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Rechtspopulismus ist zweifelsohne ein Thema, das die Nicht-SVP-Wähler in diesem Lande bewegt. Das bewies die mit gegen zweihundert Personen gut besuchte Podiumsdiskussion zum Thema «Rechtspopulismus: Wird die Demokratie ausgehöhlt?». Miteinander und mit dem Publikum diskutierten vier Politik- bzw. Sozialwissenschaftler, die sich mit rechten Bewegungen in verschiedenen Ländern auskennen. Ferner nahm «als Studienobjekt» – wie der moderierende Tagesanzeiger-Journalist Luciano Ferrari einführte – SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli teil, der als Professor für Medizingeschichte an der Universität Zürich lehrt.
Die einleitende Definitionsrunde ergab, dass gewisse Elemente typisch sind für alle Rechtspopulismen, etwa die Kritik an den Eliten , die Verabsolutierung des Volkes und der Glauben an dessen Homogenität, was zur Ausgrenzung all jener führt, die – so der Innsbrucker Professor Anton Pelinka – nicht «ins Boot gehören».
Veranstalter und Podiumsteilnehmer Hanspeter Kriesi, Professor an der Universität Zürich und Leiter des Center for Comparative and International Studies CIS, antwortete auf die Frage, wie denn der Erfolg rechtspopulistischer Bewegungen zu erklären sei: Die Eliten hätten bestimmte Themen vernachlässigt, die von Rechtspopulisten erfolgreich aufgegriffen würden, etwa das Thema Immigration. In der Schweiz aber sei für den Erfolg weniger dieses Thema verantwortlich als das Verhältnis zur EU.
Kriesi argumentierte, die SVP unterliege einem Irrtum in eigener Sache: «Sie wird prinzipiell wegen ihrer Haltung zur EU gewählt, ein wenig wegen der Immigration, überhaupt nicht aber wegen ihrer Haltung zum Staat, wie sie selber meint.» Die SVP werde vor allem gewählt, weil sie die kulturellen Werte der Schweiz, also ihren Provinzialismus, gegenüber einer Öffnung verteidige.
Am Beispiel der FPÖ zeigte Anton Pelinka, wie sich eine rechtspopulistische Partei entzauberte, weil sie die enorm angeheizten Erwartungen der Wähler nicht im mindesten einlösen konnte. Als sie sich an der Regierung beteiligte, reduzierte die FPÖ weder die Immigration auf Null, noch verhinderte sie die EU-Osterweiterung, die sogar mit ihrer Beteiligung zustande kam. «Wer selbst oben ist, kann nicht mehr über die Elite schimpfen», erklärte der Politologieprofessor aus Innsbruck das Scheitern der österreichischen rechtspopulistischen Partei.
Cas Mudde von der Universität Antwerpen differenzierte, dass der Erfolg einer solchen Partei auch von ihrer Organisation abhängt. Die Abgeordneten der Lijst Pim Fortuyn kannten sich nicht einmal untereinander, sie waren alle von Pim Fortuyn persönlich aufgestellt worden. Der belgische Vlaams Blok hingegen sei eine sehr geschlossene, gut organisierte Partei, die bewusst aus den Fehlern der anderen lerne. Etwa, dass man alles behaupten kann, solange man nicht an der Macht ist, oder dass der Gang an die Macht nur dann sinnvoll ist, wenn man auch wirklich genügend Einflussmöglichkeiten habe. Generell habe aber noch jede reine Protest- oder Oppositionspartei nach einer Regierungsbeteiligung verloren.
Auf die Frage, ob denn diese Parteien nun gefährlich seien für die Demokratie, stimmte Christoph Mörgeli ein Loblied auf Christoph Blocher an und stilisierte sich zudem selber als einer, der «ausgezogen ist, die Mächtigen zu kontrollieren». Die SVP greife stets unangenehme Themen auf. Hanspeter Kriesi liess sich insofern auf Mörgelis Statement ein, als er zugab, dass Populisten das schlechte Gewissen der Demokratie darstellen.
Populisten, so Kriesi, leben von der Spannung zwischen dem Ideal der Volkssouveränität und der realen Politik in der Demokratie. Das sei eigentlich gut, nur gebe es neben dem Prinzip der Volkssouveränität eben noch das liberale Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das eine Demokratie auch ausmache. Ein Beispiel dafür seien die Einbürgerungsverfahren in der Schweiz. Über diese lasse sich nur generell abstimmen, über die Einbürgerung von einzelnen Personen aber nicht, weil das gegen die Gleichheit vor dem Gesetz verstosse. In dieser Hinsicht attestierte Kriesi der SVP wenig Verständnis für liberale Prinzipien.
Als zentralen Faktor für den Erfolg rechtspopulistischer Bewegungen brachte Kurt Imhof, Professor an der Universität Zürich und Experte für Medien und Öffentlichkeit, die Medien ins Spiel. Der Erfolg von rechtspopulistischen Bewegungen hänge stark davon ab, was in der Presse thematisiert werde und welche Qualität eine Debatte habe. Als historischen Beweis führte Imhof den Misserfolg der Schweizer Rechten in der Zwischenkriegszeit an, den er mit dem Nichtthematisieren der Rechten in den Ton angebenden traditionellen Parteiblättern erklärte.
Cas Mudde bestätigte Imhofs These. So habe Pim Fortuyn in seinen zahlreichen Schriften durchwegs die Einführung neoliberaler Prinzipien in alle Bereiche des Lebens als wichtigsten Punkt angesehen, nicht aber die Anti-Immigration. Dieses Thema hätten erst die Medien und die politischen Gegner aufs Tapet gebracht und dadurch Pim Fortuyn stark gemacht.
Da eine Demokratie sich nicht zuletzt an der Qualität ihrer Debatten bemisst, kritisierte Imhof die Medien. Er warf ihnen vor, zu seismographisch auf marginale Gruppen, etwa Rechtsextreme, zu reagieren und spielte damit auf die medial aufgeblähten Vorfälle an den Feiern zum 1. August an. Durch einzelne Artikel oder gar ganze Medienkampagnen würde die öffentliche Debatte zerstört. Mehr Sensibilität sei hier nötig.
Wie Recht Imhof mit seiner Medienkritik hatte, zeigte die Podiumsveranstaltung selbst. Ein strahlender und teflonglatter Christoph Mörgeli argumentierte weniger auf der Höhe der Diskussion, als dass er vielmehr eine Politperformance mit vorfabrizierten Argumenten aufführte. Das amüsierte zwar gelegentlich das Publikum, bot jedoch einem Rechtspopulisten auch einmal mehr eine Plattform.