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Der moderne Bauer hat nicht nur eine mit Benzin betriebene Wasserpumpe, sondern auch ein Mobiltelefon, mit dem er seine Frau jederzeit erreichen kann. Fliegende Gestalten tragen die Botschaften hin und her, während die Eheleute auf Esel und Wasserbüffel und mit zufriedenem Gesichtsausdruck durch die Felder reiten. So schildert der ägyptische Maler Salah Hassouna die Annehmlichkeiten, die ihm die moderne Technik bringt. Die Äste der Bäume bilden derweil das Wort «Allah»nach.Gegenständlichkeit und Kalligrafie, Reales und Unsichtbares, westliche Konsumkultur und ländliche Tradition vermischen sich in dem Bild auf ingeniöse Weise. Zurzeit ist der Autodidakt in der Ausstellung «Bilder, Geschichten» im Völkerkundemuseum der Universität Zürich zu Gast.
Längst nicht immer verläuft die Begegnung mit der Moderne aber so reibungslos, wie ein anderes Bild belegt: Liebesszenen im Fernsehen und die langen Beine von Tänzerinnen führen den Gläubigen in Versuchung. Ins rechte Ohr flüstert ihm der Scheich, ins linke der Teufel. Wie soll er sich richtig verhalten? «Heute ist das Festhalten an der Religion vergleichbar mit einem Stück Kohle, das man in der Hand zu halten versucht», schildert der Maler die Zerrissenheit des Menschen in der islamischen Welt. Dabei verzichtet er auf eine Parteinahme und begnügt sich damit, auf die Schwierigkeiten und Widersprüchlichkeiten des modernen Lebens hinzuweisen. So gelingt es ihm, den Betrachtern die alltäglichen Nöte und Freuden der einfachen Menschen im ländlichen Ägypten vor Augen zu führen.
Seine Zurückhaltung legt Hassouna jedoch in seinen Kommentaren zu Krieg und Gewalt ab. Da stehen Zähne fletschende Soldaten Frauen und Kindern mit Steinschleudern gegenüber; ein israelisches und ein amerikanisches Flugzeug rasen in einen Turm, dessen Stockwerke die Namen palästinensischer Dörfer tragen. Der Maler reflektiert auf diese Weise mediale Bilder und setzt sie in Kompositionen von erschütternder Direktheit um. Demgegenüber stehen Bildthemen, die der unmittelbaren Umgebung des Künstlers oder seiner Biografie entstammen: Reiche Männer, die um die Gunst einer schönen Witwe buhlen; Hassouna beim Arztbesuch, bei der Geburt seines Enkels oder als Verkäufer von Sonnenblumen im Sudan. Einzelne Szenen formieren sich dabei zu cartoonartigen Erzählsträngen, an denen sich persönliche Geschichten und kulturelle Handlungsweisen abwickeln.
Als «Picasso von Ägypten» werde er von manchen bezeichnet, erklärt Hassouna nicht ohne Stolz in dem Film, den Kuratorin Sandra Gysi für die Ausstellung realisiert hat. Über Picasso wisse er zwar nichts, aber seine Bilder sähen den seinen wohl ähnlich. Dass Hassouna mit der westlichen Kunstgeschichte nicht vertraut ist, hat seinen guten Grund: Er hat niemals eine akademische Ausbildung durchlaufen. Bevor er zur Malerei kam, verdiente er sein Geld als Händler und Bäcker. Den Anfang seiner künstlerischen Laufbahn markiert ein Bild, das er 1970 für seine Tochter malte – eine Hausaufgabe, die dem kleinen Mädchen zu schwierig erschien. «Von da an wusste ich,dass ich nicht mehr Bäcker, sondern Künstler sein wollte», erklärt Hassouna. Er nutzt eine vereinfachte, oft humorvoll pointierte, bisweilen aber auch komplex verschränkte Bildsprache, die der Bedeutungsperspektive folgt: Wichtiges ist gross und zentral, Nebensächliches marginal und klein dargestellt. Hassouna folgt damit der Tradition der ägyptischen Wandmalereien, mit denen sich Gläubige die Pilgerreise nach Mekka belegen lassen.
Der 70-jährige Maler gilt laut Sandra Gysi als einer der wichtigsten Vertreter der populären Kunst in Ägypten. Die Ausstellung – die erste in der Schweiz – versammelt 34 seiner Werke und öffnet damit auf eindrückliche, witzige und lehrreiche Weise ein Fenster zur ägyptischen Populärkultur.