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Der Aargauer FDP-Ständerat Thomas Pfisterer plädierte für ein Gleichgewichtsverhältnis von Macht und Recht. Recht sei dazu da, den Machtgebrauch zu kontrollieren und Missbräuche zu verhindern.Politik wiederum sei mit Macht ausgestattet, um Recht zu gestalten und durchsetzen zu können. «Recht bindet Macht, Macht bildet Recht», brachte er diesen Gedanken auf den Punkt.
Die Tatsache, dass jedes geltende Recht einmal durch Machtgebrauch gesetzt worden sei, gerate allerdings allzu oft in Vergessenheit, kritisierte Pfisterer. In der USA machten die politischen Akteure keinen Hehl aus ihrer Machtfülle. Dagegen sei in der Schweiz die Tendenz festzustellen, dass Politiker und Politikerinnen ihre Macht ängstlich verschleierten. Dies schade der Glaubwüdigkeit der Politik. Pfisterer stellte deshalb an die Politik die Forderung, sich wieder vermehrt zur Gestaltungsmacht zu bekennen, über die sie verfüge.
Eine ähnliche Stossrichtung verfolgte Ständeratspräsident Bruno Frick, CVP. Er beklagte die Tendenz, innenpolitische Entscheidungen an die Justiz zu delegieren. «Ich wehre mich dagegen, dass immer mehr Macht vom Volk zum Gericht hin verlagert wird», sagte er.
Im zwischenstaatlichen Bereichliege die Sache allerdings anders, die zunehmende Verrechtlichung internationaler Beziehungen sei zu begrüssen, denn sie liege im Interesse von Kleinstaaten wie der Schweiz. Auchwenn die Mittel zur Durchsetzung des internationalen Rechts oft fehlten,entfalte dieses doch oft eine enorme Wirkung. So leiste beispielsweise das Kriegsverbrechertribunal einen wesentlichen Beitrag zur schrittweisen Einführung der Rechtsstaatlichkeit im ehemaligen Jugoslawien.
Als besondere Aufgabe der Schweiz betrachtet Frick die Aufgabe, über die Einhaltung der Genfer Konvention zu wachen. Nicht zuletzt diene es dem weltweiten Image der Schweiz, wenn man sie mit der Genfer Konvention in Verbindung bring
Dieter Ruloff, Professor für internationale Beziehungen und Leiter des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Zürich, gab einen Überblick über die Geschichte des Machtbegriffes von Machiavelli und Hobbes bis hin zu Karl W. Deutsch und Niklas Luhmann. Sein Fazit: Die Machtfrage stelle sich immer und überall. «Wir bekommen die Macht nicht weg».
Ein funktionierender Multilateralismus sei der einzige Weg, um der Gewaltausübung auf internationaler Ebene zu begegnen. In Anlehnung an Kant vertrat Ruloff die Überzeugung, dass zunehmend enger werdende wirtschaftliche Verflechtungen den Krieg als Mittel der Machtpolitik immer unattraktiver werden lassen und die Staaten zur multilateralen Zusammenarbeitzwingen. AlsBeispiel nannte erden Mechanismus der Streitschlichtung der Welthandelsorganisation WTO, dem sich aus wirtschaftlichen Erwägungen selbst die mächtigen USA unterwerfen würden.
Diese optimistische Prognose einer Entwicklung hin zu mehr Multilateralismus vertrat auch Jürg Lindenmann, Stellvertretender Rechtsberater am Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und Lehrbeauftragter an der Universität Zürich. Als Völkerrechtler brach er eine Lanze für sein Fach.
Der Kosovo- und der Irakkrieg hätten vielerorts Zweifel an der Wirksamkeit des Völkerrechtes wachgerufen. Dem sei aber entgegenzuhalten, dass einzelne Rechtsbrüche nichts an der Gültigkeit des Rechtes änderten. «Das Völkerrecht funktioniert – aber meistens so diskret und selbstverständlich, dass man es kaum wahrnimmt», sagte Lindemann. Anlass zu Optimismus gebe ausserdem die UNO, die trotz Rückschlägen mehr und mehr erstarke.
Einen eindrücklichen Einblick in die Praxis humanitärer Einsätze in Krisengebieten gab Enrique Steiger, Facharzt für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie und Dozent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Steiger beteiligt sich seit 1989 an humanitären Einsätzen, beispielsweise in Ruanda.
Eindringlich plädierte er für eine Bewaffnung solcher humanitärer Einsätze durch die Schweizer Armee. Die Wehrlosigkeit von Hilfeleistenden inmitten chaotischer Bürgerkriegssituationen sei nicht nur frustrierend, sondern auch extrem gefährlich. So musste Steiger etwa miterleben, wie Spitäler überfallen und Verletzte aus Ambulanzen herausgezerrt worden seien. Militärstrategisch würde in der Schweiz noch immer in veralteten Kategorien gedacht, sagte Steiger. «Wir müssen die Probleme dort zu bewältigen helfen, wo sie auftauchen. Sonst kommen diese Probleme eines Tages zu uns.»
Reiche Erfahrung mit militärischen Einsätzen weitab des Heimatlandes hat der deutsche Generalmajor Christian E. O. Millotat, vormals Stellvertretender Kommandant der KFOR-Truppen im Kosovo. Die Streitkräfte seien heute mit internationalen Einsätzen von zuvor nie gekannter Differenziertheit betraut, sagte Millotat. Kriege hätten ihren Charakter verändert. Verbrecherische Kampfmethoden seien im Zuge der Entstaatlichung von Kriegen im Zunehmen begriffen, vielerorts sei der Krieg zum Dauerzustand geworden.
Die Soldaten der Eingreiftruppen stünden in einem extremen Spannungsfeld: Einerseits müsse ein komplexes internationales Einsatzrecht befolgt werden; gleichzeitig müsse in oft ungeklärter Lage unter Zeitdruck entschieden und entschlossen gehandelt werden. Dies bedeute eine gewaltige Herausforderung.