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Als Leiter der Abteilung für Psychiatrische Forschung an der Universität Zürich ist Nitsch Fachperson für das Altern des Menschen. Für seine Forschungen erhielt er soeben den Potamkin-Preis. Nitsch ist überzeugt: «Eigentlich könnte der Mensch 120 Jahre alt werden, denn wir sterben nicht wegen des Alters, sondern an Krankheiten.» Gewisse Krankheiten wie etwa Alzheimer würden zwar mit zunehmendem Alter häufiger auftreten, ein hohes Lebensalter führe aber nicht zwangsläufig zu dieser Erkrankung: «Auch bei den über 100-Jährigen sind mindestens 65% noch kognitiv völlig gesund.»
Alzheimer sei unterdessen allerdings die häufigste Hirnerkrankung, weltweit 8-10 Mio. Menschen leiden an ihr. Nachdem sich Zellversuche als nur bedingt aussagekräftig erwiesen hätten, arbeite die Wissenschaft heute wieder vermehrt mit Tierversuchen, um Therapien zu entwickeln. Der Kreislauf der Forschung gehe dabei vom Patienten über Laboruntersuchungen zu transgenen Mäusen und von dort zurück zu klinischen Studien mit Patienten.
Nach heutigem Wissen zeigt sich gemäss Nitsch, dass Alzheimer auf einer fehlerhaften Faltung von körpereigenen Proteinen basiert. Diese Bildung von sogenannten Amyloid-Plaques könne bereits 15-30 Jahre vor den ersten Krankheitsanzeichen begonnen haben: «Das Prinzip der Prävention wäre deshalb wichtig - Risikofaktoren erkennen zu können. Besonderes sinnvoll wäre dies für Personen mit Alzheimer-Erkrankungen in der Familiengeschichte.»
Das Immunsystem erkenne zwar auch im Falle von Alzheimer, dass im Gehirn etwas nicht stimme, sei aber nicht in der Lage, die Plaques abzubauen: «Warum aber nicht das Immunsystem unterstützen, um die Krankheit zu stoppen? Impfungen haben sich schliesslich in der Geschichte der Medizin oft als erfolgreich erwiesen.»
Und so machten sich die Forscher weltweit auf die Suche nach einem möglichen Impfstoff. Dieser wurde synthetisch hergestellt und an transgenen Mäusen getestet. Die Resultate waren «absolut erstaunlich». Was scheinbar in Jahrzehntenan Plaques aufgebaut wurde, war in gewissen Studien innerhalb von drei Tagen verschwunden. Die als Reaktion auf den Impfstoff gebildeten Antikörper schienen somit nicht nur präventiv, sondern auch therapeutisch wirksam zusein.
Bei der weltweit ersten Immunisierungsstudie mit Menschen nahmen 372 Patienten teil. Die grösste Gruppe stellte dabei Zürich - 24 Personen erhielten den Impfstoff, einige andere ein Placebo. Nitsch: «Wir wollten nur leicht bis mittelschwer erkrankte Alzheimer-Patienten daran teilnehmen lassen, weil es uns wichtig war, dass diese ihre klare Einwilligung geben können.» Inzwischen sei aber die ethische Diskussion in vollem Gange, ob diese Methode nicht auch Schwerkranken jetzt schon zugänglich gemacht werden müsste.
Auch bei den Tests an Menschen waren die Ergebnisse eigentlich erfreulich. Die gebildeten Antikörper waren in der Lage, die Plaques zu erkennen und konnten die Krankheit im Vergleich zur Placebo-Gruppe deutlich abschwächen - es war also gelungen, die problematische Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Weitere Impfungen mit demselben Wirkstoff mussten allerdings gestoppt werden, nachdem bei weltweit 18 der geimpften Personen als Nebenwirkung Entzündungen im Gehirn auftraten.
Die Forscher versuchen jetzt, einen neuen Impfstoff ohne diese Nebenwirkung herzustellen. Prof. Nitsch: «Diskutiert wird auch die Möglichkeit einer passiven Immunisierung, wobei die Antikörper dem menschlichen Körper von aussen zugeführt würden.» Als vorsichtige Schätzung für den Beginn der nächsten klinischen Studie ist Ende 2004 vorgesehen.