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«Wir haben die Sprache gelernt, mit der Gott das Leben geschaffen hat.» Mit geschwellter Brust steht Bill Clinton an seinem Rednerpult im Weissen Haus und gibt die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes bekannt – an seiner Seite die beiden Bio-Wissenschaftler Craig Venter und Francis Collins. Das war im Juni 2000. Die präsidiale Würde unterstrich nur die Bedeutung des Ereignisses für Wissenschaft und Gesellschaft. Heute flimmert die Videoaufzeichnung der damaligen Pressekonferenz über einen Bildschirm im Zürcher Landesmuseum. Sie ist Teil der aktuellen Ausstellung «Der gespiegelte Mensch – in den Genen lesen», die von Life Science Zurich – einer Kooperation von Universität Zürich und ETH Zürich – in Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum realisiert worden ist. Die Ausstellung bringt auf anschauliche und sinnliche Weise die Grundlagen, Möglichkeiten und Ziele der Genforschung einem breiten Publikum näher.
Wie ist mein Körper gewachsen? Wozu braucht es Mann und Frau? Wie kann ich sehen? Die Neugier steht am Anfang der Wissenschaft. Sie steht auch am Anfang der multimedialen Ausstellung im Landesmuseum – der labyrinthartige, erste Raum präsentiert sich als (zuweilen etwas willkürlicher) Assoziationsraum von Fragen, Bildern und Zitaten. Letztere reichen von Thales bis Martin Buber und Robert Musil. Ein Kurzfilm zeigt Ultraschallaufnahmen aus dem Bauch einer Schwangeren, King Kong, der überdimensionierte Filmaffe steht im Kontrast zur Frage nach der Kleinwüchsigkeit und das unüberhörbare Röhren eines brünftigen Hirsches ab Band bringt, etwas weniger subtil als das gleich nebenan reproduzierte erotische Gemälde aus Indien, den Willen zur Paarung zum Ausdruck.
Nach dem einstimmenden, vielstimmigen Auftakt klärt ein Animationsfilm auf anschauliche Weise Grundbegriffe der Genetik – «DNA» etwa oder «Protein». Mittels Wandtexten wird die Geschichte der Genetik von Mendels Kreuzungsversuchen im Klostergarten bis heute nachgezeichnet und in einen kulturellen Kontext – etwa von Schöpfungsvorstellungen, wie sie sich im buddhistischen Baum des Lebens widerspiegeln – gestellt.
Wie nahe die evolutionäre Verwandtschaft des Menschen mit vielen Lebewesen – beispielsweise der Fliege ist – zeigt der Vergleich ihrer Erbinformation im nächsten Raum. Tiere, aber auch Pflanzen oder Hefe können deshalb als Modelle für den Menschen dienen und stellvertretend für diesen erforscht werden. Die Erforschung dieser Modellorganismen – der Fruchtfliege, des Fadenwurms, des Zebrafischs, der Ackerschmalwand oder eben der Hefe – steht im Zentrum von «Der gespiegelte Mensch». Informationstexte machen deutlich wie etwa mittels des Zebrafisches die genetischen Grundlagen der Entwicklung von gesunden und kranken Sehorganen erforscht oder mittels der Fruchtfliege Wachstumsprozesse untersucht werden können.
Videoporträts zeigen zudem die Menschen hinter diesen Forschungsprojekten. In den Kurzfilmen geben Forscherinnen und Forscher von Universität und ETH über ihre Arbeit, ihre Motivation und ihre Ziele Auskunft. Im angrenzenden Labor können die Besucherinnen und Besucher schliesslich selbst in die Haut der Forschenden schlüpfen. Unter dem Mikroskop wird dem genauen Beobachter anhand von Mutanten der Einfluss bestimmter Gene auf die Entwicklung des Organismus deutlich.
Die Komplexität der Materie bringt es mit sich, dass die Ausstellung viele Bereiche der Genforschung nur antippen kann. Entsprechend haben die Ausstellungsmacher für Schulen – für die «Der gespiegelte Mensch» von besonderem Interesse sein dürfte – eine umfassende Dokumentationsmappe zur Vertiefung zusammengestellt. Nicht thematisiert werden in der Ausstellung im Landesmuseum gesellschaftlich umstrittene Bereiche der Biowissenschaften wie die Stammzellenforschung oder das Klonen. Dem Dialog und der Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist jedoch eine Reihe von Podiumsdiskussionen und Vorträgen gewidmet, die die Ausstellung ab September begleiten.