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Eine stimmungsvolle Lounge zum Schwelgen, Schlemmen, Plaudern und Musik hören – derart präsentierte sich am letzten Freitag der grosse Hörsaal des Völkerkundemuseums. Die eindringlichen Rhythmen des simbabwisch-südafrikanischen Gesangsduos «Children of Nandi» vermochten das Vernissagenpublikum sichtlich mitzureissen. Es wurde geklatscht, getanzt und gesungen – der Funkesprang über und mit ihm eine Stück der sprichwörtlichen afrikanischen Lebensfreude.
Derweil präsentierte die Ausstellung im ersten Stock den kulturellen Reichtum einer Nation, die dieses Jahr ein bedeutsames Jubiläum feiert: Zehn Jahre Demokratie. Die bunt gemusterten Perlenarbeiten gelten heute als Symbol für das neue Südafrika, wie Professor Miklós Szalay erläuterte. «Perlen stehen für das Ideal der Regenbogen-Nation, einem Südafrika der Vielfalt und der Versöhnung», so der Kurator, der seine Besucher an diesem Abend mit einem Perlenband um die Stirn empfing.
Hoch erfreut über die gelungene Schau zeigte sich Carol Kaufmann. Die Konservatorin an der Südafrikanischen Nationalgalerie in Kapstadt wird die Zürcher Präsentation 2006 übernehmen. Kaufmann unterstrich den Stellenwert dieses Ereignisses: «Die Perlenkunst ist neben den Felsmalereien die bedeutendste ästhetische Tradition Südafrikas.» Die ausschliesslich von Frauen ausgeübte Tätigkeit sei in Europa bisher kaum zur Kenntnis genommen worden. Die Zürcher Ausstellung würdige nun dieses bedeutende kulturelle Erbe und trage zu seiner Anerkennung bei.
Die elegant präsentierte Schau versteht es tatsächlich, dem Publikum eine faszinierende Kunsttradition näher zu bringen. In den Farben und Mustern von Perlenbroschen etwa, so erfährt man, sind mitunter ganze Lebensgeschichten verschlüsselt. Andere Stücke – rechteckige Perlenteppiche an einem Halsband – enthalten Liebesbotschaften, die junge Frauen für ihre Verehrer verfassten. Zu gerne wüsste man mehr. Ein Geständnis? Sehnsucht? Gar baldige Heirat? Leider bleibt das Geturtel für aussen Stehende meist unauflösbar.
Was bleibt, ist der ästhetische Zauber der Schürzen, Schulterdecken, Arm- und Beinreifen, Stirnaufsätze und Brautschleppen. Historische Fotografien an den Wänden zeigen Männer und Frauen, die über und über in Perlen gekleidet sind. Einige verschwinden nahezu in ihrem üppigen Ornat wie jene Fruchtbarkeitspuppe am Ende des Rundgangs: Nur gerade Augen und Stirn blicken unter fünf dicken, perlenbesetzten Ringen hervor. Die derart imitierten Leibesfülle, aber auch die Perlen selbst galten als Zeichen für Gesundheit und Wohlstand.
Um 1950 trug eine junge Thembe-Frau bis zu fünfzig solcher Accessoires. Deren Kompositionen wirken in ihrer geometrischen Strenge manchmal frappierend modern, erinnern an Formexperimente des Konstruktivismus oder der Farbfeldmalerei. Stutzig machen auch die Halsketten aus Injektionsnadelschutzkappen oder Schraubverschlüssen von Salbentuben. Sie wurden mit der westlichen Heilkunst assoziiert und galten jungen Müttern als besonders wirkungsvoller Schutz vor dem Bösen.
Durch den Einbezug solch moderner Stücke unterstreicht Kurator Miklós Szalay den dynamischen Charakter von Kunst und Kultur, betont deren Wandelbarkeit, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft, ohne einem überkommenen Authentizitätsbegriff nachzuhängen. Das zeigt sich auch darin, dass die Schau den Missgriff vermeidet, die Exponate nach Ethnien zu ordnen. Diese Zuschreibungen haben sich in vielen Fällen als fiktive koloniale Konstrukte herausgestellt, mit denen die Perlenstile kaum jemals übereinstimmen.
«Iintsimbi – Perlenarbeiten aus Südafrika» im Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Pelikanstrasse 40, bis 30. April 2005. Katalog 36 Franken.