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Immer mehr Menschen in der Schweiz sind übergewichtig. Dies geht aus der neusten Ausgabe des Schweizerischen Ernährungsberichts hervor. Mehr als jeder dritte Erwachsene gilt als zu dick. Fachleute sprechen bereits von einer Epidemie und warnen vor den gesundheitlichen Folgen. Tatsächlich ist diese Entwicklung nicht ungefährlich. Übergewicht kann zu schweren gesundheitlichen Problemen wie Gelenkbeschwerden, Herz-Kreislauferkrankungen oder einer Zuckererkrankung, in der Medizin Diabetes mellitus genannt, führen.
Eindrücklich sind die Fakten auch bei Kindern und Jugendlichen. «Jedes fünfte Schulkind ist heute übergewichtig. In den 1970er Jahren war es gerade mal jedes zwanzigste Kind», sagt Daniel Konrad, Oberarzt an der Universitäts-Kinderklinik Zürich. Der Privatdozent untersucht in einem vom Forschungskredit der Universität Zürich unterstützten Projekt den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Diabetes. «Mit meiner Forschung möchte ich besser verstehen lernen, weshalb es bei Übergewicht zu einer Insulinresistenz, also zu einer verminderten Wirksamkeit des Insulins, und in der Folge eventuell zu einem Typ 2 Diabetes kommen kann», erklärt der 39-jährige promovierte Mediziner.
Bereits während seiner Weiterbildung zum Kinderarzt fühlte sich Konrad zur Forschung hingezogen. Unmittelbar nachdem er den Facharzttitel erlangt hatte, ging er für drei Jahre an das «Hospital for Sick Children» in Toronto, Kanada, um dort mit seiner Arbeit über Insulinresistenz einen Ph.D. an der University of Toronto zu erlangen. Nach seiner Rückkehr nach Zürich hätten ihn Arbeitskollegen auf den Forschungskredit der Universität Zürich aufmerksam gemacht, erzählt Konrad weiter. Dank der Mittel aus dem Forschungskredit konnte er einen ersten Doktoranden einstellen.
In der Medizin werden hauptsächlich zwei Arten von Diabetes unterschieden. Beim Typ 1 zerstört eine Autoimmunreaktion die insulinbildenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Der Körper kann deshalb nicht genügend Insulin herstellen und die Aufnahme des Blutzuckers in die Gewebezellen ist gestört. Diese Form des Diabetes tritt in der Hälfte der Fälle bereits im Kindes- und Jugendalter auf und trägt daher auch die Bezeichnung jugendlicher Typ.
Beim Typ 2 ist zunächst die Wirksamkeit des Insulins an den Insulinrezeptoren der Gewebezellen vermindert. Der Transport von Blutzucker in die Gewebezellen erfolgt nicht mehr rasch und ergiebig genug. Die Bauchspeicheldrüse kann durch eine vermehrte Insulinproduktion diese Insulinresistenz überwinden. Erst wenn sich dieser Kompensationsmechanismus erschöpft, steigt der Blutzucker an und es liegt ein Typ 2 Diabetes vor. Er tritt gehäuft bei Übergewichtigen auf; je grösser das Übergewicht, desto grösser auch das Risiko, die Krankheit zu entwickeln. Bisher waren vor allem Menschen über 40 Jahren von Typ 2 Diabetes betroffen, weshalb er auch unter dem Namen Altersdiabetes bekannt ist. Allerdings sei er neuerdings auch vermehrt bei Heranwachsenden zu beobachten, gibt Konrad zu bedenken. Dies als Folge des steigenden Anteils übergewichtiger junger Menschen.
Neuste Ergebnisse der Diabetesforschung zeigen, dass für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes nicht einfach eine erhöhte Menge an Fettgewebe verantwortlich ist, sondern dass bei übergewichtigen Menschen das Fettgewebe chronisch entzündet ist. Auf Gewebeschnitten finden sich vermehrt Entzündungszellen wie zum Beispiel Makrophagen, die das Fettgewebe infiltrieren. Wieso es zu einer Entzündung kommt, ist noch nicht abschliessend geklärt. Eine mögliche Ursache ist die dauernde Überladung der Fettzellen.
Die ins Fettgewebe eingewanderten Entzündungszellen setzten Botenstoffe frei, die mit der Entstehung der Insulinresistenz beim Übergewichtigen in Zusammenhang gebracht werden. Konrad und sein Team untersuchen nun, auf welche Zielstrukturen diese Botenstoffe einwirken, um die Ursache-Wirkungs-Kette von der Entzündung im Fettgewebe bis hin zur Insulinresistenz aufzuklären. Sollte dies gelingen, wären neue Medikamente denkbar, die Übergewichtige vor Diabetes bewahren könnten. Dies scheint angesichts der Statistiken dringend nötig: Rund eine Viertel Million Menschen leiden in der Schweiz an Diabetes, und zurzeit werden es jedes Jahr fast zehn Prozent mehr.
Für das immer häufigere Übergewicht sind gemäss Schweizerischem Ernährungsbericht die vorwiegend sitzende Lebensweise mit wenig körperlicher Aktivität und der häufige Konsum von energiereichen Nahrungsmitteln verantwortlich. Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) aus dem Jahr 2004 kommt zum Schluss, dass sich die Kosten von überhöhtem Körpergewicht und dessen Folgeerkrankungen in der Schweiz auf 2,7 Milliarden Franken belaufen. Der Anteil der direkten, dem schweren Übergewicht zuzuschreibenden Kosten, beträgt dabei lediglich 1,6 %. Den Grossteil der Kosten, also die restlichen 98,4 %, verursachen gemäss der Studie die Folgeerkrankungen des Übergewichts wie beispielsweise Diabetes Typ 2 und koronare Herzerkrankungen. Das BAG prüft nun, die Präventionsarbeit im Ernährungsbereich zu verstärken.