Navigation auf uzh.ch
Um sein Eintreten für die Anliegen der Studierenden macht der emeritierte Philosophieprofessor kein Aufhebens. «Das war für mich immer eine Selbstverständlichkeit», erklärt er dazu schlicht im Gespräch. Auch habe er sich nicht etwa im Sinne Kants und seines kategorischen Imperativs dazu verpflichtet gefühlt, fügt er etwas schmunzelnd hinzu und fährt ernsthaft fort: «Die Gespräche mit Studierenden habe ich deshalb sehr gern gehabt, weil sie ja auch mich bereichert haben.» Hinzu komme, dass er das «frische Gespräch» demSchreibtisch oft vorziehe. «Ich bin kein auf bestimmte Pläne und deren Einhaltung versessener Mensch. Vieles mache ich intuitiv.» So beschreibt er auch seine erste Herangehensweise an philosophische Fragestellungen: «Ich verspüre sozusagen ein metaphysisches Bedürfnis, mit dem ich sodann versuche, philosophisch-rational umzugehen». Die Liebe zu den Texten erleichtere es ihm, eine genaue und innovative Interpretation voranzutreiben. Dass dabei metaphysische Fragen im Kern seines Interesses stehen, erklärt er zum Erbe seines Erststudiums, des Studiums der Theologie. Es sei ein durchaus überlegter Schritt gewesen. Denn in dieser Zeit habe er jene religiösen Überzeugungen abgearbeitet, die ihm aus seinem Elternhaus, einem evangelischen Pfarrhaus, mitgegeben worden waren. Das Interesse an der Theologie sei ihm aber immer geblieben und habe sich in vielen Veranstaltungen gemeinsam mit den Theologen manifestiert. «Auf einer Kanzel zu stehen oder in der Seelsorge tätig zu sein, konnte ich mir aber nie vorstellen», stellt Holzhey abschliessend fest.
Nach Abschluss seines Theologiestudiums 1962 entschied sich der damals 25-jährige Student endgültig für die Philosophie, die ihn bereits zu Beginn seines Studiums in Berlin in ihren Bann gezogen hatte. Diesen Schritt hat er trotz vielseitiger Interessen nie bereut. Sein abgeschlossenes Studium verhalf ihm bereits Ende 1962 zur ersten Assistenzstelle überhaupt am Philosophischen Seminar. 1968 schloss er sein Zweitstudium in den Fächern Philosophie und Soziologie mit der Dissertation zu «Kants Erfahrungsbegriff» ab, die Holzhey immer noch zu einem seiner besten Werken zählt. 1973 legte er seine Habilitation «Cohen und Natorp» vor. Nach wie vor gilt das zweibändige Standardwerk als Fundament für die Erforschung des Marburger Neukantianismus. Die Faszination für Cohens Werk veranlasste Holzhey, nach dessen Nachlass zu fahnden. Mit dieser Forschung holte er eine gewichtige Stimme aus der Vergessenheit zurück. Im Hintergrund seiner Beschäftigung stand auch ein Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem Judentum. «Da verband sich die Erfahrung eines Autors, der mir Eindruck machte, mit diesem schon früher in Berlin entwickelten Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem Judentum.» Mit der Einrichtung des Cohen-Archivs 1969 und der Arbeit an der Edition der Werke Cohens (seit 1977) knüpfte Holzhey viele internationale Kontakte, insbesondere zu jüdischen Persönlichkeiten in England, den USA und Israel. Holzhey bezeichnet diese Arbeit als jene, die «am meisten nach aussen ausgestrahlt hat». Als Fortführung seiner Arbeit in der Gegenwart gründete er vor zwei Jahren die Cohen-Gesellschaft, die es sich fortan zur Aufgabe macht, die Gedanken Cohens in den zeitgenössischen Diskussionen zur Geltung zu bringen.
1978 trat er eine Assistenzprofessur an, 1985 die Nachfolge von Prof. Rudolf Meyer. Während sich Holzhey in den 70er Jahren mit den Aufgaben der Philosophie in der Öffentlichkeit beschäftigte und zusammen mit Hans Saner und Walther Zimmerli die Reihe «Philosophie aktuell» gründete, interessierte er sich in den 80er Jahren vermehrt für Ethik und leistete mit der Gründung eines Arbeitskreises für ethische Forschung in Zürich Pionierarbeit. Auch ist es seiner Initiative zu verdanken, dass 1989 eine Arbeits- und Forschungsstelle für Ethik am Philosophischen Seminar der Universität eröffnet werden konnte.
Während seiner Lehrtätigkeit legte Holzhey grossen Wert darauf, den Studierenden nicht nurscharfsinniges Denken zu vermitteln, sondern bei ihnen auch ein Bedürfnis zu wecken, die an der Universität gewonnenen Einsichten ins öffentliche und private Leben zu tragen. Als Bereicherung des Lehrangebots sind auch seine vielfältigen interdisziplinären Veranstaltungen anzuführen, in welchen die Philosophie beispielsweise im Kontext der Naturwissenschaften beleuchtet wurde.
Im Vergleich mit den heutigen Studienbedingungen bedauert Holzhey, dass die straffen Studienpläne kaum mehr Raum für individuelle Interessen lassen. Dem Bedürfnis nach einer breiten Bildung werde aber nicht nur durch strukturelle Vorgaben ein Riegel vorgeschoben, vermutet er. Womöglich liege es auch an der Flut von Literatur, durch die man sich durcharbeiten müsse, um an den Grund eines Problems zu gelangen. Das strapaziere die Neugier der Studierenden. «Ich merke es manchmal auch an mir selbst, dass mir die Lust vergeht, mich an ein philosophisches Problem zu setzen», gesteht Holzhey offen ein. Andererseits könne es durchaus vorkommen, dass er sich in eine Thematik vertiefe und nichts anderes mehr im Sinn habe, als zu einem Ergebnis zu gelangen. An einem philosophischen Ende angekommen ist Holzhey also noch lange nicht, obwohl es der Titel seiner Abschiedsvorlesung «Das Ende bedenken» implizieren könnte. Vielmehr empfindet er das Ende seiner Lehrtätigkeit als «weichen Übergang, bei dem die Kontinuität überwiegt.» Dass diese Aussage nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt die aktuelle internationale Tagung «Was ist der Mensch», die Holzhey angeregt hat und die er nun durchführt. Weiterhin widmet er einen wichtigen Teil seiner Forschungsarbeit dem «Grundriss der Geschichte der Philosophie», dem philosophiegeschichtlichen Standardwerk in deutscher Sprache. Derzeit gibt er die Reihe 18. Jahrhundert in vier Bänden heraus.