturwandel ist im Gang oder hat bereits stattgefunden. Früher sagte man: Wenn einer so viele externe Mittel hat, warum sollen wir ihm noch eigene geben? Das hat sich gewandelt. Die Erschliessung externer Mittel gibt dem Staat die Gewissheit, dass dort Spitzenforschung betrieben wird und man deswegen mit ruhigem Gewissen Steuergelder investieren kann. Dass die mathematisch-naturwissenschaftlichen und biomedizinischen Fächer etwas weiter sind, hat wohl damit zu tun, dass die Forschung dort sehr viel kostenintensiver ist, sodass man von der öffentlichen Hand gar nicht erwarten kann, dass sie das alles deckt.
Wer entscheidet letztlich über die Zuteilung der universitätseigenen Mittel?
Im Bezug auf die Mittelzuteilung ist die Universität für die Fakultäten zuständig, die Fakultät für die Institute, und das Institut für seine Mitarbeitenden. Es ist jedoch die Aufgabe der Institute festzuschreiben, welchen Prozentsatz ihres Etats sie nach dem Prinzip der Matching Funds einsetzen. Die Institutsordnungen, die gegenwärtig neu geschrieben werden, müssen von den Dekanaten und der Universitätsleitung genehmigt werden. Darin sollte die Komponente der leistungsorientierten Mittelzuteilung enthalten sein.
Die Kriterien, die über die Budgetfestlegung mitentscheiden, beziehen sich allein auf die Forschung. Wie stellen Sie sicher, dass die Forschenden sich weiterhin in der Lehre engagieren?
Wenn man einmal einen Pool zur leistungsorientierten Mittelzuteilung gebildet hat, muss man daraus einen Teil für die Lehre ausscheiden, der wiederum nach leistungsorientierten Kriterien der Lehre rückverteilt wird: Anzahl Vorlesungen, Qualität der Lehre aufgrund der Evaluationen, erfolgte Habilitationen, Berufungen auf Professuren.
Mit der wachsenden Bedeutung von Drittmitteln werden auch Bedenken über die Unabhängigkeit der damit geleisteten Forschung laut. Wie treten Sie diesem Problem entgegen?
Das Problem stellt sich nur bei den Industriekollaborationen. Diese werden bei uns vermittelt und überwacht durch die Firma Unitectra. Sie hilft, die entsprechenden Kollaborationsverträge auszuarbeiten, und achtet darauf, dass die akademische Freiheit nicht tangiert wird. Schliesslich gelangen diese Verträge bei mir zur Unterschrift.
Ist es in Zürich in Zukunft denkbar – wie in den USA –, dass eine Firma Mitglieder in Universitätsgremien entsendet, die Forschungsgelder verteilen? Oder, dass Publikationen nur mit vorheriger Einwilligung der Firma erfolgen?
Zum Ersten: ganz klar nein! Die Vorbereitung zur Wahl von Professoren ist eine akademische, das heisst universitäre Angelegenheit. Was die Industrie oder eine andere Institution, wenn sie eine Stiftungsprofessur einrichtet, vorgeben kann, ist die Ausrichtung: in welchem Gebiet der Professor, die Professorin tätig sein soll. Aber auch das muss durch den Universitätsrat genehmigt werden. Zur Frage der Publikationen: Es geht nicht, dass wir wissenschaftliche Leistung erbringen, dann aber in der Verbreitung dieser Leistung eingeschränkt werden. Verträge mit Vetorecht sind für uns unakzeptabel.
Befürchten Sie nicht, dass sich die öffentliche Hand bei ständig wachsendem Drittmittelaufkommen aus der Finanzierung der Hochschulen ein Stück weit zurückzieht?
Ich bin ein Verfechter davon, möglichst viel Fremdfinanzierung in die Universität zu bringen. Aber das darf nicht dazu führen, dass sich der Staat zurückzieht. Das Matching- Funds-Prinzip sollte auch den Staat motivieren, der Universität, wenn sie erfolgreich ist, bei ihrem Wachstum zu helfen.