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Herr Rektor Weder, in letzter Zeit haben wirtschaftsnahe Organisationen Vorschläge zu tief greifenden Reformen der Schweizer Hochschulen gemacht. Schätzen Sie dieses neue Interesse?
Hans Weder: Teilweise ist es sehr willkommen. Die economiesuisse beispielsweise vertritt natürlich oft nicht die gleichen Positionen wie die Universität. Es gibt jedoch Bereiche, in denen wir ähnliche Vorstellungen haben, etwa wenn es darum geht, den Universitäten grösstmögliche Autonomie zu geben.
Vorschläge zur weiteren Entwicklung des Hochschulstandortes Schweiz sind auch vom neoliberalen Think Tank Avenir Suisse gemacht worden.
Weder: Die Studie von Avenir Suisse ist ziemlich schmalbrüstig. Es war wenig sinnvoll, die Studie von einer Wiener Professorin durchführen zu lassen, die weder das Schweizer Hochschulsystem noch die aktuellen Diskussionen wirklich einschätzen kann. Avenir Suisse fehlt die Kompetenz, um zu diesen Fragen etwas Vernünftiges zu sagen.
Wir möchten trotzdem einen der Vorschläge erörtern. Avenir Suisse schlägt eine Hierarchisierung der Schweizer Universitäten vor: Demnach soll es in der Schweiz künftig Hochschulen von lokalem, nationalem und internationalem Rang geben.
Weder: Das ist Unsinn. In jeder Universität gibt es Einheiten, die eine starke internationale Ausstrahlung haben, bei uns beispielsweise das Deutsche Seminar, das Zentrum für Neurowissenschaften, das Institut für Mikrobiologie oder die Ökonomische Fakultät. Hinzu kommt, dass jede Universität, die sich in der Lehre engagiert, auch in der Forschung vorne dabei sein muss. DieVorstellung, eine reine Teaching School zu sein, wie dies Avenir Suisse von Luzern behauptet, empfinde ich als beleidigend.
Avenir Suisse fordert zudem eine starke Rolle des Bundes bei der weiteren Gestaltung der Schweizer Hochschullandschaft.
Weder: Da bin ich und mit mir die Schweizer Rektorenkonferenz vehement dagegen. Wir gehen davon aus, dass die Rektorenkonferenz die Hochschullandschaft nach bestimmten Regeln, die sie sich selbst gibt, gestalten wird. Die Entwicklung geht in Richtung Profilierung und Schwerpunktbildung, aber diese werden nach Kapazitätenund Kompetenzen der Universitäten festgesetzt und nicht vom Bund diktiert.
Diese Auseinandersetzung zwischen Bund und Universitäten dauert schon länger. Während der Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Charles Kleiber, versucht, eine nationale Hochschulpolitik zu etablieren, wehren sich die Universitäten dagegen.
Weder: Eine nationale Hochschulpolitik ist nicht besonders relevant, weil die Hochschulen auf internationale Konkurrenz ausgerichtet sein sollten. Uns verbindet mehr mit der Universität München als mit mancher Schweizer Universität. Der nationale Ansatz hat jedoch in gewissen Bereichen Sinn: So muss etwa ein Finanzierungssystem geschaffen werden, das zwischen den Universitäten Chancengleichheit herstellt. Der Bund sollte beispielsweise Bestimmungen für Zulassungen und Studiengebühren erlassen.
Sie haben die Profilierung und Schwerpunktbildung erwähnt: Was ist in dieser Hinsicht in Zürich zu erwarten?
Weder: Die Universität Zürich hat strategisch ganz klare Vorstellungen: Sie will eine Forschungsuniversität erster Klasse sein. Zürich ist das bereits heute, wir wollen aber noch besser werden. Unsere Universität hat zudem eine breite Diversität, die sie sich dank ihrer Grösse leisten kann. Würde man beispielsweise die Bologna-Reform so ausgestalten, dass die Vielfalt in den Geisteswissenschaften eingeschränkt wird, wäre das ein Verstoss gegen die eigenen Talente. Aber auch eine diversifizierte Universität sollte ihre Stärken weiter ausbauen, wie wir das mit der Bestimmung von Forschungsschwerpunkten kürzlich getan haben. Das heisst natürlich nicht, dass wir den Rest vernachlässigen. In diesem Sinne wird es also Profilbildungen geben. Wir müssen uns strategisch vor allem auf den Standort Zürich, auf das Nebeneinander und die Zusammenarbeit von Universität und ETH, einstellen.
Dennoch ist immer wieder von Profilierung im Sinne einer «Hochschule Schweiz» die Rede. Von einer nationalen Zusammenlegung von Fachbereichen mit der Konsequenz, dass beispielsweise Germanistik nur noch in Zürich, andere Fachbereiche nur noch in Bern, Basel oder Genf angeboten würden.
Weder: Davon halte ich aus wissenschaftsorganisatorischen Gründen wenig. In der Schweiz gibt es zwei Universitätsmodelle: die Business School und die integrierte Universität. Letzteres ist seit 900 Jahren erfolgreich. Die Interdisziplinarität bei der Bearbeitung von wissenschaftlichen Problemen wird massiv zunehmen. Da ist jede Hochschule, die im Sinne einer Business School spezialisiert ist, im Nachteil.
Zu einem anderen Thema: Bologna. Die Bologna-Reform setzt auf die Internationalisierung der Hochschulbildung. Sie wird auch an der Universität Zürich umgesetzt, allerdings nicht an allen Fakultäten gleichzeitig. Die Naturwissenschaftler und die Ökonomen werden ab dem nächsten Semester gemäss dem Bologna-Modell studieren. An der Philosophischen Fakultät wird es noch ein paar Jahre dauern. Wie erklären Sie die unterschiedlichen Tempi?
Weder: Ich begrüsse diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausdrücklich. Geschwindigkeit an sich ist noch keine Qualität, und wir wünschen, dass die Qualität stimmt. Die Philosophische Fakultät hat eine ungleichgrössere Komplexität in der Gestaltung der Studiengänge als beispielsweise die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Für uns war ein atmosphärisches Element sehr wichtig: Wir wissen, dass die Leute, die die Arbeit machen, auf unserer Seite sein müssen. Sie müssen motiviert mitziehen.
Eines der Zauberworte der Bologna-Reform ist «Mobilität». Wie mobil werden die Studierenden dank Bologna sein?
Weder: Da bin ich ausserordentlich skeptisch. Ich glaube, dass Bologna die Mobilität eher einschränken wird, weil die Studiengänge viel stärker strukturiert sein werden. Nach dem Bachelor wird man sehr gut umsteigen können, aber ich bin nicht sicher, ob das innerhalb eines Studiengangs möglich sein wird.
Zum Schluss noch dies: Sie postulieren, die Universität müsse mehr tun, um die 15 Prozent der Besten zu fördern. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?
Weder: Wir brauchen gute Selektionskriterien für Doktoranden und müssen diese mit guten Angeboten unterstützen. Auch bei den Masterstudiengängen sollten einige angeboten werden, die besondere Anforderungen stellen. Grundsätzlich versuchen wir, alle Studierenden mitzuziehen; das ist gut so. Aber wir tun etwas zu wenig für die besonders Begabten. Ein Instrument dazu ist der Forschungskredit.