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Die absolut präzise Erhaltung und Weitergabe der genetischen Information von einer Generation zur nächsten ist eine wesentliche Grundlage allen Lebens. Nur so können Eigenschaften vererbt werden, und nur so kann Leben aus einer einzelnen Zelle, der befruchteten Eizelle, entstehen. Das Origin-Erkennungprotein, kurz ORC vom englischen «Origin Recognition Complex», markiert die verschiedenen definierten Stellen auf der DNA, von wo aus die Verdoppelung (Replikation) stattfinden kann. Es dient als Bindungsstelle für weitere Proteine, welche für die Replikation nötig sind. Erst wenn zwei identische Kopien der DNA vorhanden sind, teilt sich die Zelle.
Neben dieser Hauptfunktion hat der ORC noch weitere wichtige Aufgaben wie zum Beispiel die gezielte Deaktivierung von Genen. Dieser Aspekt des ORCs interessiert die Forscherin Margaret Collinge. Sie möchte herausfinden, ob und wann welche Gene mit Hilfe des Origin-Erkennungsproteins abgeschaltet werden.
In ihren Experimenten vergleicht sie die Genaktivität einer mutanten Arabidopsis-Pflanze, welche keinen funktionsfähigen ORC enthält, mit derjenigen einer normalen Pflanze. Da die mutierten Pflanzen nur kurz lebensfähig sind, kann sie nicht ausgewachsene Pflanzen, sondern nur ganz junge Samen miteinander vergleichen (Bild).
Äusserlich sieht man noch keinen Unterschied zwischen den mutierten Samen und den Samen einer normalen Pflanze, wenn Frau Collinge sie erntet, aber die Genaktivität sollte bereits unterschiedlich sein: Die Forscherin erwartet, dass in den mutierten Pflanzen auch diejenigen Gene aktiv sind, welche zu diesem Zeitpunkt in normalen Pflanzen vom ORC deaktiviert wurden.
Arabidopsis hat ungefähr 30’000 Gene – viel weniger als die meisten Kulturpflanzen, aber immer noch zu viele, um jedes einzeln anzuschauen! Mit Hilfe eines Genchips können heute sehr viele Gene gleichzeitig untersucht werden. In einem einzigen Experiment sieht Dr. Collinge, welche Gene gerade aktiv sind, das heisst: von welchen Genen gerade Proteine produziert werden.
Da die verwendeten Geräte für diese neue Technologie sehr teuer und kompliziert zu warten sind, werden diese Experimente zentral am Functional Genomics Center Zurich durchgeführt. Die interessierten Forscher werden dort in die Technik eingeführt und beim Durchführen der Experimente und Analysieren der riesigen anfallenden Datenmengen unterstützt. Genchip-Experimente sind sehr kostspielig und lassen sich nicht immer aus einem laufenden Projekt finanzieren. Der Forschungskredit bietet hier eine gute Möglichkeit, Geld fürVerbrauchsmaterial zu beantragen. Das Salär von Dr. Collinge wird weiterhin vom Institut für Pflanzenbiologie übernommen.
Seit mehr als einem Jahr ist Dr. Collinge Mutter eines kleinen Sohns und arbeitet nur noch fünfzig Prozent am Institut. In dieser Zeit betreut sie einen Doktoranden, ist für einen Teil der Lehre zuständig und verfolgt ihre eigenen Forschungsprojekte. Kann man halbtags kompetitive Wissenschaft betreiben? «Auch als ich noch hundert Prozent arbeitete, bin ich immer mit dem Gefühl nach Hause gegangen, noch zu wenig erreicht zu haben.» So hat sie sich entschieden, vorläufig nicht noch weitere Doktoranden zu suchen, um mehr Zeit zu haben, selber im Labor zu stehen und den direkten Kontakt zur Wissenschaft nicht zu verlieren. Mit mehreren Studenten käme sie wohl nicht mehr dazu, eigene Experimente durchzuführen.
Bei der Frage nach dem Nutzen ihrerForschung stutzt Dr. Collinge etwas. Vielleicht helfe es zu verstehen, wie unsere Gene organisiert seien und kontrolliert würden, aber ein grosser Teil der Wissenschaft sei doch einfach Neugier: «Wie funktioniert die Welt?». Sie war schon immer neugierig, wollte stets genau verstehen, wie etwas funktioniert; so wurde sie schliesslich Wissenschafterin.
Wie dieser Weg nun weitergeht, ist noch unklar. «Ich kann mir nicht vorstellen, Professorin zu werden, ohne die Unterstützung einer guten Frau zu Hause! Die habe ich leider nicht!», lacht sie. Sie möchte aber gern weiter in der Forschung bleiben, ihre Anstellung als Oberassistentin ist allerdings auf sechs Jahre beschränkt. Immer noch fehlt es an Vorbildern von Wissenschafterinnen (und Wissenschaftern), welche auch mit weniger als siebzig Wochenstunden erfolgreich forschen und Karriere machen. Die Universität gewähre zwar einen grosszügigen Mutterschaftsurlaub – nur was danach kommt, ist leider noch wenig familienfreundlich.