Navigation auf uzh.ch
Das rhetorische Debattieren ist im Deutschunterricht an Schweizer Schulen noch weitgehend unbekannt. Dies soll sich in Zukunft jedoch ändern. Professorin Christa Dürscheid, Dozentin für deutsche Sprachwissenschaft am Deutschen Seminar der Universität Zürich, hat den ersten Rhetorikwettbewerb im Kanton Zürich organisiert.
Umgesetzt wird dieser in einem ersten Schritt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Gymnasien des Kantons. Ziel des Projekts ist es, den Jugendlichen eine Plattform zu geben, auf der sie ihre rhetorischen Qualitäten entwickeln und die Notwendigkeit dieser Qualitäten erkennen können. Sie profitieren von diesen Fertigkeiten nicht nur im Unterricht, sondern auch in anderen Lebenssituationen, in welchen Standpunkte und Argumente dargelegt werden sollen.
Rhetorik wird im Zürcher Wettbewerb im klassischen Sinne verstanden - als Redekompetenz in einer Debatte, in welcher über ein kontroverses Thema diskutiert wird. Aufgabe der Debattierenden ist es, einen festen Standpunkt zu vertreten und das Publikum von der Plausibilität dieser Meinung zu überzeugen. Im Zentrum steht dabei aber gerade nicht der blosse Einsatz rhetorischer Figuren oder gar das verbale Diffamieren des Gegenübers, sondern das angemessene Präsentieren der vier für die Bewertung relevanten Kriterien Sachkompetenz, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Ausserdem bringt der Wettbewerb den Vorteil, dass die Zusammenarbeit zwischen Uni und Gymnasien intensiviert wird.
Letzten Sommer haben die ersten Klassen begonnen, sich im Argumentieren in einer klar definierten Debattenstruktur zu üben. Diese Struktur gibt vor, dass jede Debatte aus vierDebattierenden besteht. Zwei Pro- und zwei Contra-Sprecher versuchen, zu einer konkreten Frage den ihnen zugewiesenen Standpunkt möglichst überzeugend zu vertreten. Beispiel für ein Thema: «Soll an Schweizer Gymnasien eine Kleidervorschrift eingeführt werden?».
Die Themen werden jeweils eine Woche vor den Debatten zugeteilt. Wenn sich die Schüler eine halbe Stunde vor Debattenbeginn nicht einigen, werden die Standpunkt per Los zugeteilt. Gleichzeitig müssen sich die Debattierenden auf einen festen Debattenablauf einstellen, der aus einer Eröffnungsrunde, einer freien Aussprache und einer Schlussrunde besteht.
Am 15. Januar fanden am Deutschen Seminar der Universität Zürich die Halbfinal-Debatten statt. Dafür qualifiziert hatten sich Schülerinnen und Schüler des Realgymnasiums Rämibühl, der Kantonsschule Zürcher Oberland sowie der Kantonsschule Wetzikon. Alle Debattierenden hatten bereits einen langen Weg hinter sich; sie mussten sich erst klassenintern, dann innerschulisch und schlussendlich auch am interschulischen Viertelfinale im vergangenen Dezember bewähren.
Aus zwei Kategorien (Schuljahre 9/10 und Schuljahre 11/12) bestimmte die Jury mit Hilfe eines genauen Kriterien- und Punktekatalogs die vier besten Debattierenden je Kategorie, die im Finale noch einmal gegeneinander antreten werden. Das Finale findet am 18. Februar statt, anlässlich der internationalen Tagung «Perspektiven der Jugendsprachforschung», welche vom Lehrstuhl von Professorin Christa Dürscheid organisiert wird.
Den Gewinnern winkt eine Reise nach Berlin, um dort dem Bundesfinale von «Jugend debattiert» beizuwohnen. «Jugend debattiert» ist ein seit einigen Jahren praktiziertes Debattenmodell in Deutschland, welches von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung geleitet wird. Rund 500 Schulen in ganz Deutschland nehmen daran teil.
Der Schweizer Wettbewerb ist von «Jugend debattiert» inhaltlich unterstützt worden. Es ist sehr zu hoffen, dass sich dieser viel versprechende Rhetorikwettbewerb in der Schweiz etabliert und vielleicht eines Tages sogar auf nationaler Ebene weitergeführt wird. Er lehrt die Schülerinnen und Schüler konstruktiv zu diskutieren und eigene Positionen und Meinungen vor grossem Publikum überzeugend zu vertreten.