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Jede Form der Beteiligung von Bürgern an kollektiv verbindlichem Entscheiden setzt ein Mindestmass an politischem Wissen und politischer Informiertheit voraus. Daher sind alle Einrichtungen, die mit der Produktion und Vermittlung solcher entscheidungsrelevanter Information betraut sind, als ein konstitutives Element der Demokratie anzusehen. Das gilt auch für die modernen Massenmedien, weshalb demokratische Systeme heute gemeinhin als «Mediendemokratien» bezeichnet werden.
Allerdings wird der Begriff zunehmend kritisch verwendet, zur Bezeichnung einer mehr oder weniger defekten Form demokratischer Herrschaft, in der die «ausser Kontrolle» geratenen Massenmedien ihre eigentliche demokratische Zweckbestimmung verfehlen und mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften.
Ob diese Diagnose zutrifft, wie weit die entsprechenden Entwicklungen in einzelnen Ländern bereits fortgeschritten sind und was man dagegen tun kann, wurde am vergangenen Wochenende im Rahmen einer interdisziplinären und internationalen Konferenz zum Thema «Demokratisierung der Medien- und Informationsgesellschaft» diskutiert, zu der das Kompetenzzentrum SwissGIS rund dreissig hochkarätige Expertinnen und Experten aus nicht weniger als 16 europäischen Ländern und den USA nach Zürich geladen hatte.
Die Konferenzbeiträge behandelten das Rahmenthema im Kern aus drei Perspektiven: hinsichtlich der Veränderung von Medienstrukturen und Mediensystemen, mit Blick auf die Transformation der medienvermittelten politischen Kommunikation und unter Bezug auf neue Konzepte und Akteure der Medienregulierung.
Zu den Höhepunkten der Veranstaltung gehörte die Keynote-Speech zur Eröffnung der Konferenz. Shanto Iyengar, Direktor des Department of Communication der renommierten Stanford University, zeichnete am Freitagmorgen ein eher düsteres Bild der Informations- und Vermittlungsleistungen amerikanischer Medien mit entsprechenden Konsequenzen für den Wissenstand der Bevölkerung. Denis Mc Quail, emeritierter Professor der School of Communication Research (ASCOR) an der Universität Amsterdam, begründete zum Ausklang des ersten Tages die ungebrochene Bedeutung des Konzepts Vielfalt als medienpolitische Leitkategorie.
Svetlana Pasti aus Tampere (Finnland) und Elana Vartanova aus Moskau (Russland) beleuchteten die russische Medienszene und machten auf die Instrumentalisierung des Journalismus durch Staat und Wirtschaft aufmerksam. Helena Sousa aus Braga (Portugal) berichtete von staatlichen Sparmassnahmen, die zur Übergabe eines Kanals des öffentlichen Rundfunks in die Hände der Zivilgesellschaft führten. Inwieweit dieser europaweit einmalige Vorgang dem öffentlichen Rundfunk eine demokratiepolitisch tragfähige Zukunft beschert, erschien den Konferenzteilnehmenden mehr als zweifelhaft.
Trine Syvertsen aus Oslo (Norwegen) berichtete über den rasanten Vormarsch des «Trash-Fernsehens» auf allen Kanälen als neue Strategie zur Refinanzierung des kommerziellen und öffentlichen Rundfunks. Durch SMS- und MMS-Spiele leisten die Zuschauerinnen und Zuschauer einen Finanzierungsbeitrag, versorgen die Veranstalter mit nahezu kostenlosem Programm und erfüllen sogar noch die Quoten-Bestimmungen für Europäisches Programm.
Zu reden gab an der Konferenz die Frage, inwieweit sich neue anspruchvolle kulturelle Formen unter rigiden Finanzierungsmodellen entwickeln können und inwieweit neue Formen der Interaktivität zu avantgardistischen kulturellen Artefakten führen. Leen d’ Haenens aus Nijmegen (Niederlande) berichtete aus einer laufenden Forschung über marokkanische und türkische Jugendliche, die sich über das Internet bezüglich ihrer Lebenswelt informieren und verständigen, um als «Digital Citizens» in einer «kulturfremden» Umgebung zu bestehen.
Einen Vorschlag zur ordnungspolitischen Reaktion auf die fortschreitende Medienkonzentration und deren unerwünschte Folgen präsentierte Werner A. Meier von der Universität Zürich. Abgeleitet von dem Konzept der Corporate Governance sollten konzentrierte Medienkonzerne zur Rechenschaft verpflichtet werden, welche Massnahmen sie zur Auftrechterhaltung der Medienvielfalt leisten.
Frank Marcinkowski, Direktor von SwissGIS, wies in der Eröffnungsrede auf die Interpretationsbreite der Themen durch die Sprecherinnen und Sprecher hin. Aus der Sicht der Teilnehmenden war diese bewusst gewählte Breite eine der Stärken der Tagung. «Anstrengend, aber höchst interessant», so eine der Studentinnen, die bis zum Ende der Konferenz am Samstag abend ausgeharrt hatte.