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Die Wissenschaft sei, wie auch die Kunst, eines der wichtigen gestaltenden Elemente unserer Kultur, doch wie andere Beschreibungssysteme auch, sei Wissenschaft auf einen relativ engen Erfahrungsbereich beschränkt und müsse sich dieser Tatsache immer bewusst bleiben. Mit dieser Kernaussage seiner Rede eröffnete Francis Waldvogel, ehemaliger Präsident des ETH-Rats, den fünften Dialog der Reihe «Das Ende der Gemütlichkeit», welcher im «Swiss Re Centre for Global Dialogue» in Rüschlikon (ZH) stattfand. Eingeladen hatten das z-link (catalyst for innovation in science, economy and society) sowie eine Reihe weiterer Trägerorganisationen. Ziel der von Erwin Koller moderierten Diskussion zwischen Experten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kunst war es, zu bestimmen, wie Wissenschaft als kulturgestaltendes Element in der Gesellschaft funktioniert.
Als Ausgangspunkt der Diskussion diente ein Video-Ausschnitt aus Bertold Brechts Theaterstück «Leben des Galilei», der den Kampf zwischen idealistischem Forschergeist einerseits und dem durch Geldmangel und Legitimationsdruck gegenüber der Obrigkeit bestimmten Forscheralltag andererseits anschaulich illustrierte. Gian Gianotti, künstlerischer Leiter des Theaters Winterthur, nannte das geschickte Umgehen mit Grenzen eine sowohl für Künstler als auch für Wissenschaftler wichtige Fähigkeit. Auf die Frage, ob Kunst und Wissenschaft sich in der öffentlichen Darstellung ergänzen könnten, meinte Thomas Meier, Direktor der Hochschule der Künste Bern, dass Kunst sich nicht als blosses Mittel zur Illustration wissenschaftlicher Inhalte eigne. Sowohl Wissenschaft als auch Kunst gingen beide parallel auf die Welt zu und arbeiteten an ihrer eigenen Form von Welterkenntnis. Innovation und Genauigkeit seien in beiden Bereichen wichtige Qualitätsmerkmale. Die Freiheit sowohl für die Wissenschaft als auch für die Kunst sollte in jedem Fall durch den Staat garantiert sein, so Meier.
Der weitere Abend stand im Zeichen des Problems der Kommunikation. Beate Wilhelm, Geschäftsführerin des z-link, fragte, ob es in der Gesellschaft überhaupt ein Informationsbedürfnis über Forschung gebe oder ob nicht alle Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bloss darauf ausgerichtet sei, von oben herab den Leuten ihre Ängste vor der Forschung zu nehmen. Myrtha Welti, Universitätsrätin in Zürich und Vizepräsidentin der Stiftung Science et Cité, vermisste Vertreter der Gesellschaft in der Runde der Anwesenden. Sie forderte einen Dialog ohne Bevormundung in beiden Richtungen. Die Forschenden müssten die Gesellschaft ernst nehmen, die Gesellschaft müsse sich aber auch für die Forschung interessieren, um ihren Teil der Verantwortung wahrnehmen zu können. Ziel müsse letztlich sein, dass sowohl die Wissenschaft als auch die Gesellschaft voneinander lernten. Beate Wilhelm bezeichnete das derzeitige Wertesystem in der Wissenschaft, das Forschende rein nach der Anzahl ihrer Veröffentlichungen beurteilt, als kontraproduktiv. Zu ihrem Bedauern sei der Austausch mit der Gesellschaft in der Welt der Wissenschaft derzeit kaum anerkannt, gelte unter Forschenden sogar oft als Zeitverschwendung. Das interessante Argument von Moderator Erwin Koller, dass die Medien Forschende, die verständlich kommunizierten, mit Präsenz belohnen würden, wurde in der weiteren Diskussion nicht aufgenommen.
Sergio Bellucci, Geschäftsführer der TA-SWISS (Technologiefolgen-Abschätzung), meinte, die Menschen müssten den Nutzen der Forschung sehen, dann wären sie auch bereit, die Verantwortung für Risiken mitzutragen. Besonders die Anwendung der Gentechnik für die Erzeugung von Nahrungsmitteln sei ein interessantes Beispiel für das Misstrauen der Leute gegenüber der Forschung, da sie deren Nutzen nicht erkennen könnten. Marcel Bürge, Leiter der Risk Engineering Services der Swiss Re, brachte die Perspektive der Versicherungsbranche ein. Für Versicherungen sei es besonders wichtig, das Risikopotential neuer Technologien frühzeitig abzuschätzen. Die Wissenschaftler seien oft erstaunt über die so wörtlich «dummen Fragen», die er und seine Kollegen ihnen oft stellen würden, wenn sie sich für Risiken und Gefahren bei der Anwendung gerade erst in der Entwicklung stehender Techniken interessierten.
Die letzte Runde der Diskussion galt möglichen Zukunftsperspektiven im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Bernard Aebischer vom Zentrum für Energiepolitik und Umwelt (CEPE) der ETH Zürich meinte, die Wissenschaftler an der ETH würden gern mehr kommunizieren, es müsse aber sowohl Zeit als auch Wertschätzung dafür geben. Francis Waldvogel stimmte zu und meinte, dass das Schweizer Hochschulsystem sich dafür besonders eigne, die bevormundende Informationsvermittlung von oben nach unten durch einen Dialog auf gleicher Augenhöhe zu ersetzen. Beate Wilhelm regte die Schaffung von Anreizstrukturen an, um gut kommunizierende Forscher zu belohnen. Am Ende des Abends schlug Christoph Walter, ehemaliger Bereichsleiter der deutschen Robert-Bosch-Stiftung, eine Umfrage bei Forschenden darüber vor, was sie eigentlich kommunizieren würden, wenn sie mehr Gelegenheit dazu hätten.